Philippe Jordan © Wiener Konzerthaus
Ja Herrschaftszeiten! Schumann und Wagner – so trumpfen die Bayern in der Elbphilharmonie am Dienstagabend auf
Robert Schumann
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 »Rheinische«
Richard Wagner
Siegfrieds Rheinfahrt / aus der Oper »Götterdämmerung« WWV 86D
Trauermarsch und Schlussgesang der Brünnhilde / aus der Oper »Götterdämmerung« WWV 86D
Münchner Philharmoniker
Camilla Nylund Sopran
Philippe Jordan, Dirigent
von Harald Nicolas Stazol
„Vier Harfen waren es an diesem Abend, und die Münchner und die Brünnhilde!!!“, werde ich noch meinen Enkeln erzählen, hätte ich denn welche, und so erzähle ich es voller Begeisterung lieber gleich meinem Mündel Vincent, 14. „Brünnhilde???“, wird er fragen, und ich werde sagen: „Nun also werde ich Dir die Handlung des Rings erzählen, mon Jeune!“, und andächtig wird er zuhören – wie immer – und ich werde sagen, dass die Münchner Philharmoniker mal eben ein Zeichen gesetzt haben, als Botschafter Bayerns gewissermaßen, Herrgottsakra, Herrschaftszeiten, – war das ein Konzert! Götterdämmerung!
Es mag auch an dem wunderbaren, allerdings bei mir Höhenangst hervorrufenden Platze liegen, dem Abonnement meines lieben Kanzlisten Michael zu danken, der mich, nun wirklich völlig überraschend mit der WhatsApp „kommst Du mit, tolles Programm“, erfreute. Und da Michi seit 25 Jahren noch nie gelogen hat, und ich für einen Elphi-Besuch alles stehen und liegen lasse, schreibe ich nach 45 Sekunden: „Ist der Pabst katholisch?“
Tolles Programm? Die „Reinische“ von Robert Schumann (1810–1856), eine wirkliche 3. Gute-Laune-Symphonie, die er schreibt, da war Schumann gerade überglücklich nach Düsseldorf berufen worden, und so wogen die Wellen des Flusses unter dem Taktstock des wohl elegantesten, nein DEM elegantesten Dirigenten Philippe Jordan, rank und schlank und im Frack, und wie oft flattert bei ihm der kleine, Nuancen fordernde, kleine Finger auf, und wie sie die sehen können, ganz hinten, die überragenden Schlagzeuger, es ist mir hier oben, über allem schwebend einerseits, aber hinabgezogen von der schieren Macht der Münchner.
Schumann probiert sich in fünf Sätzen, die alle deutsche Anweisungen haben – hat nicht Brahms gerade über Beethoven gesagt, der solches Zeichen setzte in seinen 9 Symphonien, „Wie kann man vor einem solchen Titanen herlaufen?“ Lebhaft, Scherzo: Sehr mäßig, Nicht schnell, Feierlich, Lebhaft lauten jene, und hier ahnt man noch nichts von der syphilitischen Manie (die war selbst mir bis dato unbekannt), die ihn sechs Jahre später sich in eben diesem Rhein, diesem Schicksalsfluss, stürzen lassen. Ach, das Scherzo, wirklich wiegend-heiter.
Zurück in Etage 16, U Platz 19, und nun der dritte Satz. Man weiss nicht, ob der Komponist bei der feierlichen Weihe des Kölner Doms anwesend war, nun also feierlich ein intrinsisch verwobener Choral, sehr eindringlich und majestätisch, und so durchsetzt von fugatischen Rhythmen, die dem Orchester Höchstes abverlangt in seiner Gediegenheit.
Doch nun werden wir lebhaft erlöst, schwungvoll sind er und die Münchner, und noch einmal: Die Eleganz des Dirigats ist nicht zu toppen!
Pause. Eine seltsame Heiterkeit hat sich über die Menschen gelegt, ich sage ja, das Foyer ist ja so weltläufig, allein: Bitte, bitte, bitte nicht zwischen den Sätzen klatschen! Wenn der Dirigent seine Arme sinken lässt, (zur Orientierung: wenn es am bombastischsten war, ist es meist der letzte Satz), dann gerne nach Herzenslust applaudieren. Ich meine es ernst, und Michael erst!
Und dann, meine Damen und Herren geht es los, mit Siegfrieds Überfahrt, allein die schon wirklich verwunschen-wunderbar intoniert, die Präzision des Bleches überragend, vier Harfen, – und die Verantwortung des jungen Mannes mit den Tympanie, und die flüsternden Streicher… wobei auffällt, das zwei von ihnen noch das klassische, weiße Taschentuch unter die Kinnstütze klemmen, ich denke, wie Yehudi Menuhin, mit Sicherheit aber Itzhak Perlman.
Und dann kommt sie, Brünnhilde in der Gestalt von CAMILLA NYLUND, – ich wurde schon verdächtig, keine Stimmen beschreiben zu können, also werde ich mir äußerste Mühe geben:
Da ist eine Reinheit, die sich zu schierer Gewalt aufbäumen kann, wundervoll moduliert und eben dramatisch, studiert die Nylund doch gerade bei einer Königin des Faches, man vergebe mir die Nachlässigkeit, ich las es, erinnere aber nicht wo…
„Weiß ich nun, was dir frommt? – Alles, alles,
alles weiß ich,
alles ward mir nun frei!“
Da wird sie leise. Mit den Rachen sehen.
Die Münchner an der Elphi. Respekt!
Harald Nicolas Stazol, Hamburg Lokstedt, 2. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Pathys Stehplatz (7) – ein Brief an Philippe Jordan: „Bitte mehr davon!“ Wiener Staatsoper