Neuer Nabucco in Verona: Ein High-Tech-Spektakel ohne historischen Bezug irritiert

Giuseppe Verdi, Nabucco  Neuinszenierung, Arena di Verona, 16. August 2025

Nabucco, Arena di Verona 2025 © arena.it

Der italienische Opernregisseur Stefano Poda durfte 2023 die abstrakt-spektakuläre 100-Jahr-Jubiläums-Aida in der Arena von Verona inszenieren, die in dieser Saison erneut auf dem Spielplan steht.

Jetzt wurde Poda auch die Neuinszenierung des „Nabucco“ anvertraut – ein gigantisches High-Tech-Spektakel mit zahllosen Lichteffekten auf der Bühne und integriert in die futuristischen Kostüme (wurde das Ganze von einer freigiebigen Elektrizitätsgesellschaft gesponsert?) und bewusst ohne jeden historischen Bezug.

Giuseppe Verdi
Nabucco

Musikalische Leitung: Pinchas Steinberg

Regie, Kostüme, Licht, Choreographie: Stefano Poda

Orchestra, Coro, Ballo e Tecnici di Fondazione Arena di Verona
Chorleiter: Roberto Gabbiani

Arena di Verona, 16. August 2025 Neuinszenierung
in italienischer Sprache

von Dr. Charles E. Ritterband

Wer Podas Anmerkungen im Programmheft ignoriert, bleibt ratlos – auch die Kenntnis der Handlung, deren Protagonisten ganz wie bei Podas Aida-Neuinszenierung in der Masse von Statisten und Choristen untergehen, nützt dem Zuschauer gar nichts. Musikalisch hervorragend – szenisch irritierend. Wie bei „Aida“ sehnt man sich nach den „klassischen Inszenierungen“ zurück. 

Die gigantische Bühne wird dominiert von zwei mächtigen Neonlichtskulpturen, die sich ständig drehen, in verschiedenen Farben blinken und zum Happy End in eine riesige Kugel verschmelzen. Diese beiden Halbkugeln, so Poda, verkörpern die Konfrontation und am Ende die Wiedervereinigung von zwei Polen: Die Polarität von Hebräern und Babyloniern, von Spiritualität und Rationalität, Glaube und Vernunft.
Zwei Pole, die sich während der gesamten Bühnenhandlung anziehen und abstoßen, dann  zur Synthese des Finales zu gelangen, in dem sich die beiden Gegensätze versöhnen.

Postmoderner Bühnenkontext und futuristisches Lichtlabyrinth, das mit der schlichten Kulisse der Arena-Stufen kontrastiert, eine „Kathedrale aus Licht und Dunkelheit“, wie Poda verkündet.

Das ist wohl alles sehr gut durchdacht, intellektuell und abstrakt – aber mit der Handlung des guten alten „Nabucco“ hat das alles herzlich wenig oder besser gesagt – nicht das Geringste zu tun. Das ist zweifellos die ambitionierte Selbstdarstellung eines Meisters des modernen Regietheaters, das uns ja immer wieder in Erstaunen versetzt, befremdet und zumeist auch abstößt. Mit Verdis „Nabucco“ hat das nur bedingt zu tun, es sei denn auf einer höheren Abstraktionsebene. Vielleicht müsste man einfach den Titel ändern, um das ahnungslose Arena-Publikum nicht völlig vor den Kopf zu stoßen: „Elektro-Nabucco“ oder so ähnlich.

Immerhin: wie bei Podas „Aida“ sei dem Regisseur konzediert: Das Ganze ist in der Tat ein überwältigendes, technisch perfektes und überaus aufwendiges Spektakel, das den Zuschauer permanent überrascht, ihn überwältigt und ihm dann wieder den Atem raubt. Der Höhepunkt dieser Inszenierung – vielfach angekündigt – verfehlt ihre Wirkung nicht:

Wenn Nabucco sich in seiner Hybris zum Gott ernennt („non sono re – son Dio“) wartet man in jeder Inszenierung gespannt auf die bühnenwirksame Reaktion Gottes. Hier ist es ein mächtiger Vulkan, der im hinteren Teil der Bühne mit viel Getöse, Feuerschwaden und Rauchwolken ausbricht. Ein herrliches Spektakel.

Die unbestrittenen Stars unter den Protagonisten waren Youngjun Park als Nabucco und Olga Maslova als Stieftochter und weiblicher Bösewicht sowie ihr „edles“ Gegenstück Aigul Akhmetshina als Fenena. Der Südkoreaner Park sang mit warmer, flexibler, gefühlvoller Baritonstimme und großem vokalen Ausdruck, die Sopranistin Maslova aus Voronezh brachte die Abigaille dominant und schillernd mit präzisen Phrasierungen . Die russische Mezzosopranistin Aigul Akhmetshina, die zuletzt als Carmen begeisterte, verlieh der Fenena berührend- einfühlsame Züge und satte, frauliche Tiefe.

Der Dirigent Pinchas Steinberg leitete das Hausorchester der Arena souverän und präzise, allerdings vielleicht etwas allzu zurückhaltend.

Der legendäre Gefangenenchor, die geheime Nationalhymne Italiens, war zwar schön gesungen, vermochte aber nicht wirklich mitzureißen und das bekannte Gänsehaut-Gefühl und Kribbeln auszulösen – daher blieb auffälligerweise der sonst übliche Wunsch des Publikums nach einem Da Capo aus und es wurde sofort zur nächsten Musiknummer übergegangen.

Dr. Charles E.  Ritterband, 17. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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