Ladas Klassikwelt 105: „Für jedes Zuhause eine Orgel“

Ladas Klassikwelt 105:  „Für jedes Zuhause eine Orgel“  klassik-begeistert.de, 29. März 2023

Fotos: JOHANNUS OPUS, SFEER MODEL 11

Die Schnitger-Orgel aus aus dem heutigen Hamburg-Neuenfelde, die Silbermann-Orgel in Dresden, oder die Cavaillé-Coll-Orgel in Paris und viele weitere – man kann jedes dieser Instrumente bei sich zu Hause haben. Man kann sich einige bei der Firma Johannus in Ede in Niederlanden aussuchen. Dank der Digitalisierungstechnik können die Mitarbeiter des Unternehmens jede berühmte Orgel nachbauen.  Johannus bildet zusammen mit vier anderen Orgelbauunternehmen – Makin, Rodgers und Copeman Hart OrganBuilders –  die internationale Global Organ Group. Mitte März dieses Jahres habe ich ihren Sitz in Ede besucht.

von Jolanta Łada-Zielke

Das Unternehmen existiert seit 1969. Der Gründer Johannus Orgelbouw  hatte noch mit analogen Orgeln begonnen. Einer der Mitbegründer Gert van de Weerd, der Vater der beiden heutigen Eigentümer Marco und René, setzte zum ersten Mal die Technologie der Digitalisierung ein und machte Johannus zum Marktführer in der ganzen Welt. Später erwarb er die englische Marke Makin. Die ersten digitalisierten Instrumente verfügten über ein paar Stimmen, dann immer mehr. In den 90er war bereits alles digitalisiert.

In der Musikgeschichte nehmen die „Drei Niederländischen Schulen“ einen bedeutenden Platz ein, da sie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Renaissance-Polyphonie geleistet haben.  Aber wie hat sich die Orgelmusik in diesem Land entwickelt? Das erklärte mir der Vertriebsleiter von Johannus Leendert-Jan Blom.

„Die Entwicklung der Orgelmusik in den Niederlanden reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück“, erzählt Leendert-Jan Blom. „In unserem Land leben zuallererst Protestanten, bei denen die Orgelmusik eine große Rolle spielt. Unser „Bach“ heißt Jan Pieterszoon Sweelinck (1561-1621). Natürlich ist Bach der Größte, aber in gewisser Weise sind die beiden Komponisten vergleichbar. Sweelinck entwickelte einige Merkmale, speziell für die Niederlande, vor allem den „singenden“ Charakter dieser Musik. Er kommt aus unserer langen und reichen Tradition des Singens von Hymnen und Psalmen.“

Bild 2. Leendert-Jan Blom

Die Niederländer interpretieren Orgelstücke etwas anders als die Deutschen.

„Wenn ich Deutschen oder Franzosen die holländische Musik vorspiele, würden sie wahrscheinlich ein bisschen lachen und sagen: So spielen wir nicht“, so Blom. „Natürlich hat Bach auch vokal-instrumentale Musik komponiert, aber seine reinen Orgelwerke haben keinen gesanglichen Charakter. Bei der holländischen Orgelmusik sind die Töne viel runder, mit mehr legato. Aber wir nennen es scherzhaft nicht legato, sondern plakkato, was „zusammengeklebt“ bedeutet. Unser anderer Komponist Jan Zwart, der im 20. Jahrhundert lebte, hat diesen speziellen Aufführungsstil der Orgelmusik entwickelt“.

Was die einheimischen Instrumente anbelangt, so gab es bereits vor der Gründung von Johannus ein Harmonium und eine Leseorgel, die einfach zu bedienen waren. Sie verfügten über ein Manual, ein paar Stimmen und Register. Mit der Entwicklung der modernen Technologie beschloss die Verwaltung des Unternehmens, digitale Orgeln zu bauen. Die Philosophie von Johannus lautet: „Orgel für jedes Zuhause“.

Ich bin gespannt, wie der Digitalisierungsprozess läuft. Leendert-Jan Blom erklärt mir das:

„Wir nehmen echte Pfeifenorgeln in den Kirchen mit modernen Geräten auf. Jemand – zum Beispiel ich – setzt sich an die Orgel. Ich drücke eine Taste und halte sie 10-20 Sekunden lang. Dann lasse ich sie los, warte ein bisschen bis ein Rauschen im Raum verklingt und drücke die nächste Taste. Auf diese Art und Weise nehmen wir alle Register auf, Taste für Taste, Pfeife für Pfeife. Wir kopieren auch den Nachhall des Raumes.

Natürlich sind all diese Dinge nicht sofort nutzbar. Man muss die Hintergrundgeräusche herausnehmen, die immer beim Spielen entstehen. Im Endeffekt bekommen wir einen trockenen Klang der Orgel mit dem echten Nachhall des Raumes. Wenn man danach diese Orgel spielt, benutzt man tatsächlich die gleichen Tasten wie in der Kirche. Wir versuchen, einem Organisten das Gefühl zu geben, in einer wirklichen Kirche zu spielen. Der Klang ist gleich oder so nah wie möglich an dem echten. Unser Angebot richtet sich sowohl an Amateurmusiker, als auch Studenten und Konzertorganisten.“

Die Pandemie war für Johannus eine Zeit großen Wohlstands. Während der erzwungenen Isolation wollten viele Menschen die Zeit totschlagen und entschieden sich für den Kauf einer Orgel. Aber auch heute verkauft das Unternehmen wöchentlich etwa 50 Instrumente in die ganze Welt, von den Philippinen, China und Afrika bis nach Kanada, Mittel- und Südamerika, Australien und Neuseeland.

Ich interessiere mich noch dafür, wie sich die Preise der Orgel für Konzertsäle, Kirchen oder für den Heimgebrauch untereinander unterscheiden.

„Das billigste Modell einer Heimorgel mit etwa 30 Registern kostet etwa 5000-5500 Euro.“,  sagt Leendert-Jan Blom. „Aber die Anzahl der Register hat nichts mit der Qualität des Klangs zu tun. Sie können sowohl ein hervorragendes Instrument mit nur 20 Registern, als auch ein miserables mit 60 Registern haben. Die teuerste der normalen Johannus Heimorgeln gehören zur sogenannten Monarke-Serie. Ein Kunde kann dabei entscheiden, wie wir das Instrument bauen sollen, damit es in die Wohnungseinrichtung passen würde. Unser letztes Modell Monarke-Amsterdam wird für etwa 60.000 Euro verkauft, aber für sehr große spezielle Kirchenorgeln der Monarke-Serie zahlt man sogar 100.000 Euro und mehr.“

Die Preise der Kirchenorgeln gibt es ab 12.000 Euro. Das hängt von der Art der Kirche und der Gemeindegröße ab, wieviel Geld die Mitglieder dafür spenden können. Die eine Orgel braucht man nur für Gottesdienste (mit 25 Register), andere für Kirchenkonzerte. Eine kleine Orgel verwendet man unter anderem zum Spielen von Basso continuo mit einem Orchester, weil ein Dirigent einen Blickkontakt mit dem Organisten haben muss. Der Klang größerer Orgel füllt ohne Schwierigkeiten das Innere einer großen Kathedrale.

Zum Schluss demonstriert mir Leendert-Jan den Klang der Orgel Monarke Amsterdam (eine Kopie der Orgel der Kirche Oude Kerk in Amsterdam) und spielt ein Stück von einem niederländischen Komponisten „Merck toch hoe sterk“, das über die Schlacht zwischen Spanien und Holland im 16. Jahrhundert handelt. Das war eine der Schlachten im sogenannten Achtzigjährigen Krieg (1568–1648), um die Befreiung der Niederlande von der spanischen Herrschaft. In diesem Werk gibt es Fragmente von Programmmusik, die die Schlacht imitieren – schwere, massive Akkorde, wie beim Marsch der bewaffneten Armee. In der Mitte haben wir eine Überraschung: ein Abschnitt mit typisch barocken Koloraturen. Die Holländer gewannen diese Schlacht, also endet das Stück in der optimistischer G-Dur Tonart. Auf dem neueren Modell der Orgel LiVE 3P führt Leendert-Jan die „Elegy“ von Thalben-Ball  auf – eines der Stücke, die man bei der Trauerfeier für Lady Di spielte.

Das Unternehmen Johannus verfügt über einen eigenen Konzertsaal mit Orgel, in dem lokale Künstler auftreten.

Jolanta Łada-Zielke,29. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Bilder: © Johannus

Jolanta Łada-Zielke, Jahrgang 1971, kam in Krakau zur Welt, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anläßlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre  journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA.  Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den zwanziger und dreißiger Jahren. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de.

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