Jonathan Tetelman, die Bremer Philharmoniker und ihr Chefdirigent Marko Letonja reißen das Bremer Publikum von den Sitzen

Musikfest Bremen: „Viva Puccini“, Jonathan Tetelman, Marko Letonja und die Bremer Philharmoniker  Konzerthaus Die Glocke,  28. August 2024

Jonathan Tetelman/Bremer Philharmoniker © Patric Leo

Tenor Jonathan Tetelman, die Bremer Philharmoniker und ihr Chefdirigent Marko Letonja reißen als Dream-Team mit einer rundum fesselnden Darbietung von Ausschnitten aus Puccini-Opern das Bremer Publikum von den Sitzen

Musikfest Bremen: „Viva Puccini“

Programm:

Giacomo Puccini:  „Preludio sinfonico“ sowie Arien, Preludios und Intermezzi aus den Opern „Tosca“, „La rondine“, „Suor Angelica“, „La fanciulla del West“, „Le villi“, „Edgar“, „Madama Butterfly“, „Manon Lescaut“ und „Turandot“

Jonathan Tetelman Tenor

Marko Letonja Dirigent

Die Bremer Philharmoniker

Konzerthaus Die Glocke,  28. August 2024

von Dr. Gerd Klingeberg

Er singt mit Inbrunst, mit geradezu ekstatischer Emphase. Ist zuvor hineingeschlüpft in die jeweilige Rolle, scheint sich unmittelbar mit ihr zu identifizieren. Seine ausdrucksstarke, indes niemals übertrieben wirkende Gestik und seine expressive Mimik wirken zu jedem Zeitpunkt glaubhaft und angemessen.

Kurz: Der amerikanische Tenor Jonathan Tetelman ist ohne Zweifel einer, der sein Fach bestens versteht, der Puccinis Opernfiguren in all ihren Schattierungen ideal zu verkörpern weiß – egal, ob als Latin Lover, als feuriger Galan, als strahlender oder tragischer Held. Und das tut er mit einer Stimme voller Geschmeidigkeit, warmtönig und perfekt intoniert in jeder Lage. Und dabei derart volumenstark, dass sie den Großen Glockensaal locker bis in den allerletzten Winkel füllt. Jede einzelne der nicht selten überschäumenden Gefühlswallungen seiner Opernhelden wird so in optimal nachvollziehbarer Weise vermittelt.
Gemeinsam mit den Bremer Philharmonikern und deren langjährig auch opern-erprobtem Chefdirigenten Marko Letonja steht an diesem Abend ein echtes Dream-Team auf der Bühne, ideal für eine Hommage für den großen Opernkomponisten Giacomo Puccini, dessen Todestag sich am 29. November dieses Jahres zum einhundertsten Male jährt. Es sind zwar nur Ausschnitte aus dessen großem Œuvre, aber derart gelungen zusammengestellt, dass sie die überragende musikalische Genialität Puccinis eindrucksvoll verdeutlichen.

Mit den anfangs sanften, einschmeichelnden, dann zunehmend aufwallenden Harmonien aus dem „Preludio sinfonico“, einer frühen sinfonischen Komposition Puccinis, leiten die in großer Besetzung angetretenen Philharmoniker den Abend ein. Tetelmans erste Arie folgt: „Recondita armonia“ (aus„ Tosca“). Mal lyrisch zart, mal scharf artikulierend oder mit aufwühlend nachdrücklicher Stimme, überzeugt er von den ersten Takten an als unglücklich liebender Caravadossi, dessen einziger Gedanke der Titelheldin gilt.

Gleich anschließend mimt Tetelman nicht minder glaubhaft den dandyhaft großspurigen Lebemann Ruggero mit „Parigi è la città dei desideri“ (aus „La rondine“). Die zumeist stark emotional aufgeladenen Inhalte der Arien werden in seinen Interpretationen problemlos nachvollziehbar, auch dann, wenn man die im Programmheft zweisprachig aufgeführten Texte nicht mitliest.

Das in wunderschönen, hauchzarten Klangfarben vom Orchester dargebotene Intermezzo aus „Suor Angelica“ verströmt bis hin zum Pianissimo-Schlussakkord ausgeprägte Sehnsüchte und anrührende Melancholie, ohne dabei in süßliche Rührseligkeit abzugleiten. Deutlich kontrastiert dazu das ausgezeichnet inszenierte Intermezzo aus „Le villi“ mit gehörigem Wumms, zackigem Schwung und fetten Bläserfanfaren. Oder auch die anfangs in angenehmer Farbgebung fein getupften Klänge aus dem Preludio zum 1. Akt aus „Edgar“, die mehr und mehr zu breiten Streicherlegati und tosendem Blechdonner mutieren, um schließlich mit einem versöhnlichen Harfenarpeggio zu enden.

Tetelman, der in der zweiten Konzerthälfte, anstatt wie zuvor in einem dunklen Anzug, jetzt ganz in Weiß gekleidet auf die Bühne tritt, präsentiert sich mit zwei Arien aus „Madama Butterfly“ zunächst als überaus charmanter Offizier Pinkerton („Amore o grillo“), dann als schmachtender, von Reue überwältigter Liebhaber („Addio, fiorito asil“). Seine berückenden lyrischen Sangesqualitäten bringt er ausnehmend gut ein als Chevalier Des Grieux („Manon Lescaut“). Das wiederum überaus emotional aufgeladene Geschehen unterstreicht nachdrücklich das zugehörige Intermezzo, ein weiteres orchestrales Glanzstück mit eingangs gemütvoll dargebotenen Solopartien, die allmählich zu alles hinwegfegenden, gigantisch tosenden Tutti anwachsen.

Den ultimativen Puccini-Hit hat sich das Ensemble indes für den Schluss des offiziellen Programms aufgehoben: „Nessun dorma“ aus „Turandot“. Die dabei zunächst noch vorsichtig geäußerte Aufforderung „Keiner schlafe!“ ist beim Bremer Publikum garantiert nicht nötig: Das ist nämlich von Anfang an begeistert mitgegangen, hat jede Arie wie auch das in jeder Phase unter Letonja wieder einmal in absoluter Topform aufspielenden Ensembles genossen und bejubelt.

Aber was jetzt, nach dem frenetisch geschmetterten, vom exzellent agierenden Orchester begleiteten und für jede Menge Gänsehaut sorgenden „All’alba vincerò!“ abgeht, übertrifft locker alles Vorherige: Das restlos enthusiasmierte Publikum applaudiert frenetisch, tobt, trampelt mit den Füßen, allesamt erheben sich zu Standing Ovations von den Sitzen.

Tetelman, mit dankbar gebeugtem Haupt und gentleman-like auf der Bühne kniend, nimmt gemeinsam mit den Philharmonikern und einem gleichermaßen zufrieden lächelnden Letonja den nicht enden wollenden Beifall entgegen.

Als Zugaben folgen zwei weitere Puccini-Arien, dazwischen der neapolitanische, besser noch panitalienische Evergreen „’O sole mio“ (E. Di Capua), derart schmachtend und imposant volltönig gesungen, dass jetzt, zu Beginn der Nacht, die Sonne in voller Pracht prompt noch ein zweites Mal aufzugehen scheint.

Dr. Gerd Klingeberg, 29. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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2 Gedanken zu „Musikfest Bremen: „Viva Puccini“, Jonathan Tetelman, Marko Letonja und die Bremer Philharmoniker
Konzerthaus Die Glocke,  28. August 2024“

  1. Ein traumhafter Abend, in dem Jonathan Tetelman mit seinem Charisma und seiner unglaublichen Stimme alle begeistert hat. Ein echtes High-Light und ein leuchtender Stern am Opernhimmel. Natürlich, authentisch und enorm begabt in musikalischer und darstellerischer Hinsicht. Brillant. Das Orchester und der Dirigent waren auch super.

    Birgit Ohlsen-Goronzy

  2. Zu Gerd Klingebergs Kritik ist nichts hinzuzufügen, außer das die erste Zugabe nicht von Puccini war, sondern die Arie „No puede ser“ aus der Zarzuela „La Tabernera del Puerto“ von Pablo Sorozábal, wundervoll in Spanisch gesungen. Die letzte Zugabe war dann wieder aus Tosca, „E lucevan le stelle“, was auch zu erwarten war, da „Nessun dorma“ ja bereits im Programm gesungen wurde. Erwähnenswert vielleicht auch noch dass der Dirigent vor der letzten tragisch, dramatischen Zugabe zunächst einmal das Publikum beruhigen musste, sowie eine großartige Klarinette.

    Mathias Brust

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