Das Theater an der Wien brilliert mit Bernsteins Candide

Leonard Bernstein, Candide  Theater an der Wien, 26. Januar 2024

Foto © Werner Kmetitsch, Ben McAteer (Dr. Pangloss/Martin), James Newby (Maximilian/Tsar Ivan), Nikola Hillebrand (Cunegonde), Matthew Newlin (Candide), Tatiana Kuryatnikova (Paquette)

Candide
Leonhard Bernstein
A Comic Operetta in zwei Akten

Szenische Aufführung der Concert Version

Musik von Leonard Bernstein
Buch von Hugh Wheeler nach Voltaire
Gesangstexte von Richard Wilbur

Arnold Schoenberg Chor
ORF Radio-Symphonieorchester Wien

Marin Alsop, Dirigentin
Lydia Steier, Regie

Besetzung:  Vincent Glander (Erzähler), Matthew Newlin, Nikola Hillebrand, James Newby, Ben McAteer

Theater an der Wien, 26. Januar 2024

von Herbert Hiess

Man wird den Eindruck nicht los, dass 2024 ein Jubiläum für den einzigartigen Musiker (Dirigent, Pianist, Komponist…) Leonard Bernstein ausgerufen wurde – dabei hat er weder einen runden Geburtstag noch einen runden Todestag.

Trotzdem spielt man zur Zeit in der Wiener Volksoper sein Erfolgsmusical „West Side Story“ und im Musikverein probt das ORF-Orchester mit seiner Chefin Marin Alsop die 2. Symphonie des amerikanischen Komponisten.

Und diese Dirigentin macht derzeit im Theater an der Wien vulgo Museumsquartier mit ihrem Orchester den Klangteppich für diese beeindruckende „Operetta“. Marin Alsop war Assistentin von Bernstein und hatte somit die Möglichkeit, all seine Werke aus „erster Hand“ zu studieren.

Und das merkt man auch, wenn man dieses revuehafte Werk erlebt. Bernstein hat die wichtigsten Elemente der Musikgeschichte untergebracht. Von jazzigen Tänzen über imposante Polkas und Gavotten bis hin (vor allem im zweiten Akt) opernhaften Ensembles und Arien.

Frau Alsop und das bernsteinerprobte Orchester (sie spielten mit Leonard Bernstein 1986 seine Oper „A quiet Place“ in der Wiener Staatsoper) zogen bei dieser Aufführung alle Register ihres Könnens. Angefangen mit der hochvirtuosen Ouvertüre bis hin zu den mitreißenden Szenen und Arien.

© Werner Kmetitsch, Matthew Newlin (Candide), Tänzer, Ensemble

Exzellent die Solisten; allen voran Matthew Newlin als Candide mit seiner wunderschönen und äußerst musikalischen Nikola Hillebrand als Cunegonde; auch die anderen Solisten waren ehervorragend. Vielleicht hätte man von Mark Milhofer als Vanderdendur eine durchschlagskräftigere Stimme erwartet – hier hat man Nicolai Gedda immer vor sich, der diese Rolle in Bernsteins Produktion aus London sang.

© Werner Kmetitsch, Helene Schneiderman (Old Lady), Nikola Hillebrand (Cunegonde)

Exzellent auch die Regie der gebürtigen US-Amerikanerin Lydia Steier, die diese operettenhafte Revue voll mit Leben erfüllte; manchmal gab es aber zu viele Gags und Späße, die von der Musik ablenkten und die man zeitweise auch ignorieren musste, um nicht den Blick auf die Sänger zu verpassen.

Frau Steiers Gags waren manchmal schon am Rande der Geschmacklosigkeit – vor allem dann, wenn sie die katholische Kirche darstellte. Die pornohaften Szenen wären entbehrlich gewesen. Es stellt sich die Frage, ob in Zeiten wie diesen eine Verspottung der Religion wirkt.

Aber Frau Steier machte aus Candides Weltreise durch die Moral ein kurzweiliges Erlebnis, das noch durch das großartige ORF-Orchester und der ebensolchen Maestra Alsop stark verstärkt wurden.

Schade, dass das mit dieser Produktion vorbei sein sollte; und vielleicht kann die Wiener Staatsoper Bernsteins „Quiet Place“ wieder ins Programm aufnehmen – das wäre mehr als wünschenswert!

Herbert Hiess, 26. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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