Pathys Stehplatz (1) – Ein Brief an Mozart: „Da hättest schön geschaut!“

Pathys Stehplatz (1): Ein Brief an Mozart: „Da hättest schön geschaut!“

„Und als Mozart die Welt verließ, da war sie neu, bereichert und durch seinen Besuch gesegnet!“

In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag, mein lieber Wolferl!

von Jürgen Pathy

Grüß Dich, lieber Wolfgang!

Ich denke, Du hättest kein Problem damit, wenn wir per Du wären. Da bin ich mir ganz sicher. Jeder, der Deine Briefe kennt und weiß, was für ein cooler, unangepasster Zeitgenosse Du gewesen bist, dem sollte das klar sein. „Scheiß Dir nichts“, um in Deiner Sprache zu bleiben.

Heute, am 27. Januar 2021 würdest Du Deinen 265. Geburtstag feiern. Ich weiß jedoch nicht, ob das so ein Jubeltag für Dich wäre. Wir leben, vor allem kulturell, in einer ziemlich düsteren Zeit. Erstens würdest Du Dich wundern, weshalb alle mit Masken durch die Gegend irren, obwohl der Fasching noch auf sich warten lässt. Zweitens, so vermute ich, wärst Du von den Technologien, die wir heute nutzen, vollkommen überfordert. Und drittens, wärst Du vielleicht verblüfft, warum die Menschen Deine Musik nicht mehr kennen würden. Viele zumindest.

Obwohl: Halt! Dass man Dich nicht überall schätzt, dieses Gefühl dürftest Du schon kennen. Waren doch gewisse „Förderer“ und Financiers Deiner Musik auch nicht immer die Höflichsten. Du, sag einmal: Wie war denn das nun mit dem Colloredo? Hat Dich der „Schweinepriester“ wirklich in den Hintern getreten? Oder hast Du da ein wenig auf den Putz gehauen und übertrieben? Gib’s zu, mein Lieber! Hast vermutlich wieder ne Runde zu lange Karten gespielt und den Besten verärgert. Naja, wie auch immer. Vielleicht könnten wir eine Runde Pokern. Du würdest schön schauen, wie ich Dir Deine Kröten aus der Tasche ziehen würde.

Mit den Wiener Pfaffen würdest Du Dich vermutlich verstehen. Der Faber Toni und unser Kardinal, der Schönborn Christoph, betreiben sogar einen eigenen Radio-Sender, der Deine Musik spielt: Radio Klassik (Stephansdom). Indirekt zumindest. Die Erzdiözese Wien hat da ihre Finger im Spiel. Herrlich. Wie auch immer, das heißt, die wissen Dich zu schätzen. Da haben sich die Zeiten geändert. Du würdest schön schauen, wie sehr man Dich verehrt – in gewissen Kreisen zumindest. Selbst im hohen Alter. Net nur als Wunderkind, das wie im Zirkus von Hof zu Hof reisen musste. Apropos: Wie war denn das am Schoß der Kaiserin? War sie lieb, hat sie gut geduftet, nach Parfum? Oder haben die Leute zu dieser Zeit eher alle gestunken? Erzähl a bisserl!

Quelle: Pixabay

Denn, weißt Du: Heute schaut auch das alles ganz anders aus. Die Kanalisation und die Infrastruktur der Stadt Wien ist ein Traum. Wir müssen nur einen „Hahn“ aufdrehen und schon fließt sauberes Wasser – net nur „zitzerlweise“, sondern in Strömen. Aber alles auf dieser Welt hat seinen Preis. Im Gegenzug hetzen alle durch das Leben, nicht als gäb’s kein morgen, als gäb’s kein heute. Alle leben im gestern und im morgen. So fühlt es sich zumindest an. Traurig ist das a bisserl. War das schon damals so schlimm? Oder hatten die Menschen mehr Zeit für sich selbst? Das würde mich brennend interessieren, mein lieber Wolferl.

Um Deine Musik zu genießen, braucht es eben a bisserl Zeit. Anders funktioniert das nicht. Verstehen tun sie noch immer nicht alle. Da haben wir so Zeitgenossen, obwohl der nicht mehr lebt, wie den Glenn Gould. Der hat goschert gemeint, Du wärst viel zu spät gestorben. Deine Spätkompositionen wären alle für die Tonne. Aber nimm es ihm nicht übel. Denn Du hättest Dich gewundert, wie der Hundling Klavierspielen konnte. Bach, das war sein Held. Aber auch Deine Stücke hat er gespielt. In unheimlichen Tempi teilweise. Da hättest schön geschaut. Und die Klaviere, die wir heute haben. Heilige Scheiße! Weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Da kannst drauf hämmern und klopfen, bis die Rettung kommt.

Aber, das würde jetzt alles zu weit führen. Vielleicht schreibe ich Dir bald wieder. Bis dahin, mein lieber Wolferl, möchte ich mit einem Zitat verbleiben. Das stammt von einem der ganz Großen, dem Bernstein Lenny. Daran wirst Du merken, wie sehr Dich andere verehren und Deine Musik zu schätzen wissen. Der hat mal gesagt: „Und als Mozart die Welt verließ, da war sie neu, bereichert und durch seinen Besuch gesegnet!“

In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag, mein lieber Wolferl! Danke, dass Du nicht nur sein Leben so bereichert hast, sondern auch das meinige.

Jürgen Pathy, 27. Januar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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