Heinz Rühmann bleibt im Gedächtnis der Chormitglieder – nicht nur als ein ausgezeichneter Interpret, sondern auch als ein Freund.
Erinnerungen an den großen Schauspieler und den Chor St. Michaelis Hamburg
von Jolanta Lada-Zielke
Heinz Rühmann muss nicht vorgestellt werden. Der vor 25 Jahren verstorbene Schauspieler lebte zwar in Starnberg, es gab jedoch eine Instiution, die ihn mit Hamburg stark verband – das war der St. Michaelis Chor. Von 1978 bis 1993 arbeitete er mit dem Chor für die Weihnachtskonzerte eng zusammen, wobei er Gedichte und Geschichten zu Weihnachten vortrug. Der damalige Dirigent des Chores, Prof. Günter Jena, erinnert sich sehr gut an Heinz Rühmanns ersten Besuch in der St.-Michaelis-Kirche:
>> Er trat in die Kirche ein – dieser kleiner Mann – und sagte: ‚Ja, ich habe Angst, aber ich mache das.‘ Und es war ein Phänomen, dass jeder Zuschauer nach jedem von ihm ausgesprochenen Satz das Gefühl hatte, er habe das persönlich für ihn gesprochen. <<
Die damaligen Sänger des St. Michaelis Chores erinnern den Schauspieler als einen ruhigen, sympathischen Mann mit einer großen und bewundernswerten Demut.
Heinz Rühmann begann jedes Konzert mit dem Gedicht „Advent“ von Rainer Maria Rilke, das er sehr mochte. Die Lieblingsgeschichte des Publikums war „Pelle zieht aus“ von Astrid Lindgren. Bernd Lamp aus dem Chor findet, dass Rühmanns Interpretation der Erzählung den Zuschauern besonders gut gefallen hat:
>>Und bei „Pelle zieht aus“ wie bei den anderen fiel mir besonders auf, dass er mit seiner Stimme, die insgesamt sehr leise war, alles modulieren konnte. Er konnte damit so gestalten, dass man ein Gefühl hatte, er rufe laut oder er flüstere. Das Ganze war in einem ganz schmalen Tonbereich. <<
Alle damaligen Mitglieder des St. Michaelis Chors sagen, dass Heinz Rühmann immer diszipliniert, gut vorbereitet und dabei sehr freundlich und bescheiden war. Linde Kohl-Jürgens berichtet wie das Ende jedes Weihnachtskonzerts aussah:
„Während des letzten Chorstücks ist Rühmann abgetreten und nicht wieder gekommen. Er wollte absolut nicht, dass geklatscht wird. Viele Zuschauer sind noch lange in den Bänken sitzen geblieben, haben dem Erlebnis nachgespürt und den Weihnachtsbaum betrachtet. Da war die Besinnlichkeit, die zur Vorweihnachtszeit gehört, sehr spürbar.
Zu jedem Auftritt brauchte Heinz Rühmann ein schwarzes Tuch um das Podest zu bedecken und ein Sitzkissen. Peter Hülsing hat ihm die Requisiten besorgt und den Künstler während seines Aufenthalts in Hamburg betreut:
>> Er bat mich einmal ihn zum Flughafen zu fahren. Dann sagte ich ihm: Ich habe leider nur einen Golf, und er ist zweitürig. Er antwortete darauf ganz bescheiden: >> Wieso? Hat er keine vier Räder?<< Und ein anderes Mal habe ich ihm erzählt, dass ich in einem Laden in der Mönckebergstraße Schuhe kaufen möchte. Dann sagte er mir: „Seien Sie froh, dass Sie in Ruhe Schuhe kaufen können. Ich kann das nicht.“ <<
Im Sommer rief Heinz Rühmann selbst den Chorvorstand an und fragte, wann er wieder nach Hamburg zum nächsten Weihnachtskonzert kommen solle. Im Jahr 1994 kündigte er sich auch an, kam jedoch nicht mehr nach Hamburg. Er starb am 3. Oktober 1994 in Aufkirchen am Starnberger See. Seine Frau lud den St Michaelis Chor ein, um die Bestattung musikalisch zu begleiten. So erinnert sich Ellen Pfohl daran:
>>Wir haben am Grab gestanden und Rosenblätter in das offene Grab geworfen. Wir haben unter anderem gesungen: „O Herr lasst dein lieb Engelein“. Das konnten wir kaum singen, weil wir selber so gerührt waren, aber es muss wohl vorher schon so gewesen sein, dass auch seiner Frau klar war: nur dieser Chor darf dabei sein. <<
>>Bei der Beerdigung waren sehr viele Fotoreporter da, die hinten am Friedhofszaun hingen und etwas aufnehmen wollten <<, so Linde Kohl-Jürgens. >>Der Chor hat eine Mauer um das Grab gebildet, sodass die Familie von Heinz Rühmann wirklich geschützt war. Seine Frau war hinterher sehr dankbar, dass der Chor es durch seine Masse ermöglicht hatte, diese Trauerfeier in Ruhe stattfinden zu lassen. <<
Heute gehören damalige Sänger des St. Michaelis Chores zum Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor. Sie laden weitherhin berühmte Menschen zur Teilnahme an den Adventskonzerten ein, die Texte zu Weihnachten vortragen. In den vergangenen Jahren sind mit diesem Chor, in dem ich singe, Sky du Mont, Senta Berger, Gaby Dohm und Margot Käßmann aufgetreten. Am kommenden Sonntag, den 8.Dezember 2019, liest Hubertus Meyer-Burckhardt die Weihnachtsgeschichten bei zwei Konzerten des Chors vor. Heinz Rühmann bleibt im Gedächtnis der Chormitglieder – nicht nur als ein ausgezeichneter Interpret, sondern auch als ein Freund.
Jolanta Lada-Zielke, 2. Dezember 2019, für
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Jolanta Lada-Zielke, 48, wurde in Krakau geboren, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert, danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre in dem Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART im Bereich „Bayreuther Festspiele“ zusammen. 2003 hat sie ein Stipendium vom Goethe Institut Krakau bekommen. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie aus privaten Gründen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA. Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den Dreißigern.
Vielen Dank für die sympathische Hommage. Zu Unrecht geriet dieser treffliche Schauspieler, der keineswegs nur ein trefflicher Komödiant war, ein bisschen in Vergessenheit.
Kirsten Liese
Danke, das denke ich auch.
Jolanta Lada