Um meine Kritik glaubwürdiger zu machen, gab ich das Buch zwei elfjährigen Mädchen zum Testen. Beide Mädels fühlten sich ermutigt, Carl Orffs Kantate in einem richtigen Konzertraum zu hören. Dann würden sie sich sehr gerne an die schönen Bilder erinnern.
von Jolanta Lada-Zielke
Der Verlag „Annette Betz“ spezialisiert sich auf Publikationen, die die klassische Musik jüngsten Musikliebhabern näherbringen. Vor einiger Zeit hat er ein Buch zu dem bekanntesten Werk von Carl Orff, der Konzertkantate „Carmina Burana„, veröffentlicht. Die Geschichte erklärt den Inhalt des Werks, das zu den Texten der mittelalterlichen Dichter komponiert wurde.
„Carmina Burana“ ist ein sehr beliebtes Stück, auch von denen, die kein großes Interesse an klassischer Musik haben. Jeder anspruchsvolle Chor hat das im Repertoire und tritt damit meistens in der Nähe des Sommeranfangs auf, wegen des Inhalts. Die Autoren der Fassung für Kinder sind Rudolf Herfurtner und Illustratorin Anette Bley.
Der Held der Geschichte ist der siebenjährige Karlchen, dessen Tante an einem Abend zu einem Konzert geht, und er soll sich um ihre Katze Helena kümmern. Leider wegen des Rufs der Natur gelingt das dem Jungen nicht, und das Haustier läuft weg. Karlchen folgt ihm in den Park, wo er ein riesengroßes, steinernes Glücksrad findet. Mit einem Sprung von dem Rad kommt der Junge in ein mittelalterliches Dorf, dessen Bewohner gerade die Ankunft des Frühlings feiern. Karlchen trifft dort seine Altersgenossin Godela. Sie ist seine Führerin in dieser fremden Welt, zeigt ihm die Orte, wo der Inhalt des Stücks spielt, und erklärt ihm die Bedeutung der gesungenen Lieder.
Das im A4-Format veröffentlichte Buch enthält nur 30 Seiten und drei Viertel seines Inhalts sind Illustrationen. Dabei gibt es eine CD mit einer Aufnahme von „Carmina Burana“ aus dem Jahr 1989. Da spielt das Orchester des Slowakischen Rundfunks von Bratislava, und es singt der Chor der Slowakischen Philharmonie unter der Leitung von Stephen Gunzenauser. Die Solisten sind: Eva Jenišov (Sopran), Vladimir Dolezal (Tenor) und Ivan Kusnjer (Bariton).
Mit den lustigen Zeichnungen deuten die Autoren auf die relevanten Teile der „Carmina Burana„ hin, deren Liste sich im Inhaltsverzeichnis befindet. Trotz der geringen Menge an Text nimmt das Lesen mit dem gleichzeitigen CD-Hören viel Zeit in Anspruch. Es dauert genauso lang, wie die ganze „Carmina Burana“.
Aufgrund der Tatsache, dass das Buch für Kinder bestimmt ist, wurden die Liebe und Erotik in dieser Fassung reduziert. Rudolf Herfurtner stellt den Lesern nur ein einziges Liebespaar vor, das in dem Dorf lebt. Das sind Florentine und Florian, der ältere Bruder Godelas. Beide Kinder beobachten sie, wenn sie sich unter dem Kastanienbaum küssen, beim Klang des Satzes „Dulcissime“. Die Katze Helena findet auch einen Partner für sich.
Um meine Kritik glaubwürdiger zu machen, gab ich das Buch zwei elfjährigen Mädchen zum Testen. Die Polin Amelia und die Deutsche Freia sind schon lange miteinander befreundet und haben ein gemeinsames Interesse an der Musik. Sie hatten ein bisschen Angst, bei dem mächtigen Akkord zu Beginn des ersten Teils des Stücks „O, Fortuna!“. Aber dann hörten sie die Musik, die die Geschichte begleitet, mit wachsendem Interesse, wie Amelias Mutter bestätigte.
Am meisten hat es ihnen gefallen, als Karlchen vom Glücksrad sprang und in einer völlig fremden Welt landete. Beide Mädels fühlten sich ermutigt, Carl Orffs Kantate in einem richtigen Konzertraum zu hören. Dann würden sie sich sehr gerne an die schönen Bilder von Anette Bley erinnern, die ein mittelalterliches Dorf im Frühjahr darstellen, wo Godela Karlchen die damaligen Gebräuche erklärte.
Jolanta Lada-Zielke, Hamburg, 6. Oktober 2019,
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Jolanta Lada-Zielke, 48, wurde in Krakau geboren, hat an der Jagiellonen Universität Polnische Sprache und Literatur studiert, danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre in dem Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART im Bereich „Bayreuther Festspiele“ zusammen. 2003 hat sie ein Stipendium vom Goethe Institut Krakau bekommen. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie aus privaten Gründen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA. Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den Dreißigern.