Meine Lieblingsoper 30: Macbeth von Giuseppe Verdi
von Julia Lenart (15. Mai 2020)
Ein Lieblingswerk der Musikgeschichte zu finden, ist nicht leicht. Es gibt so viele Opern, Konzerte, Symphonien, die mir unglaublich gut gefallen und unzählige Aufführungen, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Ich könnte nicht behaupten, dass ich ein einziges Lieblingswerk hätte. Doch wenn es ein Werk gibt, das sich besonders eingeprägt hat, dann ist es wohl Giuseppe Verdis Macbeth.
Bei seiner Uraufführung 1847 im Teatro della Pergola in Florenz war Macbeth ein Erfolg, der sich über ganz Italien ausbreitete. In weiterer Folge sollte die Oper in Paris aufgenommen werden – mit einigen Änderungen. Verdi fügte, auf Bitten des französischen Verlegers Léon Escudier, ein Ballett hinzu und nahm einige musikalische Änderungen vor. Die Pariser Version hätte ein großer Erfolg werden sollen, der die Premiere in Italien noch bei weitem übertreffen sollte, so schätze es Verdi ein. Doch die Premiere in Paris (1865) endete als Flop. Interessanterweise wird die Paris-Fassung (nicht zuletzt durch Verdis Zuspruch, der diese Fassung weiterhin als beste Version des Werkes sah) bis heute bevorzugt aufgeführt.
Der Inhalt ist wohl allgemein bekannt. Die Oper greift den Stoff von Shakespeares Macbeth auf. Es ist die Geschichte des Generals Macbeth, der – angetrieben von seiner Ehefrau und seinen eigenen Machtbestrebungen – den schottischen Thron besteigen will. Er schreckt scheinbar vor nichts zurück, um dieses Ziel zu erreichen, ermordet den schottischen König Duncan und krönt sich selbst zum König. Geplagt von schlechtem Gewissen und der Bedrohung durch Bancos Sohn Malcolm, kann sich Macbeth vor seinem Untergang nicht retten.
Grundsätzlich würde ich diesem Stoff nicht viel abgewinnen. Blutrünstige Geschichten um Mord und Rache (sehr oberflächlich betrachtet) sind normalerweise nicht mein Fall. Was diesen Stoff ausmacht, ist die tiefere Figurenbehandlung, die mit ihren Schicksalen und den Folgen ihrer Handlungen hadern. Doch was mich besonders fesselte, als ich Macbeth erstmalig sah, war Verdis Musik, die mich von Anfang an in ihren Bann zog.
Das erste Mal sah ich Macbeth im Stadttheater Klagenfurt. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Es war ein Schulausflug in der zehnten Klasse, die Inszenierung konnte mich zwar nicht vollkommen überzeugen, ebenso wenig das Orchester. Allerdings prägten sich diese mystischen Melodien Verdis ein. Schon die Ouvertüre fesselte meine Aufmerksamkeit. Die dunklen Holzbläser, welche die geheimnisvollen Hexen begleiten, die Macbeths Schicksal prophezeien. Das Blech, das schroff unterbricht und vom nahenden Unheil kündet. Diese eigentlich simplen musikalischen Mittel, die Verdi einsetzt, erzeugen Spannung und vermögen es, den Zuseher in die Handlung hineinzuziehen. Und es waren gerade diese dunklen, mystischen Klänge, die auch mich so faszinierten und mich nicht mehr losließen.
Wenige Tage nach dem Opernbesuch hatte ich mir bereits eine Aufnahme bestellt: die CD-Adaption der Deutschen Grammophon von 1976. Claudio Abbado dirigiert das Orchestra della Scala. In den Titelrollen singen Shirley Verrett (Lady Macbeth), Piero Cappuccilli (Macbeth), Plácido Domingo (Macduff) und Nicolai Ghiaurov (Banco). Sie orientiert sich zum Großteil an der Pariser Fassung, nur das Ende bleibt, wie Verdi es anfangs entworfen hatte. Die Qualität dieser Aufnahme ist umwerfend, kein Vergleich zu dem Werk, das ich im Stadttheater gehört hatte. Wochenlang war die Oper auf meiner persönlichen Playlist ganz oben.
Ich kann nicht sagen, dass Macbeth heute noch mein absoluter Favorit ist. Es sind einige Jahre vergangen, und ich habe viele Werke kennengelernt, die mich weit mehr begeistern und deren Kompositionsweise noch faszinierender und ausgetüftelter ist. Doch Macbeth war eine der ersten Opern, die mich so richtig gefesselt und die meine Liebe zur Musik weiter angeheizt hat.
Julia Lenart, 15. Mai 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at