Quo vadis, Kölner Philharmonie?

Meinungsbeitrag: Quo vadis, Kölner Philharmonie?  Kölner Philharmonie, 21. Oktober 2025

Haupteingang der Kölner Philharmonie mit Kölner Dom © KölnMusik/Guido Erbring

Es ist zwar noch nichts Schlimmes passiert, doch beim Blick auf das neue Logo und die verschlimmbesserte Homepage schwant einem irgendwie Ungutes. Für Unsinn wird ein Haydngeld ausgegeben, anstatt dass man auf anbiedernden Firlefanz verzichtet und dem treuen Publikum einfach das Leben leichter macht. Verkommt der Musiktempel, mein zweites Wohnzimmer, zur belanglosen „Marke“?

von Brian Cooper

Tempi passati! Ich gestehe: Es gibt Schöneres, als an einem bitterkalten Dezembertag drei Stunden vor der Kölner Philharmonie um einen Stehplatz für die Wiener Philharmoniker anzustehen – nur um schlimmstenfalls bald nach Öffnung der Kassenhalle abgewiesen zu werden, weil man sich fünf Minuten zu spät in die Schlange eingereiht hatte, die blöde Vordränglerin erfolgreich war und gefühlt alle 50 Leute vor einem das Maximalkontingent von zwei Stehplätzen pro Person erwarben. Hundert Karten à 10 Euro, mehr gab es nicht. Damals. Nostalgisch bin ich aber irgendwie schon. Man hat sich seine Philharmonie-Stehplätze schließlich in mehrfacher Hinsicht „erstanden“. Mitunter erwuchsen aus dem Schlangestehen Freundschaften fürs Leben, vielleicht entstanden sogar Stehplatz-Kinder…

Die beiden Kartenschalter in der Kassenhalle der Kölner Philharmonie sind inzwischen längst geschlossen. Seit der COVID-Pandemie. Es gibt 200 Meter entfernt einen eigens für Kartenverkäufe und Informationen eröffneten Laden, sicher zur Freude der Rollator-Fraktion. Dort kann man nur elektronisch bezahlen. Und die (inzwischen mehr als doppelt so teuren) Stehplätze kann man seit geraumer Zeit sogar am Konzerttag online kaufen, zumindest manchmal, das ist alles nicht so klar.

 Früher war nicht unbedingt alles besser. „Aber es gab Sachen“, sagt Jochen Malmsheimer, „die waren früher gut“. Malmsheimers Beispiel dafür ist das Wurstbrot.

Ich holte im neuen Ticketladen in der Bechergasse zum Ende der vergangenen Spielzeit meine Abonnement-Ausweise für 2025/26 ab, die neuerdings nicht mehr in Plastikhüllen überreicht werden – wir sind ja jetzt alle voll nachhaltig, selbst die BahnCard gibt’s nur noch digital –, sondern in sehr edlen Hüllen aus gestärktem Papier, grau, mit Logo und schlichtem Schriftzug der Philharmonie in schwarz. Ich habe ein Faible für diese Hüllen, sie tragen zur Vorfreude auf eine neue Spielzeit bei, und die freundliche Dame am Schalter schenkte mir gleich einen ganzen Schwung.

Nun ahne ich, warum sie so großzügig war. Und diese Hüllen werde ich hüten wie meine Augäpfel, von denen ich nur zwei besitze. Denn das Besondere an ihnen – den Hüllen – ist, dass es sie in dieser Form bald nicht mehr geben wird. Man wird sie vernichten.

Nach der erfolgreichen zwanzigjährigen Ära Louwrens Langevoort beginnt nun Ewa Bogusz-Moores Intendanz, und so etwas begeht man ja gern, die Marketingmechanismen wollen es so, mit sichtbaren Hinweisen auf Neues.

Will heißen: Die Kölner Philharmonie hat ein neues Logo. Und es ist potthässlich.

Echt jetzt. Ganz objektiv! Es ist grässlich und absolut nichtssagend. Es hält keinem Vergleich stand zum ästhetisch ansprechenden alten Logo, dem stilisierten Amphitheater-Sitzplan, der seit der Gründung der Philharmonie im Jahre 1986 alle Programme und Publikationen zierte, wie auch „das Merch“, wie man neudeutsch sagt, zu Anglizismen gleich mehr: Kölschgläser, Handyhüllen, alles sehr schön gemacht und zu einem angemessenen Preis.

Das neue Logo ist ein K. Nicht einmal ein P ist es, geschweige denn ein KP. (Gott bewahre, hängste noch ein D dran, ist das der Untergang der Bourgeoisie. Oder des Abendlandes.) Nein: Es ist ein schlichtes K, untenrum irgendwie geschwungen, es sieht aus wie ein verendendes Fabelwesen. Oder eine Wurst. Ohne Brot. Es soll „inspiriert von alten Handschriften und gotischer Frakturschrift“ sein. Du lieber Himmel, das klingt teuer.

War es bestimmt auch. Sind Logos immer. Das neue Design sei, wie Frau Bogusz-Moore erläutert, „zeitlos elegant, verspielt und warm pulsierend zugleich. Es würde sogar in einer möglichen Übergangsspielstätte Gültigkeit haben.“ (Dies ein subtiler Hinweis auf die Anfang der kommenden Dekade anstehende Generalsanierung.) Zudem wolle man ein neues Publikum erreichen. Es folgen in der Pressemitteilung die gängigen Floskeln und Adjektive: „dynamisch“, „zeitgemäß“, „kreativ“, der übliche Schmus.

 Nun kann man in Sachen Eleganz unterschiedlicher Auffassung sein. Aber dieser Monsieur hätte nun doch ganz gern einen Eimer, wenn er Folgendes liest:

 „Wir sind genauso lebendig, widersprüchlich, aufregend, kreativ, emotional und ausdrucksstark wie Köln“, so Ewa Bogusz-Moore. „Gleichzeitig sind wir klar, zeitgemäß und schnörkellos in Qualität, Relevanz, Glaubwürdigkeit, Dialog, Partnerschaften und unserer Vision für die Zukunft der Musik.“

Das ist genauso inhaltsleer wie das „Schalalalala (…) Stadt mit K“, die grölbaren Zeilen einer hiesigen Kölschrock-Band. Ach, wäre doch wenigstens das K nur schnörkellos! Hoffentlich symbolisiert es keinen Angriff auf die Zukunft der Musik. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich finde es super, wenn De Höhner zum Saisonbeginn seit Urzeiten drei Konzerte mit Orchester geben. Die Bläck Fööss, etliche Jazzer, die großartige WDR Big Band, Chansonsängerinnen, Weltmusik, Folk und so fort. Aber ich erwarte in erster Linie in diesem akustisch wie programmatisch herausragenden Musiktempel, der seit dem Eröffnungskonzert mein zweites Wohnzimmer ist, in erster Linie sehr gute bis herausragende Klassik, ohne von unnötigen Neuerungen behelligt zu werden, die mitunter leicht anbiedernd anmuten.

Ich kenne das von meiner alten Uni: Ein schönes Logo wurde nach längerer Zeit durch ein billig aussehendes, vermutlich jedoch sehr teures, ersetzt, das auch noch sprachlich fragwürdig ist (UCD Dublin = University College Dublin Dublin). Das bedeutet: Alles, was das alte Logo enthält, muss vernichtet werden. Jegliches Briefpapier darf nicht mehr weiterverwendet werden. Manche Einrichtungen gestatten nicht einmal jungen Eltern, ihren Kindern das alte Briefpapier zum Kritzeln mit nach Hause zu bringen.

Möchten Sie mehr hören? Nun, Sie haben es so gewollt. Von der „Ausstrahlung der Kölner Philharmonie in die Stadtgesellschaft“ ist die Rede, was wichtig ist, aber jetzt kommt’s: „von einem Ort aus, der durch seine einzigartige Architektur unter der Oberfläche liegt. Hier begegnen sich Tradition und Struktur mit Spontaneität und Überraschung. Diese Gegensätze sind durch die Farben Blau und Rot dargestellt. Dabei steht das Blau für den Rhein, Tiefe und Reflektion und das Rot für Köln, Leidenschaft und Vitalität. Beide Farben treffen sich im neuen Design in einem Glow.“

Das bringt mich zum nächsten Punkt. Diese elenden Anglizismen, die uns allenthalben begegnen. Was für ein Bullshit. Amen, ich sage Euch, liebe Deutsche, als native speaker beider languages, der hier Steuern zahlt, aber nicht auf Landes- oder Bundesebene wählen darf, der aber unbedingt zum „Stadtbild“ gehören will, das dem rassistischen Bundeskanzler am liebsten arisch zu sein hat: Ihr habt eine wunderschöne Sprache. Richtet sie nicht zugrunde, ballert sie nicht zu mit – zuverlässig falsch ausgesprochenen – englischen Wörtern. Schuster, bleib bei deinem (ja, genau so heißt es korrekt) Leisten. Überlasst Jil Sander die Eleganz in Sachen Klamotten, und imitiert nicht ihr Denglisch:

„Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, daß man contemporary sein muß, das future-Denken haben muß. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, daß man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewußte Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muß Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.“

Die Dame, Gott hab sie selig, war echt committed. Nur etwas weniger Englisch ins Deutsche einstreuen: Es wäre viel erreicht. Man muss ja nicht unbedingt anfangen, „Heimatseite“ statt „Homepage“ zu sagen. Jene der Kölner Philharmonie war übrigens jahrelang grottig, dann bis vor kurzem einige Jahre lang ästhetisch ansprechend und wunderbar leicht zu handhaben. Und nun das: Der neue Look (!) breitet sich mitsamt Glow und Riesenschlange/Wurst auf der Heimatseite der ehrwürdigen Institution aus. Es ist gar nicht mehr so einfach, ohne größeren Aufwand ein bestimmtes Konzert, einen Termin, anzuklicken.

Dann diese elenden Häschtäcks, ich gebe einige Beispiele:

#communityvibes
#groovy
#emotional
#transzendierend
#intensiv
#intim
#leidenschaftlich
#festlich

Es soll wohl dazu dienen, ein passendes Konzert zu finden, das einem Freude machen könnte. Hinzu kommen Wörter, beileibe nicht alle deutsch, wie „Soundscapes“ (was ist das?), „Essentials“ (hat man wohl vom Concertgebouworkest geklaut), „Local Heroes“, „Next Generation“, „Mit Einführung“.

Geduzt wird neuerdings auch, schon mit IKEA begann der Niedergang. (Zum schwedischen Möbelhändler notierte Malmsheimer: „Der Deutsche ist ein Bastler, und der Schwede hat’s gemerkt!“) Aus „Ihr Besuch bei uns“ wird „Dein Besuch bei uns“. Ich möchte nicht von Leuten geduzt werden, die ich nicht kenne, Wohnzimmer hin oder her.

Und ich weiß ja nicht, an was Sie bei den Worten „verspielt und warm pulsierend zugleich“ so denken. Geht mich auch nichts an. Aber wenn da noch „#intensiv“, „#intim“, „Mit Einführung“ und „#leidenschaftlich“ hinzukommen, bin zumindest ich gedanklich fast schon in einem exquisiten – Vorsicht: Anglizismus – one-night stand.

Aber ich möchte keinen one-night stand mehr. Ich will meine jahrzehntelange Liebe zur Kölner Philharmonie weiter ausleben dürfen, und was sich hier andeutet, passt mir nicht.

Statt sich bei irgendwelchen häschtäckaffinen Leuten anzubiedern, die schlimmstenfalls eh nur mal gucken kommen und im Konzert am Handy daddeln, könnte man auch seinem jahrzehntelang treuen Publikum das Leben erleichtern, indem man einen einzigen Vorverkaufstag für die gesamte Spielzeit anbietet, oder Wahlabonnements mit entsprechendem Rabatt, wie es das in Dortmund, Essen und Frankfurt längst gibt. Mein Kalender ist gespickt mit bis zu drei Bleistifteinträgen pro Konzert: der eigentliche Termin, der Vorverkaufstermin und der Vorverkaufstermin für Abonnenten zwei Wochen zuvor. Oder „Abonnierende“, wem das lieber ist. Mal gibt es Stehplätze, mal nicht. Mal können Sie anrufen und Ihre Bestellung unter Angabe einer Nummer am Abend abholen, wenn Sie vor Ort sind, mal geht es nur per Post, natürlich gegen Gebühr. (Hoffentlich hat man zumindest diese Praktik inzwischen abgeschafft.) Dieses „mal so, mal so“ wäre jedenfalls eine ohne großen Aufwand änderbare Praktik, und viel wichtiger als ein neues Logo.

Die Generalsanierung wird voraussichtlich nicht vor 2031 oder 2032 stattfinden. Bis dahin fließt noch viel Karnevalsbier-Urin den Rhein runter. Aber es wäre schön, wenn die Philharmonie ein Tempel für gute Musik bliebe statt zu dem belanglosen Allerweltsding zu werden, zu dem man sie gerade zu machen scheint und das es überall gibt: eine bloße Marke.

Dr. Brian Cooper, 21. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

 

 

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