Foto: Lombardini Quartett © Kirsten Liese
Das Lombardini-Quartett spielte Raritäten in Feldkirch
Schattenburg Feldkirch, 24. Juli 2023
Lombardini Quartett
Elisabeth Wiesbauer, 1. Violine
Boyana Maynalovska, 2. Violine
Rosi Haberl, Viola
Cecilia Sipos, Violoncello
Maddalena Laura Lombardini Sirmen: Quartetto in g-moll op.3 Nr.
Johann Gottlieb Naumann: Streichquartett in B-Dur
Antonín Kammel: Quartett in D-Dur op.4 Nr.3
Gaetano Pugnani: Quartetto in B-Dur Nr.6
Maddalena Laura Lombardini Sirmen: Quartetto op.3 Nr.2
von Kirsten Liese
Unverhofft habe ich diesen kleinen, schönen Ort zufällig zwischen Festspielen in Bregenz und Salzburg beim Kurzurlaub in den Vorarlberger Bergen entdeckt: die Schattenburg in Feldkirch. Als eine der mitteleuropäischen mittelalterlichen Burgen, die sich am besten erhalten haben, empfiehlt sich schon allein ein Rundgang durch die imposanten, prächtig ausgestatteten Räume.
Aber die Schattenburg ist nicht nur ein Museum, sondern verfügt auch über einen Raum für ein kleineres Auditorium, der sich für Kammermusik bestens eignet.
Mir widerfährt das Glück, hier das Lombardini Quartett zu erleben. Es ist ein reines Frauenensemble, das sich 2016 in Wien gegründet und nach der venezianischen Komponistin und Violinistin Maddalena Laura Lombardini Sirmen (1745-1818) benannt hat.
Das Lombardini ist kein gewöhnliches Streichquartett: Elisabeth Wiesbauer, Boyana Maynalovska, Rosi Haberl und Cecilia Sipos musizieren historisch informiert auf alten Instrumenten und überwiegend Raritäten, insbesondere die Werke ihrer Namenspatronin, die als erste Frau Streichquartette komponiert haben soll.
Wiewohl das Interesse an Komponistinnen in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat und ich mich mit vielen von ihnen beschäftigt habe, ist mir Maddalena Lombardini bislang noch nicht untergekommen. Sie muss musikalisch vielfach talentiert gewesen sein, andernfalls hätte sie wohl die schwierige Aufnahmeprüfung am Ospedale dei Mendicanti, einer der vier renommiertesten Musikschulen Venedigs für Mädchen im 18. Jahrhundert, kaum bestanden. Sie war – wie auch alle anderen Komponisten, die das Quartett für den Abend in der Schattenburg zusammengestellt hat – Schülerin von Giuseppe Tartini, der ihr 1760 einen Brief schrieb, in dem er ihr seine Methode des Geigenspiels beschreibt, ein musikhistorisch bedeutsames Dokument, beeindruckend mit der gestochen feinen, druckreifen Handschrift. Ein Faksimile davon durften sich am Konzertabend auch die Zuschauer anschauen.
Nur jeweils zwei Sätze enthalten Lombardinis Quartette op. 3, die klassische viersätzige Form, wie sie später Haydn und Mozart etablierten, hat sich zu dieser Zeit noch nicht durchgesetzt, auch wenn viele Stücke an diesem Abend an den frühen Haydn stilistisch erinnern.
Kecke, frische, mal verschnörkelte, mal eingängige Themen ziehen sich durch diese Stücke, in denen die Bass-Stimme mit einfachen Fundamenten weitgehend noch hörbar in der barocken Generalbass-Tradition wurzelt, aber angelegentlich schon mal darüber hinausgeht. In dem imitatorisch angelegten Allegro des zweiten Quartetts op.3 zum Beispiel, in dem das Cello schon eigenständiger und weniger stereotyp zum Einsatz kommt.
Sehr frisch, elastisch, stilsicher und mit spürbarer Spielfreude musizieren die Lombardini-Vier auf ihren barocken Instrumenten. Es macht Freude, ihnen dabei zuzuschauen, wie konzentriert sie aufeinander hören, miteinander kommunizieren, wie differenziert sie dynamisieren und klanglich aufeinander einschwören.
Die Auswahl der Raritäten erscheint dabei keineswegs beliebig: Alle Komponisten des Abends waren Schüler von Giuseppe Tartini, was man den Stücken anmerkt: Die erste Geige ist am stärksten gefordert. Und doch ist es spannend zu erleben – ob nun in dem Quartett von Johann Gottlieb Naumann oder dem von Antonín Kammel – was für ein reiches Experimentierfeld sich auftut, zwischen virtuosen Relikten, wie man sie aus der barocken Triosonate kennt und einer zunehmend stärkeren Eigenständigkeit der Stimmen, wie sie in dem einen oder anderen Satz schon ihren Anfang nimmt.
Das Quartett von Gaetano Pugnani (1731-1798) sprach mich am meisten an, vermutlich deshalb, weil die Musik hier in den langsamen Sätzen wesentlich gesanglicher wird als in den anderen Stücken. Vor allem das Andante hat es mir angetan. Die Interpretinnen spielen es berührend leise und geben langen Tönen mittels Crescendo auf einem Bogenstrich Intensität. Was ich hier gleichwohl ein wenig vermisste, war ein intensives Legato-Spiel und ein sinnlicherer Ton, der die lyrische Schönheit dieses Satzes noch explizierter herausgestellt hätte.
Auf den galanten Stil, den die Bachsöhne Carl Philippe Emanuel und Johann Christian ausprägten, und der im ersten Satz des Quartetts op.4 des Tschechen Antonín Kammel mitschwingt, verstehen sich die Wienerinnen hingegen ganz vorzüglich. Vergnüglich und grazil tönt allen voran das Allegro von spirito, voller Anmut und Leichtigkeit.
Als Zugabe gab es freilich noch einen Satz von Maddalena Lombardini, deren sämtliche Streichquartette das Ensemble übrigens auf CD eingespielt hat.
Das nächste Konzert in der Schattenburg ist am 7. August. Da schlägt das fünfköpfige a-cappella-Ensemble Apollo5 einen großen Bogen von Madrigalen aus der Renaissance bis hin zur zeitgenössischen Musik. Eine Woche später, am 14. August stehen Klaviertrios von Haydn, Mel Bonis und Ravel mit dem Accio Piano Trio auf dem Programm. Wer zu dieser Zeit ohnehin als Festivalhopper in Vorarlberg unterwegs ist, sei ein Abstecher an diesem schönen Ort ausdrücklich empfohlen.
Kirsten Liese, 26. Juli 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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