Klavier-Festival Ruhr: Nicht immer kann es Sternstunden geben

Martha Argerich und Akane Sakai  Konzerthaus Dortmund, 13. Juni 2025

Martha Argerich © Adriano Heitman

Martha Argerich und Akane Sakai beim Klavier-Festival Ruhr in Dortmund

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)Sonate für Klavier zu vier Händen in D-Dur, KV 381

Maurice Ravel (1875-1937) – Ma mère l’oye

Sergei Prokofjew (1891-1953) – Sinfonie Nr. 1 in D-Dur op. 25, „Klassische“ (arr. Rikuya Terashima für zwei Klaviere)

Igor Strawinsky (1882-1971) – Le sacre du printemps (Version für zwei Klaviere)

Martha Argerich, Klavier
Akane Sakai, Klavier

Konzerthaus Dortmund, 13. Juni 2025

von Brian Cooper

Es gibt Konzerte, die verlässt man euphorisiert, geradezu elektrisiert. Überall sieht man hinterher glückliche Gesichter: an der Bushaltestelle, auf dem Parkplatz. Das beglückende Rezital von Marc-André Hamelin am 14. Juni in der Gebläsehalle des Landschaftsparks Nord in Duisburg-Meiderich war so eines. Mehr dazu bald. Ich ringe noch um Worte.

Das Rezital von Martha Argerich und Akane Sakai am Vorabend in Dortmund war dagegen einfach „nur“ ein guter Abend. Genauer: Die erste Hälfte war sehr gut, stellenweise zauberhaft (Ravel); die zweite, in der Strawinskys höllisch schwere Version des Sacre für zwei Klaviere gespielt wurde, fiel dagegen ab. So gut wie die Darbietung des oben erwähnten kanadischen Klaviermagiers und des Norwegers Leif Ove Andsnes in Mülheim vor drei Jahren war es längst nicht.

Das Spannende an der Klavierversion des Sacre ist, dass man viel transparenter hört, wie genau die Akkorde, Linien und Strukturen miteinander verwoben sind. Ein Problem der Dortmunder Darbietung war, dass dabei häufig schlicht die Präzision fehlte. Der zufällig am Folgeabend in Duisburg angetroffene Bekannte – jahrzehntelanger treuer Besucher des Klavier-Festivals Ruhr, der sicher annähernd alle inzwischen über 30 Argerich-Auftritte erlebt hat – monierte, dass ihm ein wenig die Power von früher fehle. Nun, die Göttin ist gerade 84 geworden, da darf man doch schon mal schwächeln. Was sie nach meinem Empfinden überhaupt nicht tat. Argerich übernahm den perkussiveren Teil, und die Power, die Pranke, sind noch da.

Im Zusammenspiel mit Akane Sakai schien es aber nicht nur an Präzision, sondern gerade Letzterer mitunter an Konzentration zu mangeln. Das war vielleicht auch einem gewissen Chaos beim Umblättern geschuldet, was nicht die Schuld der hervorragenden Menschen war, die diesen schweren Dienst verrichteten. Vielmehr blätterten mal die Pianistinnen selbst um, mal die Umblätterer.

Akane Sakai © Andrej Grilc

Kurzum: Es war ein merkwürdiger Sacre, dem das Rabiate, das Rohe, das Dreckige völlig abging. Es klang stellenweise nach harter Arbeit.

Vor der Pause hingegen war es toll. Zunächst wurde ich bei den ersten Klängen von Mozarts Sonate nach Madrid katapultiert, wo Frau Argerich vor 20 Jahren diese Sonate mit Karin Merle spielte. Und es hat einen Grund, warum ich noch heute darüber schreibe. So gut wie damals war es auch hier mit Akane Sakai. Die beiden Damen, vierhändig spielend (Frau Sakai spielte den Diskant), begannen wie der Wirbelwind, der sich dieses Wochenende ohnehin angekündigt hatte. Der zweite Satz war von entrückter Zartheit, der dritte souverän. Ein wunderbarer Auftakt.

Zum Niederknien war Maurice Ravels Märchensuite Mutter Gans. Martha Argerich, nun ihrerseits rechts sitzend, spielt es oft, vor zwei Jahren mit Lahav Shani an selbiger Stätte, und es ist jedes Mal ein Privileg. Der Schlichtheit mancher Melodie so viel Zauber zu geben – das taten die beiden Damen aufs Vorzüglichste. Wer die Ravel-Aufnahmen der Martha Argerich noch nicht kennt (das G-Dur-Konzert mit Abbado und vor allem den Gaspard de la nuit), hat noch Schönes vor sich.

Prokowjews Klassische in der Fassung von Rikuya Terashima ist ein wilder Ritt, den beide mit Bravour absolvierten. (Übrigens wurden die letzten Sätze des Ravel und der Sinfonie zugegeben.) Ganz besonders beeindruckten die dynamische Palette im ersten Satz, die organische Melodiegestaltung im Larghetto, der kecke Tonfall der Gavotte und das schiere Wunder an Motorik im Finale – molto vivace aber mal sowas von beim Wort genommen.

Das Publikum tobte nach der zweiten Zugabe und einem insgesamt schönen, einem guten Abend, an dem jedoch nicht alles gelang. Und warum sollte das nicht auch mal vorkommen?

Dr. Brian Cooper, 15. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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