11 Streicher, 3 Steinways, 1 Bach

Menuhin Academy Soloists Kammerensemble, Bach  Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal, 9. Dezember 2025

Fotos: Vinnitskaya, Koroloiv, Gergoieva (c) Andrea Humer

Anna Vinnitskaya Klavier
Evgeni Koroliov Klavier
Ljupka Hadzi Georgieva Klavier

Menuhin Academy Soloists Kammerensemble

Programm

Johann Sebastian Bach

Konzert für drei Klaviere d-moll BWV 1063 (?)
Klavierkonzert f-moll BWV 1056 (1735–1740 ca.)
Konzert für zwei Klaviere c-moll BWV 1060 (?)

Pause

Johann Sebastian Bach

Konzert für zwei Klaviere c-moll BWV 1062 (1736)
Klavierkonzert g-moll BWV 1058 (?)
Konzert für drei Klaviere C-Dur BWV 1064 (?)

Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal, 9. Dezember 2025

von Kathrin Schuhmann

Man hätte meinen können, der Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses habe am gestrigen Abend prüfen wollen, wie viele Stimmen gleichzeitig durchs Parkett fegen dürfen, ohne dass die Statik ins Wanken gerät. Die Antwort, so viel vorweg: erstaunlich viele.
Drei Steinways in vorderster Front, elf Streicher im Halbkreis dahinter, und ein Komponist auf den Notenpulten, der mit polyphonem Dickicht umzugehen wusste wie andere mit der rechten und linken Schuhbindung. Dass der Saal nicht ausverkauft war, bleibt ein Rätsel – ein solches Programm, mit solcher Hingabe gespielt, hätte eine vollere Kulisse verdient.

Gleich im d-Moll-Konzert für drei Klaviere BWV 1063 zeigte sich, wie gut sich kollektive Virtuosität anhört, wenn niemand um den lautesten Auftritt kämpft. Die Eröffnung des Konzertabends glich einer Art polyphonem Staffellauf: Die Themen wanderten, die Figuren tänzelten, die drei Pianisten warfen sich gekonnt einander Motive zu. Dass alle drei Pianistinnen und Pianisten „Bach“ wie eine zweite Muttersprache beherrschen, war nicht zu überhören.

Auch die Streicher legten bereits in diesem ersten Programmpunkt offen, woher Kammerorchester ihren Namen haben: Sie musizierten, als säße die gesamte Gruppe in einem Raum, der gerade eben groß genug ist, um elf Atemzüge zu koordinieren. Die Basslinie – bei Bach ja nie lediglich Fundament, sondern heimlicher Motor – blieb elastisch, die Binnenstimmen warm und klar, das Tutti federnd und präzise. Man hörte selten ein so gut reagierendes Ensemble, das die Solisten nicht nur begleitet, sondern tatsächlich mit ihnen sprach.

Fotos: Vinnitskaya, Koroloiv, Gergoieva (c) Andrea Humer

Im f-Moll-Konzert BWV 1056 bestach vor allem das Largo. Hier schien die Zeit schlicht ein paar Minuten Urlaub genommen zu haben. Anna Vinnitskaya formte die musikalischen Linien so ruhig, als würden sie buchstäblich aus ihren Händen fließen.

Das anschließende c-Moll-Doppelkonzert BWV 1060 erwies sich als Paradebeispiel dafür, wie man kontrapunktische Verzahnung nicht als Sportdisziplin, sondern als Dialog praktiziert. Zwei Flügel, die sich nicht gegenseitig übertrumpfen, sondern ihre Unterschiede hörbar und fruchtbar machen – eine kleine Studie über musikalische Kooperation. Dass Evgeni Koroliov und Ljupka Hadzi Gergieva ein eingespieltes Duo sind, das sich mit den kleinsten Blicken zu verständigen weiß, daran zweifelt nach diesem Auftritt gewiss keiner der Zuhörer mehr. Es war ein Vergnügen, das Ineinandergreifen der musikalischen Entfaltung zu verfolgen.

Nach der Pause stand mit BWV 1062 noch einmal ein Doppelkonzert an, diesmal jener c-Moll-Klassiker, der einst aus dem berühmten Violinkonzert BWV 1043 hervorging. Die Ritornelle der Streicher besaßen Biss und Klarheit, die Fugenansätze wurden nicht weichgebügelt, sondern fein ausgeleuchtet. Die Pianisten gingen hier mit einer bewundernswerten Mischung aus Energie und klanglicher Disziplin zur Sache.

Das g-Moll-Konzert BWV 1058, eine Transkription des frühen Violinkonzerts BWV 1041, erschien im Kontext des Abends wie ein Blick in die Werkstatt des jungen Bach: frisch, transparent, strukturell klar. Der Mittelsatz – ein Andante, das über einer ostinaten Bassformel seine kantable Linie entfaltet – wurde in geradezu entwaffnender Schlichtheit gespielt. Nichts schleppte, nichts schwärmte: Koroliov ließ die Melodie einfach atmen.

Fotos: Vinnitskaya, Koroloiv, Gergoieva (c) Andrea Humer

Den Schluss bildete BWV 1064 in C-Dur, das zweite Dreifachkonzert des Abends und vielleicht dasjenige, in dem Bach am stärksten Lust darauf hatte, drei Solisten gleichzeitig auf Trab zu halten. Das dreistimmige Spiel, fast unentwegt gefordert, wurde zum Spektakel: nicht wegen der Virtuosität, sondern wegen der Präzision, mit der drei Flügel sich zu einem einzigen großen Instrument verschränkten. Das Finale, das mit einer vierstimmigen Fuge beginnt und in Etappen zu immer mehr Brillanz aufblüht, geriet so rund, so spielerisch, dass man das Gefühl entwickelte, die Pianisten würden ein Netz aus Klangfäden weben, das die Streicher dankbar weiterspinnen.

Fotos: Vinnitskaya, Koroloiv, Gergoieva (c) Andrea Humer

Als der letzte Ton verklang, gab es lang anhaltenden, warmen Applaus – jenen stillen, aber beharrlichen Jubel, der sich nicht aus Sensation, sondern aus Respekt speist. Ein Abend, der zeigte, wie modern Bach klingt, wenn man ihn mit Ernst, Wissen, Neugier und einer Prise Humor spielt. Und wie viel größer Musik wird, wenn drei Flügel und elf Streicher sich gemeinsam daran erinnern, dass Kunst nichts anderes braucht als Hingabe, Klarheit – und einen Komponisten, der wusste, was er tat.

Kathrin Schuhmann, 10. Dezember 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Víkingur Ólafsson, Klavier Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 2. Dezember 2025

Tokyo Philharmonic Orchestra / Vengerov / Chung Wiener Konzerthaus, 8. November 2025 

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