Madama Butterfly in Stuttgart:
Es küsst der Osten dem Westen die Füße

Madama Butterfly,  Staatstheater Stuttgart, 24. März 2019

Foto: Karine Babajanyan (Cio-Cio San | Besetzung 2014/15 © A. T. Schaefer
Giacomo Puccini, Madama Butterfly, Staatsoper Stuttgart, 24. März 2019

Musikalische Leitung Eun Sun Kim
Regie Monique Wagemakers
hne Karl Kneidl
Cio-Cio San Karah Son
Suzuki Maria Theresa Ullrich
Pinkerton Ivan Magrì
Sharpless Michael Ebbecke
Goro Heinz Göhrig
Onkel Bonze David Steffens
rst Yamadori Padraic Rowan
Kate Pinkerton Simone Jackel
Kaiserlicher Kommissar Stephan Storck

Staatsopernchor Stuttgart, Staatsorchester Stuttgart

von Maria Steinhilber

„Man sagt, dass jenseits des Meeres jeder Schmetterling, der in die Hände eines Menschen fällt, mit einer Nadel durchbohrt und auf eine Tafel geheftet wird.“

Die zierliche fünfzehnjährige Geisha stirbt an seelischer Vergewaltigung. Kollektiv daran teilhaben will das Stuttgarter Publikum, das sich auf seine Plätze drängt. Volle Reihen. Kassenschlager Puccini. Die Tragedia giapponese: „Sparsam“ auf der Stuttgarter Opernbühne, wie ein älterer Herr, (der sich seinen Lebensabend mit Met-Inszenierungen im Keller versüßt), gesteht. Fazit: Puccini hat (fast) alles alleine gemacht.

Der amerikanische Marineleutnant Pinkerton verliebt sich während eines längeren Aufenthalts in Nagasaki in Cho-Cho-San. Um bei dem von ihren Verwandten streng behüteten Mädchen zum Ziel seiner Wünsche zu gelangen, geht er eine landesübliche Ehe ein, bei der der Mann nach japanischem Recht jederzeit abspringen kann. So kauft er ein Haus. Preis: 999 Jahre Wohnrecht plus jederzeit kündbar, er gaukelt ein Eheversprechen vor, trinkt Whiskey auf sein leichtes Evangelium und jubelt „America 4- ever“. Erst eine echte Amerikanerin ist seiner aufrichtigen Ehevorstellung würdig.

Anyway, die Bühne ist ein Hauch von Schönheit, aber wirklich nur ein Hauch. Blumen zur Ausschmückung des Hauses Butterflys sah schon Puccini vor. Grazie mille, die gibt es auch. Tänzerinnen, die auf einer verspiegelten Seite der Bühne verschleiert zu sehen sind. Auch eine nette Idee. Sonst sieht es wirklich öde aus. Minimalistisch leben ist in, ja, aber auf der Opernbühne – jedes Mal?

Karah Son spielt die Butterfly herrlich aufrichtig. Ihre Darstellung ist pur und aufwühlend. Authentisch lässt sie das Publikum drei Aufzüge lang an der seelischen Verkümmerung ihrer Rolle teilhaben. Beim Applaus kämpft sie in den ersten Sekunden noch mit der Rückkehr in die „reale“ Welt.

Ihre Stimme erweist sich als biegsam. Besonders hohe Register stehen ihr und tiefe Töne taucht sie in eine „vorrei morire“-Essenz. „Un bel die vedremo“ fehlt leider Brillanz. Überzeugend ist ihre Darstellung allemal und es heißt doch immer, eine authentische Identifizierung mit der Rolle sei das A und O…

Pinkerton (Ivan Magrì) und Butterfly geben ein schönes Paar. Es lässt nichts aus. Bei kahler Bühne kann man auch mal einen Titanic-Move stellen. Seine Stimme ist leicht geführt und kann dabei auch groß werden. Eine Stuttgarter Steigerung!

Maria Theresa Ullrich, die „Gute“ der Stuttgarter Staatsoper. Langzeit-Liebling. Mit warmem Mezzo schmettert sie die Quintessenz. Vielleicht ist alles, was man braucht, eine gute Freundin zur richtigen Seite. Ihr kurzes Duett mit Butterfly haftet als warm schmerzliche  Erinnerung.

Die Flagge der Männer vermag nur noch Michael Ebbecke als Sharpless hochzuhalten.  Sehr sanft. Eine Stimme, bei der man sich fallen lassen kann.

Butterflys Suizid mit Harakiri-Messer wird auf Video projiziert, während parallel in Großaufnahme ihr Sohn zur neuen Familie schreitet. Dies muss nun wirklich nicht sein.

Horror in Form von Hollywood-Blockbuster. Das Ensemble gab mit Hingabe sein Bestes, den Rest vollbrachte Puccini allein.

Maria Steinhilber, 25. März 2019, für
klassik-begeistert.de

 

Ein Gedanke zu „Madama Butterfly,
Staatstheater Stuttgart, 24. März 2019“

  1. Der berühmte Dramaturg und Opernfan Marcel Prawy, ein Wiener Original, fragte einmal nach einer Butterfly-Vorstellung junge Mädchen vor dem Bühnentürl, ob sie die Oper nicht zu kitschig fänden, und zeigte sich über ihr einhelliges Nein erleichtert. Doch eigentlich leidet Cio-Cio-San an einer Obsession. Wie würde heute dieses Thema komponiert und gestaltet werden?

    Lothar Schweitzer

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