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Elbphilharmonie, Hamburg, 16. November 2017
Andrew Manze Dirigent
Alban Gerhardt Cello
NDR Chor, NDR Elbphilharmonie Orchester
Henry Purcell: Music for the Funeral of Queen Mary
William Walton: Konzert für Violoncello und Orchester
Ralph Vaughan Williams: A London Symphony (Sinfonie Nr. 2)
von Bianca Heitzer
Ich glaube, dass große Musik nicht geschrieben wird, indem man mit der Tradition bricht, sondern indem man ihr etwas hinzufügt. Mit diesen Worten beschrieb der Engländer Ralph Vaughan Williams seine kompositorische Maxime und skizzierte damit zugleich die stilistische Silhouette seiner 2. Sinfonie, der „London Symphony“. Dass es sich dabei tatsächlich um große Musik handelt, hat das NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung von Andrew Manze in der Elbphilharmonie gezeigt und krönte diesen britischen Konzertabend mit einem fulminanten Schlusspunkt.
Auch wenn der Komponist sein Werk eher als „Sinfonie eines Londoners“ verstand, sind die vielen kleinen musikalischen und akustischen Hinweise auf die Metropole an der Themse nicht von der Hand zu weisen, seien es nun die Glockenschläge des Big Ben in der Klarinetten- und Harfenstimme oder das melancholische „Flussthema“ in den Bässen. All diese klanglichen Bilder ließen der englische Dirigent Andrew Manze, 52, und das Residenzorchester der Elbphilharmonie an diesem Abend für das Publikum hörbar, ja nahezu greifbar werden, ohne das Stück in seiner Ganzheit aus den Augen zu verlieren. Für besondere Glanzmomente sorgten die grandiosen Soli von Erster Bratsche und Englischhorn!
Etwas weniger pompös, aber ebenso eindrucksvoll präsentierte der NDR Chor zu Beginn des Konzerts Henry Purcells „Music for the Funeral of Queen Mary“. Begleitet von Orgelklängen, majestätischen Trommelwirbeln und fernen Blechbläsermelodien überzeugten die Sängerinnen und Sänger mit einer klaren und sauberen Interpretation von Purcells Begräbnismusik für die 1694 verstorbene Queen Mary II.
Nach einem blitzschnellen Bühnenumbau folgte dann William Waltons, im Jahre 1956 entstandenes Konzert für Violoncello und Orchester. Was Waltons Oeuvre so spannend macht, ist die Tatsache, dass es sich nur schwer in eine Genre- und Stilschublade packen lässt. Neben Einflüssen aus den Bereichen Tanz und Salon, lassen sich in den Stücken des Komponisten auch Elemente aus Klassik, Folklore und Jazz finden, die dieser zu einem einzigartigen Klangteppich verknüpfte. Dass der Cellist Alban Gerhardt, 48, dieses technisch anspruchsvolle Solokonzert bestens beherrscht, dürfte den Zuhörern bereits nach den ersten Takten klar gewesen sein – scheinbar mühelos meisterte er die kühnsten Sprünge und turbulentesten Passagen. Besonders in den Variationen des dritten Satzes glänzten Solist und Orchester mit großer Präzision und facettenreicher Dynamik.
Als Zugabe spielte der gebürtige Berliner Gerhardt ein Beethoven-und-Bach-Medley in D und sagte zuvor mit einem Augenzwinkern, dass er es nun wagen würde, das britische Programm des Abends zu durchbrechen. Als Mitglied von Musicians4UnitedEurope, einer Gruppe internationaler Musiker, liege es ihm besonders am Herzen, sich für ein vereintes Europa einzusetzen.
Und so erscheint es an diesem Abend kaum verwunderlich, dass Gerhardt seinen Auftritt mit Ludwig van Beethovens Ode an die Freude beschließt.
Bianca Heitzer, 18. November 2017, für
klassik-begeistert.de