Foto: © Richard Hubert Smith
„Pountneys „Füchslein“ hat mich – sehr ungern gibt dies ein erfahrener Rezensent zu – zu Tränen gerührt. Was sich auf der Bühne abspielt, ist pure Magie. Es ist geradezu überwältigend, mit wieviel Phantasie, Subtilität und Feingefühl dieses Märchen hier zum Leben erweckt wird.“
Welsh National Opera WNO, Cardiff,
5. Oktober 2019
Leoš Janáček, The Cunning Little Vixen (Das schlaue Füchslein), in tschechischer Sprache
von Charles E. Ritterband
„The Cunning Little Vixen“ an der Welsh National Opera: Nie habe ich eine entzückendere, spritzigere Inszenierung von Janaceks wunderbarer musikalischer Fabel „Das schlaue Füchslein“ gesehen. Kein Wunder – für die Regie zeichnete sich der Großmeister Sir David Pountney verantwortlich, der seinerzeit als Intendant der Bregenzer Festspiele großartige kreative Leistungen vollbracht hatte – unter anderem die szenische Welt-Uraufführung der bewegenden Oper „Die Passagierin“ von Mieczyslaw Weinberg. Das Werk hat seither auf vielen großen Bühnen Furore gemacht.
Pountneys „Füchslein“ hat mich – sehr ungern gibt dies ein erfahrener Rezensent zu – zu Tränen gerührt. Was sich auf der Bühne abspielt, ist pure Magie. Es ist geradezu überwältigend, mit wieviel Phantasie, Subtilität und Feingefühl dieses Märchen hier zum Leben erweckt wird. Das Bühnenbild ist ebenso schlicht wie wirkungsvoll, die Kostüme zart und poetisch – die Illustrationen eines Märchenbuchs.
Das Orchester der Welsh National Opera unter der sensiblen Stabführung des tschechischen Dirigenten Tomas Hanus bringt das Beste an der feinsinnigen Komposition Janaceks zum Klingen. Geboren in Brünn hat Hanus den bestmöglichen Zugang zu dieser von den Schwingungen seines Heimatlandes durchdrungenen Musik – er ist, an der Spitze dieses ausgezeichneten Orchesters, die denkbar beste Besetzung.
Dies gilt auch für das phänomenale Füchslein der jungen, preisgekrönten, aus Nordirland stammenden Sopranistin Aoife Miskelly. Sie bezaubert, berührt wie keine andere Darstellerin, die ich in dieser Rolle bisher gesehen habe.
Ihr Gesang hat zugleich Leichtigkeit, Sicherheit und vermittelt den vollen Wohlklang der Janacek’schen Partitur. Sie beherrscht die Szene, genauso wie das Skript es verlangt. Sie agiert mit Charme, Witz und schalkhafter Durchtriebenheit – und einer riskanten Selbstüberschätzung, die ihr am Ende, vor dem Flintenlauf des betrunkenen Wilderers, zum tödlichen Verhängnis wird. Miskellys Gesang ist voll dynamischer Frische, dabei wirbelt sie über die Bühne, durch den imaginierten Märchenwald wie ein junges Füchslein voll unstillbarer Lebenslust.
Alle Darsteller glänzen durch herrliche Spielfreude und vermitteln dem Zuschauer den ganzen skurrilen Humor dieses Stücks. So der träge Hund (Helen Greenaway) und, besonders köstlich, der aufgeblasene Hahn Michael Clifton-Thompson an der Spitze der einfältigen Hühnerschar, welcher Vixen kurzerhand den Garaus macht.
An dieser Stelle, in Cardiff Bay, dem Hafen der walisischen Hauptstadt Cardiff, hatte sich im 19. Jahrhundert der Kohlehafen mit dem weltweit größten Umschlagplatz für Kohle befunden – und somit die Hauptschlagader für die Industrielle Revolution und das British Empire, das größte Reich der Erde und der Weltgeschichte. Heute ist davon nichts mehr übrig geblieben, aber Cardiff Bay wurde zu einer beliebten Vergnügungszone – in deren Mittelpunkt das Wales Milennium Centre (und unmittelbar daneben der ultramoderne Bau des autonomen walisischen Parlaments).
Das 2002 eröffnete Kulturzentrum Wales Milennium Centre ist unter anderem die zentrale Spielstätte der Welsh National Opera (WNO) im Donald Gordon Theatre mit knapp 1900 Sitzplätzen. Die 1946 gegründete WNO bietet höchste musikalische Qualität und hervorragende, originelle Inszenierungen, wovon wir uns an diesem Wochenende gleich dreifach mit extrem unterschiedlichen Werken überzeugen konnten: Rigoletto, Cunning Little Vixen und Carmen.
Die WNO ist oft auf Tournee in ganz England – was die räumliche Limitiertheit der meisten Bühnenbilder erklärt, die landauf landab, von Bristol über Liverpool bis Southampton auf verschiedenste Bühnen zu passen haben. Die WNO produziert jährlich acht Opern mit insgesamt 120 Aufführungen und erreicht damit rund 150 000 Zuschauer jährlich.
Charles E. Ritterband, 13. Oktober 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Inszenierung: David Pountney
Dirigent: Tomas Hanus
Designer: Maria Bjornson
Choreographie: Elaine Tyler-Hall
Vixen: Aoife Miskelly
Förster: Claudio Otelli
Fuchs: Lucia Cervoni
Hahn: Michael Clifton-Thompson
Hund: Helen Greenaway
Wilderer: David Stout
Orchester und Chor der WNO