Virtuoser Energiefluss – Klavierwerke für vier Hände begeistern in der Elbphilharmonie

Pavel Gililov, Jongdo An,  Elbphilharmonie Hamburg, Kleiner Saal, 15. April 2019

Foto: Jongdo An  ©  by jongdoan.com 

Pavel Gililov und Jongdo An beweisen im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, dass vierhändige Klavierwerke eine eigene Berechtigung im Konzertleben haben – ein gelungener Einstieg in den Kurs der „Klangakademie“, über den sich die beiden Pianisten in einem anschließenden Gespräch noch ausführlicher äußern.

Elbphilharmonie Hamburg, Kleiner Saal, 15. April 2019

Pavel Gililov Klavier
Jongdo An Klavier

Franz Schubert Rondo A-Dur D 951 für Klavier zu vier Händen
Wolfgang Amadeus Mozart Sonate C-Dur KV 521 für Klavier zu vier Händen
Johannes Brahms 16 Walzer op. 39
Franz Schubert Fantasie f-Moll D 940 für Klavier zu vier Händen

von Guido Marquardt

Klavierwerke für vier Hände sind eine eher exotische Erscheinung im Konzertbetrieb und deutlich seltener anzutreffen als Aufführungen mit zwei Klavieren. In der Musikgeschichte spielen sie eine wichtige Rolle und können bis heute insbesondere in der Musikpädagogik sehr wirksam zum Tragen kommen. Die seltene Gelegenheit, einmal ausschließlich vierhändige Werke in einem Konzert zu hören, bot sich nun im Kleinen Saal der Elbphilharmonie: Pavel Gililov und Jongdo An zeigten zum Auftakt ihres Kurses im Rahmen der „Klangakademie Hamburg“ (dazu mehr im anschließenden Interview) eindrucksvoll und mitreißend auf, was sich aus der Kombination von zwei Virtuosen und einem Instrument herausholen lässt.

Schuberts Rondo in A-Dur wurde von beiden als „linke Klammer“ ihres Programms gesetzt. Sie näherten sich diesem Werk bewusst in etwas moderaterem Tempo. Zart und leicht perlend entfaltete sich die volksliedhafte Wärme dieses Stücks – ein schöner Auftakt.

© Alexander Basta

Energischer zur Sache ging es dann bei Mozarts Sonate in C-Dur. Insbesondere der erste (Allegro) und der dritte Satz (Allegretto) können geradezu als Essenz von Mozarts Stil dienen, hier erzeugen vier Hände am Klavier fast den Eindruck eines Kammerorchesters. Mit festem Anschlag und einer sauber differenzierten Dynamik und Laustärke gestalten Gililov und An (An links, Gililov rechts – genau umgekehrt zum Auftaktstück) diesen Mozart überaus lebendig, aber kein bisschen banal oder zirkushaft. Hier zeigte sich kein Virtuosentum des Prahlerischen, sondern ein prototypischer Mozart wurde in all seinen Facetten fein aufgefächert.

Die 16 Walzer-Miniaturen von Brahms nach der Pause sind eine wirklich sportliche Aufgabe für die beiden. Ständige Tempi- und Stimmungswechsel verlangen den Pianisten einiges ab. Sie bewältigen es mühelos und spielerisch. Ein besonderer Genuss ist der Übergang vom 14. auf den 15. und wohl bekanntesten Walzer dieser Komposition. Gerade bei diesem lauert durchaus auch ein Risiko, zu sehr in eine sentimentale, aufgesetzt romantische Spielweise zu verfallen. Dies wird von beiden souverän vermieden, alle Walzer kommen sehr transparent und luftig daher. Wie bereits beim Schubert-Rondo, haben wir es auch hier mit einem Werk zu tun, das deutlich erkennbare Anleihen bei der Volksmusik nimmt, diese aber in einem hohen Komplexitätsgrad verarbeitet und verdichtet.

Schließlich noch die „rechte Klammer“ dieses Abends: Schuberts Fantasie in f-Moll. Hier gelingt es Gililov und An (auch nach der Pause wieder mit einem Platzwechsel nach jedem Stück) meisterhaft, den ahnungsvollen Sog dieses Werks passend herüberzubringen. Das Lauernd-Spannungsvolle der Fantasie springt einen geradezu an – sehr gelungen!

Mit zwei ungarischen Tänzen geht es bei den Zugaben noch einmal zu Brahms zurück. Hier geben die beiden Pianisten wirklich dem Affen Zucker und lassen diese weltbekannten Gassenhauer von der Leine, dass es eine reine Freude ist. Beschwingt verlässt ein restlos begeistertes Publikum den Saal.

Klassik-begeistert.de-Autor Guido Marquardt hatte im Anschluss an das Konzert Gelegenheit, mit Pavel Gililov und Jongdo An über den Abend und über die „Klangakademie“ zu sprechen.

https://www.klangakademie-hamburg.de

Klassik-begeistert: Warum haben Sie sich für dieses Konzert gerade für vierhändige Werke entschieden? Und was macht das vierhändige Spielen so besonders?

Gililov: Für mich ist mittlerweile das zweihändige Spielen beinahe etwas langweilig geworden. Bei zwei Menschen ist viel mehr Leben und Dynamik im Spiel. Vierhändig ist es wesentlich anspruchsvoller, man muss eine ähnliche Phrasierung finden und sich noch stärker mit dem Instrument und über das Instrument verbinden. Wir haben entsprechend die Programmfolge auch so gestaltet, dass der Energiefluss passt, mit den beiden Schubert-Werken als bewusst gesetzter Klammer.
An: Ich habe Professor Gililov ja am Mozarteum als Lehrer kennengelernt. Es hat gedauert, bis ich ihn richtig verstanden habe – er fand meinen Ansatz anfangs zu technisch und sagte, „du hast nur Klavier gespielt – aber wo ist DEINE Stimme?“ Es hat gedauert, bis ich die Demut und Sensibilität entwickelt hatte, um das aufzunehmen und umzusetzen. Seitdem ist die Verbindung nie abgerissen und es ist für mich eine große Freude und Ehre, nun gemeinsam mit ihm zu spielen.

Klassik-begeistert: Wie ist das eigentlich mit den praktischen Herausforderungen des vierhändigen Spielens; wie entscheidet sich, wer sozusagen „das Kommando“ hat?
Gililov: Das ist im Grunde ein fließender Übergang und hängt von den Stücken ab. Es gibt immer so etwas wie „Eckpunkte“, an denen das übergeben wird. Der Pedaleinsatz ist stark reduziert, das ist definitiv ein Unterschied.

Klassik-begeistert: Sie starten nun in die viertägige „Klangakademie“. Was ist die Zielsetzung für die Teilnehmer und wie setzt sich die Gruppe zusammen?
An: Wir haben jetzt den zweiten Durchgang dieser Akademie. Wir haben Nachwuchspianistinnen und –pianisten mit ganz unterschiedlichem Erfahrungshintergrund – manche bereiten sich auf Prüfungen vor, andere möchten ihr Ausdrucksvermögen erweitern, einige sind weiter als andere …
Gililov: … man kann auf jedem Niveau noch dazulernen. Manchmal ist es einfach gut, ein paar neue Impulse zu erhalten.
An: Entsprechend wichtig ist es uns auch, dass die Instrumentenkunde ihren Platz im Kursus erhält. Am Mozarteum habe ich damals ein Klavierbauseminar belegt und habe dort auch gelernt, welche Möglichkeiten der Feinabstimmung man durch den intensiven Austausch mit dem Klavierstimmer hat. Danach war meine Verbindung mit dem Instrument eine wesentlich engere.
In der „Klangakademie“ bieten wir neben dem Unterricht allen Teilnehmern großzügige Zeitfenster, um an Steinway-Flügeln in bestem Wartungszustand zu üben. Das wird durch unsere Kooperation mit der Klangmanufaktur ermöglicht, wo man sich auf Restaurierung und Wartung dieser Instrumente spezialisiert hat. Werkstatt- und Abschlusskonzerte runden das Programm ab.
Gililov: Auch für mich ist ein solcher Kursus übrigens sehr erfrischend und belebend. Wie gesagt: Man kann auf jedem Niveau noch dazulernen.

Klassik-begeistert: Apropos Steinway: Dieser Hersteller dominiert ja die internationale Konzertszene. Ist die damit verbundene Normierung nicht auch ein Stück weit verengend, was die vorherrschenden Klangbilder und Spielweisen betrifft?
Gililov: Steinway hat einen wunderbaren, satten Klang; das sind schon tolle Instrumente. Aber mir war es immer wichtig, dass man die unterschiedlichen Charakteristiken der verschiedenen Hersteller kennenlernt und auch ein Stück weit beherrscht. Ein Bösendorfer-Flügel reagiert wesentlich sensibler und ist schwerer zu spielen. Er gehört für mich auch ein wenig zur Tradition des Klassik-Lands Österreich – so wie ich wiederum in Berlin gern auf einem Bechstein-Flügel spiele. Und auch die Erfahrung mit historischen Instrumenten vermittelt einem Erkenntnisse und Fertigkeiten – zum Beispiel die, dass Lautstärke niemals das Gefühl ersetzt.

Klassik-begeistert: Viel wurde ja in der letzten Zeit über die Akustik im Großen Saal der Elbphilharmonie gesprochen. Wie ist diesbezüglich ihre Einschätzung zum Kleinen Saal mit seiner Eichenholzauskleidung?
Gililov: Bei den Proben haben wir die Akustik nicht wirklich verstanden. Aber mit Publikum hat es dann sehr gut funktioniert! Das Klangbild ist eher neutral.

Klassik-begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit der „Klangakademie“!

Guido Marquardt, 17. April 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert