Foto: A. Nelsons GWO © Gert Mothes
Leipziger Gewandhaus, 13. September 2019
Lauma Skride Klavier
Andris Nelsons Dirigent
Gewandhausorchester
Betsy Jolas
Letters from Bachville (Uraufführung)
Clara Wieck
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op.7
Robert Schumann
1. Sinfonie B-Dur op.338
Für den 200. Geburtstag Clara Schumanns, geb. Wieck ließ man sich in Leipzig etwas Besonderes einfallen: Das Klavierkonzert der Jubilarin wurde umrahmt von der Komposition einer lebenden Komponistin und von der sogenannten „Frühlingssymphonie“ von Claras Ehemann Robert.
Allen drei Werken ist eines gemeinsam, sie wurden für das Gewandhaus-Orchester geschrieben und auch hier aus der Taufe gehoben. Die 93-jährige Komponistin Betsy Jolas stellt in ihrem etwa fünfzehn Minuten dauernden Orchesterstück Bach in den Fokus, Leipzig bezeichnet sie ironisch als „Bachville“. Sie kombiniert Rhythmen und Motive aus verschiedenen Kompositionen Bachs zu einer gelungenen, eigenständigen Collage, die auch vom Publikum dankbar angenommen wird.
In den Mittelpunkt des Abends ist das einzige vollendete Werk Claras für Orchester gestellt. Das unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy 1835 uraufgeführte Klavierkonzert der erst 16-jährigen Clara Wieck ist ein überraschend reifes Werk. Man muss dazu wissen, dass Clara schon in ihrer Kindheit als pianistisches Wunderkind Europa bereiste – und im Sturm eroberte.
Der ehrgeizige Pädagoge Friedrich Wieck hatte seine eigene Tochter zu seiner Meisterschülerin erzogen. Entsprechend anspruchsvoll ist der Klavierpart des Konzerts. In der lettischen Pianistin Lauma Skride findet es an diesem Abend eine perfekte Interpretin. Trotz kräftigem, energischem Anschlag gelingt es Skride, ihrer Interpretation eine feminine Note zu verleihen, was der Komposition einer Frau bestens bekommt. Man wünschte sich, dem Werk häufiger in den Konzertprogrammen zu begegnen. Als Zugabe spielt die Pianistin „Widmung“ von Robert Schumann, die Klavierversion seines bekannten Liedes „Du bist die Ruh‘“.
Nach solcher Überleitung bietet sich Robert Schumanns „Frühlingssymphonie“ als logische Ergänzung an. Diese Symphonie, ebenfalls im Gewandhaus unter Mendelssohns Leitung uraufgeführt, entstand in der glücklichen Zeit zu Beginn der Ehe von Clara und Robert, vielleicht der unbeschwertesten Phase im Leben des tragisch geendeten Komponisten. Die Freude über den anbrechenden Frühling ist schon in der einleitenden Passage der Hörner herauszuhören und bleibt als gedankliches Hauptmotiv während der gesamten Symphonie präsent.
Andris Nelsons bestreitet seine zweite Saison mit dem Gewandhaus-Orchester, dessen 21. Kapellmeister er ist. Das ehrwürdige Spitzenorchester scheint mit seinem neuen Chef erfreulich gut zu harmonieren, Nelsons ist in Leipzig nicht nur bei seinen Musikern, sondern auch beim Publikum endgültig angekommen. Er wird von einer Welle der Sympathie und Zustimmung getragen, was für die nächsten Jahre auf große musikalische Ereignisse hoffen lässt.
Peter Sommeregger, 14. September 2019, für
klassik-begeistert.de