Wiener Festwochen einmal anders

Mahler, Lied von der Erde + Salieri, Armida,  Wiener Festwochen 28./29. Juni 2021

Foto: Martin Argyroglo

Wiener Volkstheater, 28. Juni 2021
Gustav Mahler: Das Lied von der Erde

Theater an der Wien, 29. Juni 2021
Antonio Salieri: Armida

von Herbert Hiess

An einem der heißesten Tage im Jahr fand im Wiener Volkstheater ein inszeniertes „Lied von der Erde“ von Gustav Mahler statt. Wetterbedingt war die Lust auf eine solche Aufführung erwartungsgemäß gering – zumal man sich dieses Werk nicht wirklich szenisch dargestellt hatte vorstellen können und eine Kammerbesetzung eines ansonsten 100 Personen-Orchesters auch nicht wirklich motivierend war.

Und dann war die Überraschung mehr als gelungen und man konnte glücklich sein, gerade noch die letzte Aufführung (von dreien) zu sehen. Das Ergebnis war eine rundum gelungene Produktion, die keine Wünsche offen ließ.

Dem französischen Regisseur Philippe Quesne ist es gelungen, mit einfachsten Mitteln eine total überzeugende Produktion dieser sieben Lieder zu schaffen. Die Bühne war zumeist leer und nur bei einzelnen Szenen durch Bilder des Deutsch-Amerikaners Albert Bierstadt ausgestattet.

Musikalisch war diese Aufführung ein großer Wurf. Die Reduktion der Partitur auf 15 Musiker (ganz exzellent wieder das Klangforum Wien) schmückte die wunderbare Musik Gustav Mahlers. Der Dirigent Pomárico belebte die Partitur mit ruhigen Gesten und unterstützte dabei die hervorragenden Sänger. Reinbert Leeuw, der erst voriges Jahr verstorben ist, setzte diese komplexe Partitur für die wenigen Musiker und schaffte das Kunststück, trotz des Kammerensembles alle Klangfarben und Möglichkeiten von Mahlers genialem Werk einzufangen. Jedes Instrument war hier nur einfach besetzt, für restliche Instrumente war das Klavier im Einsatz.

War schon der deutsche Tenor Michael Pflumm mit seiner höhensicheren, metallischen Stimme begeisterungswürdig, Christina Daletska machte aus ihren vier Liedern ein Ereignis. Die Ukrainerin rezitierte in perfektem Deutsch mit ihrem hohen und wunderschönen Mezzo die Vertonung von Hans Bethges Sammlung „Die chinesische Flöte“. Die Sängerin sang nicht nur auswendig das schwierige Werk; szenenmäßig musste sie auch noch unterschiedliche Posen auf der Bühne einnehmen. Den Schluss von „Der Abschied“ (Lied Nr. 7) sang sie sogar auf dem Rücken liegend – ohne dass das irgendwie ihren herrlichen Gesang beeinträchtigte.

Es machte Freude zu sehen und zu hören, dass hier endlich einmal eine richtige Interpretation von beiden Sängern stattfand und der Dirigent mit dem hervorragenden Ensemble machte aus Mahlers Werk ein wahres Ereignis. Und echt überraschend, wie authentisch Mahlers Musik durch das Kammerensemble klang; im Gegenteil – die asiatischen Klänge kamen dadurch sogar besser zur Geltung als durch das traditionelle Riesenorchester. Nicht nur szenisch, sondern vor allem auch musikalisch war diese Aufführung mehr als gelungen.

Am Tag darauf holte das Theater an der Wien die konzertante Aufführung von Antonio Salieris Dramma per musica „Armida“ nach. Offenbar beflügelte die Geschichte um die Zauberin Armida viele Komponisten; vom Barockzeitalter ausgehend (Händel, Haydn) bis hin zu Antonín Dvořák findet man Vertonungen dieses Sujets.

Und hier eben die Vertonung von Antonio Salieri, die 1771 im Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde. Schon in der Instrumentierung merkt man eine Art Modernität, die weit über den Barock und sogar die Wiener Klassik hinausgeht. Im Orchester findet sich kein Schlagwerk – aber dafür neben Streichern, Hörnern und Holzbläsern drei Posaunen, die vielen Stücken eine eigene Klangfarbe geben.

Der Beginn des dritten Aktes als Adagio ist so signifikant, dass man da schon Ansätze des Mozart-Requiems heraushören konnte. Wie dem auch sei, diese konzertante Aufführung war einfach nur hervorragend. Alle vier Solisten waren ebenbürtig großartig; Lenneke Ruiten brillierte als „Armida“ mit ihrem durchschlagsfähigen Sopran – ihre anderen drei Podiumspartner waren ihr voll ebenbürtig.

Christophe Rousset, sein Chor und sein Orchester waren das Fundament dieser herrlichen Aufführung. Besser könnte man sich das nicht vorstellen. Obwohl das Werk nicht immer kurzweilig ist, wurde es prächtigst von den Musikern bis zum letzten Takt ausgeführt.

​Herbert Hiess, 30. Juni 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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