Foto: Musikfest Berlin – Orchestre Révolutionnaire et Romantique, Monteverdi Choir – Ludwig van Beethoven: „Missa solemnis“, Leitung John Eliot Gardiner © Fabian Schellhorn
Nach respektvollem Warten große Begeisterung im Publikum. Als man den Saal verlässt, hat man das Gefühl, reich beschenkt worden zu sein. Ja, es ging zu Herzen!
Ludwig van Beethoven
Missa Solemnis D-Dur op. 123
Orchestre Révolutionnaire et Romantique
Monteverdi Choir
Lucy Crowe Sopran
Ann Hallenberg Alt
Giovanni Sala Tenor
William Thomas Bass
John Eliot Gardiner Dirigent
Philharmonie Berlin, 31. August 2022
von Peter Sommeregger
„Von Herzen – möge es wieder zu Herzen gehn“ diesen Satz stellte der Komponist seiner Partitur voran, dieses Motto bleibt Auftrag und Gradmesser für alle Aufführungen dieses monumentalen Werkes.
Trotz des sakralen Charakters der Partitur trifft man es fast ausschließlich im Konzertsaal an, es im Rahmen einer kirchlichen Messe aufzuführen würde wohl jeden Kirchenchor gnadenlos überfordern, auch die Solopartien erfordern erste, professionelle Kräfte.
Dafür war bei dieser Aufführung im Rahmen des Musikfestes Berlin bestens gesorgt. Ursprünglich hätte dieses Konzert schon vor zwei Jahren stattfinden sollen, fiel aber der Pandemie zum Opfer. Umso freudiger konnte man nun Zeuge des Gelingens werden.
Diese Missa ist, darin dem grandiosen Requiem Giuseppe Verdis ähnlich, zwar ein sakrales Werk, erinnert in seiner Emotionalität und faszinierenden Dramaturgie aber stark an das Szenario einer Oper. Da wird herzzerreißend gefleht, gebangt und gejubelt.
John Eliot Gardiner mit seinem Orchestre Révolutionnaire et Romantique und dem Monteverdi Choir realisiert eine höchst stringente, leidenschaftlich vorwärts drängende Interpretation. Da herrscht Hochspannung von dem ersten bis zum letzten Takt. Der Grundton der Erregung spannt sich über alle fünf Abschnitte, mit höchster Konzentration entledigt sich der Monteverdi Choir seiner schwierigen Aufgabe, nur am Ende des Gloria gibt es eine kleine, verzeihliche Unsauberkeit.
Die Solostimmen sind vorzüglich besetzt, allen voran die wunderbare Lucy Crowe, deren Sopran die Reinheit eines Bergkristalls besitzt. Auf gleicher Höhe befinden sich die Altistin Ann Hallenberg, der Tenor Giovanni Sala, dessen „Miserere nobis“ noch lange im Gedächtnis bleiben wird, und der Bassist William Thomas. Die Solostimmen und der Chor verschmelzen zu einer harmonischen Einheit und bauen einen wunderbaren Spannungsbogen auf, die Aufführung geht wie im Flug vorüber.
Von diesem Werk geht eine spirituelle Kraft aus, die selbst eingefleischte Agnostiker zu Gläubigen machen könnte. Der wenig markante Schluss des Werkes gilt allgemein als Ausdruck des zwiespältigen Verhältnisses Beethovens zu Religion. Ein verzweifelter Aufschrei nach Erlösung, danach klingt das Werk still aus. Die letzte Antwort wusste auch Beethoven nicht.
Nach respektvollem Warten große Begeisterung im Publikum. Als man den Saal verlässt, hat man das Gefühl, reich beschenkt worden zu sein. Ja, es ging zu Herzen!
Peter Sommeregger, 1. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at