Foto: © Iko Freese / drama-berlin.de
Komische Oper Berlin, 13. Dezember 2018
Oscar Straus, Die Perlen der Cleopatra
von Gabriel Pech
Auch zwei Jahre nach der Premiere ist Dagmar Manzels Humor noch frisch wie am ersten Tag. Die Sänger-Schauspielerin treibt dem Publikum Lachtränen in die Augen und man fragt sich, was eigentlich passiert, wenn die liebe Dame einmal krank ist. Würde es irgendjemand anderem gelingen, diese unverstaubte, berlinernde Cleopatra auf die Bühne zu bringen? Wäre jemand in der Lage, als Schauspielerin, Sängerin und Bauchrednerin gleichermaßen zu brillieren?
Na gut, da gibt es Abstufungen: Ihr Gesang ist zwar gut, doch eher zweckmäßig und Barrie Kosky bezeichnet sie schon im Programmheft als »eine wirklich schlechte Bauchrednerin«. Wichtig ist, dass ihr Gesamtpaket überzeugend ist, und das kann man ohne Einschränkungen so unterschreiben. Bezeichnend für diese einzigartige Leistung ist der Eindruck, dass ihre Pointen immer noch improvisiert sein könnten – und das in der 25. Vorstellung!
Lasst uns auch noch einen kurzen Blick auf ihre Stimme werfen: Wie gesagt, zweckmäßig. Ein essentielles Merkmal für die Operetten-Diva der Komischen Oper ist aber, das ihre Stimme gesund klingt. Sonst könnte sie auch nicht in so vielen Operetten gleichzeitig tanzen: Allein in dieser Saison brilliert sie auch noch in »Eine Frau, die weiß was sie will« und »Anatevka«. Ihre Stimme ist eher Werkzeug für die Schauspielerin, aber dieses Werkzeug funktioniert, hat einen schönen, fundierten Klang und folgt ihr in alle Lagen. Außerdem bietet ihr heller, schneidender Mezzosopran einen herrlichen Kontrast zu ihrer rauen, verruchten Sprechstimme.
Zu sagen, Dagmar Manzel wäre im Alleingang für diesen Operetten-Erfolg verantwortlich, wäre aber zu kurz gegriffen: Barry Kosky grub dieses Fundstück aus den zwanziger Jahren aus und befreite es von aller ungewollten Patina. Jeglicher Operetten-Kitsch flog entweder ganz raus oder wurde so auf die Spitze getrieben, dass man wieder darüber lachen kann. Seine Inszenierung ist schmissig, kurzweilig und immer wieder für eine Überraschung gut.
Auch der Rest des Ensembles liefert eine überzeugende, frische Vorstellung ab. Stefan Sevenich hat in der Nachfolge von Star-Besetzung Dominique Horwitz als Cleopatras Chefminister Pampylos große Fußstapfen zu füllen. Auch er ist herrlich tuntig und überdreht, besitzt aber als hauptberuflicher Sänger dazu noch einen fantastischen Bariton.
Talya Lieberman überrascht mit sängerischen und bläserischen Leistungen. Als Kammerzofe Charmian spielt sie die Fanfare und später auch ein Trompetensolo einfach selbst. Hin und wieder darf sie auch auf Englisch sprechen, wodurch sie den Humor besser ausdrücken kann. Ihr Sopran ist weich und samtig, was besonders gut zu ihren Liebesduetten mit Silvius passt.
Der rüstige römische Recke Silvius kommt eigentlich an den Hof, um Cleopatra vor bevorstehenden Unruhen zu warnen, bleibt dann aber direkt als ihr Liebessklave vor Ort. Dominik Königer singt ihn mit einem schmelzigen Tenor, der den Hauch der zwanziger Jahre transportiert. Als Diener zweier Herrinnen besticht er mit einer koketten Naivität, weswegen ihm Cleopatra schließlich auch eine angezettelte Revolution vergibt.
Ein weiterer »Hauch der 20er« umschwebt die Tänzerinnen und Tänzer. Alle mit Paillette und weiß geschminktem Gesicht ausgestattet, bringen sie das nötige bisschen Show auf die Bühne. Sie sind sexy und schrill, müssen an einigen Stellen nämlich auch gesanglich einspringen. Immer wieder müssen sie für ein flottes Gekreische herhalten – manchmal sehr witzig, manchmal auch etwas nervig. Auf jeden Fall überträgt sich der funkensprühende Elan dieser Company jedes mal aufs Neue.
Man verlässt das Haus beschwingt von Oscar Straus‘ schmissiger Musik, die Adam Benzwi leidenschaftlich dirigiert. Dieser Mann ist ein begnadeter Operetten-Dirigent, der jedes einzelne Wort kennt und den ganzen Abend leise mitsingt.
Vielen Dank für die Ohrwürmer!
Gabriel Pech, 14. Dezember 2018, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Musikalische Leitung: Adam Benzwi
Inszenierung: Barrie Kosky
Choreographie: Otto Pichler
Bühnenbild: Rufus Didwiszus
Kostüme: Victoria Behr
Dramaturgie: Simon Berger
Chöre: David Cavelius
Licht: Diego Leetz
Cleopatra: Dagmar Manzel
Pampylos: Stefan Sevenich
Silvius: Dominik Köninger
Beladonis: Johannes Dunz
Marcus Antonius / Kophra: Peter Renz
Charmian: Talya Lieberman
Chorsolisten der Komischen Oper Berlin, Lindenquintett Berlin
Tanzensemble: Martina Borroni, Marika Gangemi, Claudia Greco, Luisa Mancarella, Hannah MacDonagh, Eleonora Talamini, Zoltan Fekete, Michael Fernandez, Paul Gerritsen, Michael-John Harper, Hunter Jacques, Christoph Jonas