Hier konnte ich natürlich nur einige kurze Auszüge aus den 68 Seiten der„Bayreuther Fanfaren“ bringen. Alles in allem ist die Lektüre des Büchleins sehr amüsant, und es ist interessant zu erfahren, wie einer der berühmtesten Musikkritiker seiner Zeit von den Bayreuther Festspielen des Jahres 1891 berichtet hat.
von Jolanta Lada-Zielke
1891 zählte Bayreuth, schon damals als „Mekka der Wagnerianer“ bezeichnet, 23.000 Einwohner. Der Musikkritiker, –schriftsteller und Komponist Ferdinand Pfohl (1862-1949) schreibt in seinem Büchlein „Bayreuther Fanfaren“, es seien „prächtige Leute, die wissen den Fremden (…) mit mehr oder weniger Geist das Leben und den Geldbeutel leicht zu machen“. Humorvoll äußert er sich auch über die Bayreuther Wirtinnen, bei denen die Festspielgäste private Unterkunft erhielten: sie sollten „Parsifal“ sehr dankbar sein, denn „seinetwegen“ könnten sie nach der Festspielzeit „ein neues Kleid in ihren Schrank hängen“.
Eine Eintrittskarte für einen Abend im Festspielhaus kostete übrigens 20 Mark, allerdings sogar Goldmark. Dieser Preis erschien Ferdinand Pfohl sehr angemessen, zumal Wagner am liebsten keinen Eintritt genommen hätte, um – wie Pfohl schreibt – „sein Kunstwerk nicht zum Privilegium der begüterten Gesellschaftsklasse zu entwerten“.
Nach den Aufführungen traf man sich im Angermann zu biererfüllten Gesprächen über das Gesehene. „Erst Begeisterung, dann Durst, dann bayrisches Bier“ – so drückt es Pfohl aus. Doch auch beim Frühstück, das man üblicherweise im ebenfalls sehr populären Café Sammet einnahm, tauschte man sich weiter über die Aufführungen aus. Da konnte man auch sehr absonderliche Meinungen hören, wie zum Beispiel die eines Tischnachbarn Pfohls, der den Komponisten und seinen „Parsifal“ sogar für das regnerische Wetter verantwortlich machte und ernsthaft vorschlug, dass die lokalen Bauern „den roten Hahn“ auf das Dach des Festspielhauses setzen sollten. Aber „mit dem Feuer wäre es nichts bei dem Sauwetter…“, grummelte der Nörgler.
À propos Regen… An einer anderen Stelle schreibt Ferdinand Pfohl, dass ein echter Wagnerianer in Bayreuth vor jeder Regenpfütze niederkniee und jedes bisschen Pferdemist bewundere; in Bayreuth mache alles einen anderen Eindruck, sei alles symbolisch. Und man duze sich durchaus schon mal auf der Straße mit Zufallsbekanntschaften und führe endlose Gespräche über Wagner mit Menschen, die man kaum kenne. Ich finde, bis heute hat sich das nicht viel geändert.
Während der Festspiele gebe es in Cafés und Restaurants geänderte Menükarten mit höheren Preisen. Am teuersten sei es natürlich auf dem Festspielhügel. Die Temperatur im Theater sei an heißen Sommertagen schon damals kaum erträglich gewesen, so dass das Orchester mit Essig besprengt werden musste und die Zuschauer – laut Pfohl – sich in der Pause mit einem „erprobten bayrischen Zaubertrank“gerettet hätten.
Auch schon damals wurden der Beginn der Vorstellung und das Ende der Pausen durch eine Fanfare angekündigt. Wir erfahren von Pfohl, dass diese seit Wagners Zeiten von zehn Posaunisten gespielt wurde. 1891 hätten sie nicht auf dem Balkon, sondern unten im Publikum gestanden, „damit die Zuhörer mehr erschraken“, mutmaßt Pfohl. „Es ist ein wahrhaft erbauliches Gefühl vom vollen Posaunenton nichtsahnend gestört zu werden und sich die Ohren zersprengen zu lassen!“, so Ferdinand Pfohl. Er fügt scherzhaft hinzu, dass bei den nächsten Festspielen eine ambulante Ohrenklinik unter der Leitung eines Spezialisten am Grünen Hügel eingerichtet werden sollte. Heute spielen die Posaunen bekanntlich vom Balkon herab.
Wie man am Ende des 19. Jahrhunderts eine Kritik schrieb
Wie damals üblich, titulierte Ferdinand Pfohl in seinen Kritiken die Künstler mit Herr, Frau oder Fräulein plus Nachnamen. Es sang also „Herr Reichmann“ den Amfortas, und „Fräulein Malten“ die Kundry im „Parsifal“. Auszugsweise seien an dieser Stelle die von Pfohl beobachteten Reaktionen von Zuschauern auf das Geschehen auf der Bühne zur Oper „Tristan und Isolde“ zitiert: „Man sah (…) viele Personen, die heftig weinten; nicht etwa nervöse Damen, empfindungsselige ’schöne Seelen‘ mit einem lyrischen Gedicht von Matthisson in der Brust; ernsten Männern standen die Thränen in den Augen; ein junger Amerikaner zitterte konvulsivisch und musste an die frische Luft gesetzt werden.“ Den Dirigenten dieser Aufführung, Felix Mottl, bezeichnete Pfohl als einen „Tristandirigenten feurigster Natur“.
Und die Aussprache des belgischen Sängers van Dyck, der den Tristan sang, lobte Pfohl, sie sei deutlicher als bei manchen deutschen Darstellern. Er fügte an, dass deutsche Sänger nicht im Stande seien, ihrer Muttersprache verständliche Klarheit zu geben, ihre Aussprache sei „verschwommen“ und „flach“.
Auch an festspielfreien Tagen habe unter anderem auf Empfangsabenden die musikalische Gestaltung dominiert. In diesem Zusammenhang erwähnt Pfohl einen Abend bei der Gastgeberin Cosima Wagner, einer „Weltdame von feinstem Schliff“. Phantasievoll berichtet Pfohl, er habe sich an einem der Abende dort als „Fliege an die Wand geschmuggelt“, dem leidlich spielenden Pianisten zugehört und beobachtet, dass viele Gäste sich während des Spiels immer wieder zum Buffet geschlichen hätten. Nur ein Kollege habe sich mehr für die „Fliege an der Wand“ interessiert und sie fangen wollen. Daraufhin sei sie eiligst weggeschwirrt….
Hier konnte ich natürlich nur einige kurze Auszüge aus den 68 Seiten der„Bayreuther Fanfaren“ bringen. Alles in allem ist die Lektüre des Büchleins sehr amüsant, und es ist interessant zu erfahren, wie einer der berühmtesten Musikkritiker seiner Zeit von den Bayreuther Festspielen des Jahres 1891 berichtet hat.
Jolanta Lada-Zielke, 1. März 2020, für
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Jolanta Lada-Zielke, 48, kam in Krakau zur Welt, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anlässlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie aus privaten Gründen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA. Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den Dreißigern. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de .