Mit Lloyd Riggins an der Spitze schafft es das Hamburg Ballett

Nijinsky-Gala L, Teil I  Hamburgische Staatsoper, 20. Juli 2025

Stellvertretender Ballettintendant Lloyd Riggins mit Gästen und seiner Compagnie (Foto: RW)

50. Nijinsky-Gala Teil I

Die Stärke des Hamburger Balletts sind Talente wie Ana Torrequebrada und Caspar Sasse, die aus der Ballettschule und dem Ensemble immer wieder nach vorne drängen und den Verlust der Ersten Solisten, den es zu verkraften gilt, vergessen lassen.

Nijinsky-Gala L

Hamburgische Staatsoper, 20. Juli 2025
50. Hamburger Ballett-Tage

Konzept:  Lloyd Riggins, Nicolas Hartmann
Moderation:  Lloyd Riggins

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung:  Simon Hewett

von Dr. Ralf Wegner

An Stelle des zunächst als Moderator der diesjährigen Nijinsky-Gala angekündigten John Neumeier führte der Stellvertretende Ballettintendant Lloyd Riggins durch das Programm. John Neumeier hatte derweil bereits, vom Publikum euphorisch akklamiert, auf seinem alten Platz in der ersten Reihe rechts Platz genommen. Riggins las zunächst nur vom Blatt ab, später hielt er auch Blickkontakt zum Publikum. Sympathisch und mit Empathie stellte er die Tänzerinnen und Tänzer vor, für die richtige Aussprache der chinesischen Gäste ließ er sich sogar von Xue Lin unterstützen.

Das Programm hatte drei, jeweils durch Pausen unterbrochene Teile: Inspiration, Kreation und Evolution. Der erste Teil schleppte sich etwas. Nach dem Auftritt der Ballettschule tanzten Jacopo Bellussi und Matthew Ball (Royal Ballet) einen Pas de deux nach Maurice Béjart zu Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen, schönstimmig und schallkräftig interpretiert von dem Hamburger Bariton Vincenzo Neri. Es folgte aus Balanchines Jewels der Diamanten Pas de deux mit Mira Nadon und Davide Riccardo vom New York City Ballet, danach ein Pas de deux aus Beethoven II mit Aleix Martínez und Ida Praetorius sowie ein Pas de trois aus der Dritten Sinfonie von Gustav Mahler (Xue Lin, Matias Oberlin, Edvin Revazov, beides Neumeier-Choreographien).

Charlotte Larzelere, Olivia Betteridge und Ida Praetorius

Alle tanzten beeindruckend professionell. Und doch legte sich eine gewisse Nervosität wie ein Schleier über die Bühne, der Durchbruch zum Außergewöhnlichen wollte nicht gelingen. Das galt auch für den abschließenden Pas de trois aus Le Pavillon d’Armide nach Michel Fokine, in dem es Alexandr Trusch, Olivia Betteridge und Charlotte Larzelere nicht gelang, den Kostümeffekt durch hinreißenden, aufsehenerregenden Tanz zu überdecken, zumindest nicht im Vergleich mit dem 50 Jahre zuvor auf dieser Bühne bei der ersten Nijinsky-Gala auftretenden Quartett Michail Baryschnikow, Marina Eglevsky, Marianne Kruuse und Zhandra Rodríguez. Von keinerlei Nervosität getrübt und mit berauschend schöner Stimme sang allerdings Katja Pieweck das Alt-Solo Oh Mensch! Gib Acht! Was spricht die tiefe Mitternacht?

Alexandre Riabko und Silvia Azzoni in Kristina Paulins Echoes of Life (Foto: Kiran West)

Nach der ersten Pause war der Schleier wie weggeblasen. Zunächst zeigte das Bundesjugendballett a cappella eine Choreographie des aus Culiacán in Mexico gebürtigen José Limón: The Unsung, eine stille Hommage an die indigenen amerikanischen Völker. Die Präsenz der sieben Tänzerinnen und Tänzer beeindruckte. Stellvertretend für die anderen herausragenden Tänzer sei der schon im Ernst-Deutsch Theater bei Neumeiers Shall we Dance-Produktion mit hohen Sprüngen und fulminanten Drehungen aufgefallene Brasilianer Miguel Alves Oliveira genannt. Stilistisch erinnerte die Choreographie an das 1952 von Amalia Hernández gegründete Ballet Folklórico de Mexico, allerdings stärker stilisiert und entbunden jeglicher Folklore.

Guan Chongzheng und Zhao Xinyue (Foto: RW)

Mit außergewöhnlicher Drehkraft und Bewegungsgeschwindigkeit zeigten danach Zhao Xinyue und Guan Changzheng vom National Ballet of China in einem Pas de deux von Chen Zihao, wie gegenseitige Unterwerfung gelingt.

Zum ersten Mal kam beim Publikum große Begeisterung ob des Gesehenen auf, der sich bei dem nächsten Pas de deux, einem der eindeutigen Höhepunkte des Abends, noch steigerte: Silvia Azzoni und Alexandre Riabko demonstrierten Ballettkunst auf höchstem Niveau. Mit welcher Eleganz und Anmut beide gegenseitige Vertrautheit zum Ausdruck brachten und mit welcher Synchronität und welchem tänzerischem Legato dieses Paar die Bühne mit Tiefenspannung füllte, ist immer noch unerreicht. Die bemerkenswerte Choreographie (Echoes of Life) stammte von Kristina Paulin, einer ehemaligen Tänzerin des Hamburg Balletts und jetzigen Hauschoreographin am Staatsballett Karlsruhe.

Ana Torrequebrada und Caspar Sasse in John Neumeiers Die Möwe (Foto: Kiran West)

Ana Torrequebrada und Caspar Sasse zeigten danach eine überzeugende jugendliche Version des Pas de deux, allerdings nicht von Kristina Paulin, sondern von John Neumeier, dessen tiefensinniges Ballett Die Möwe in zwei Monaten wieder aufgenommen wird. Die Stärke des Hamburger Balletts sind Talente wie Torrequebrada und Sasse, die aus der Ballettschule und dem Ensemble immer wieder nach vorne drängen und den Verlust der Ersten Solisten, den es zu verkraften gilt, vergessen lassen.

Dr. Ralf Wegner, 21. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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