Das NDR Orchester zelebriert mit Manfred Honeck in der Elbphilharmonie eine Bruckner-Sternstunde

NDR Elbphilharmonie Orchester, Manfred Honeck, Dirigent  Elbphilharmonie Hamburg, 1. März 2024

Elbphilharmonie © Maxim Schulz

Sternstunde der Hamburger Profi-Orchester-Szene: Manfred Honeck und das NDR Elbphilharmonie Orchester begeistern mit Bruckners neunter und letzter Sinfonie. Gestört wurde das Konzert allerdings mal wieder von ein bisschen Zwischenapplaus und -gequatsche.

Manfred Honeck, Dirigent

Werke von Samy Moussa und Anton Bruckner

Elbphilharmonie Hamburg, 1. März 2024

von Johannes Karl Fischer

Nach dem ersten Bruckner-Satz gab es nicht nur Applaus, nein, diesmal quatschte ein sehr kleiner Teil des Publikums sogar in die Schlusstakte des Kopfsatzes rein. Dank der sehr sensiblen Akustik dieses Saals bekam man dies trotz des an dieser Stelle sehr lauten Orchesters quasi im ganzen Saal zu hören. Bitte beim nächsten Mal etwas mehr Rücksicht auf diese Musik nehmen. Gerade bei diesen stets kirchlich inspirierten Klängen – Bruckner war Organist und zudem tiefgläubig, das hört man auch – wäre es wünschenswert, die Musik einfach spielen zu lassen.  Klatschen, sehr gerne, aber bitte am Ende der Sinfonie!

Egal, völlig ungeachtet des Publikumsverhaltens glänzte die Hamburger Orchesterszene mit einer wahren Sternstunde, als Manfred Honeck das NDR Elbphilharmonie Orchester für Bruckner begeisterte. So leidenschaftlich lebhaft habe ich diesen Klangkörper schon lange nicht mehr spielen hören! Alle – quer durch die Bank – mit vollem Einsatz dabei, vorbei sind die Zeiten des „wir sitzen da und spielen Noten.“ Hier wird musiziert!

Ich bin eigentlich überhaupt kein Mensch der Körpersprache. Aber man hört es und man sieht es: Die fast 100 MusikerInnen beginnen Bruckner 9 zu blasen, zu streichen und zu pauken, und quasi instantan verschmilzt das ganze Orchester zu einer gemeinsamen in sich fließenden Klangmischung.

Da wird auch das Publikum in den Strudel dieser Musik regelrecht mit hineingesaugt, wenn diese majestätischen Bläserakkorde durch den Saal schweben!

Und dennoch muss ich ausnahmsweise mal ein bisschen kritisch beginnen: Die allerersten Takte waren ein bisschen vom Alten. Also nicht zusammen, so nach dem Motto „alle spielen einfach ihre Noten.“ Es dauerte allerdings nur wenige Augenblicke, bis Manfred Honeck mit seinem äußerst engagierten Dirigat den Klangkörper aufgewirbelt hatte und die zutiefst innerlichen und dennoch allmächtigen Klänge dieser Sinfonie in das Publikum brachte. Da sieht man mal, wo das wahre Potential dieses Orchesters steckt!

NDR Elbphilharmonieorchester, Archiv © Claudia Höhne

Im zweiten Satz ging es dann mit furios paukenden Trommeln und Hörnern ordentlich zur Sache. Auch hier wieder: Je länger das ganze dauerte, desto mehr fand sich das Orchester in der Musik zurecht. Die markanten Betonungen wurden stets stärker, am Ende zog das drängende Scherzo mit viel Wind in den Segeln regelrecht davon.

Nun wieder einmal: Stille. Wie schon nach dem ersten Satz – dort möglicherweise auch als Gegenreaktion auf den Applaus – nahm sich der Dirigent auch hier ungewöhnlich viel Zeit zwischen den Sätzen. Das majestätische Adagio konnte er so bestens entfalten, in der Ruhe und den Wagner-Tuben lag die Kraft. Das funktioniert bei Wagner und eben bei Bruckner 9!

Samy Moussa (c)samymoussa.com

Der wohl spannendste Teil des Abends ereignete sich aber vor dem Bruckner-Feuerwerke: Samy Moussas Elysium für Orchester. Hört man auch nicht alle Tage, gut, ist auch noch recht frisch komponiert. Ein sehr interessantes Stück, auf einen sehr angenehmen Eingangsakkord rutschte das Orchester – zum Teil wortwörtlich mit vielen, fast schon verstörend klingenden Glissandi – durch die Tonhöhen und Klangfarben. Ein bisschen ein akustischer Mischmasch für die Ohren – mal ein bisschen Filmmusik, mal klingt’s nach Bruckner. Naja. Vielleicht ein bisschen zu viel. Ich bin mal gespannt, ob dieses Werk den Test der Zeit bestehen wird. Auch Bachs Musik blieb nach seinem Tod erstmal ein halbes Jahrhundert weitgehend unbekannt.

Manfred Honeck (c) Todd Rosenberg

Erst 2022 gab es in der Elbphilharmonie eine äußerst fulminante Bruckner 9 zu hören, mit den Münchner Philharmonikern und Daniele Gatti. Eigentlich eine Liga über dem NDR-Orchester. Doch Manfred Honeck erledigt seine Aufgabe souverän, legt ordentlich nach und wird dafür haushoch gefeiert! So kann das Bruckner-Jubiläumsjahr gerne weiter gehen.

Johannes Karl Fischer, 2. März 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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