Zubin Mehta und die Wiener Philharmoniker geben eine Lehrstunde an Subtilität

Pinchas Zukerman und Zubin Mehta  Wiener Konzerthaus, 16. Jänner 2025

Zubin Mehta © Co Merz

Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Violine und Orchester in G-Dur KV 216

Anton Bruckner: Symphonie Nr. 9 in d-moll

Pinchas Zukerman, Violine
Wiener Philharmoniker
Zubin Mehta, Dirigent

Wiener Konzerthaus, 16. Jänner 2025

von Herbert Hiess

Zubin Mehta, der demnächst 89 Jahre alt wird, ist in Wien eine Institution. Er studierte in Wien, spielte sogar bei den Niederösterreichischen Tonkünstlern Kontrabass und ist schon seit Jahrzehnten „Stammdirigent“ der Philharmoniker. War er bis vor gar nicht so langer Zeit mehr ein Show- und Event-Dirigent und eher oberflächlich, wird er jetzt zu einem phantastischen Interpreten, wie man ihn sich schon früher gewünscht hätte.

War man schon durch dieses Konzert im März des Vorjahres fasziniert (Martha Argerich, Klavier, Wiener Philharmoniker, Dirigent Zubin Mehta Konzerthaus Wien, Großer Saal, 20. März 2024 – Klassik begeistert), konnte Mehta dieses Mal wieder mit den Philharmonikern eins draufsetzen.

Zubin Mehta und Klaus Mäkelä haben erstaunlich viele Parallelen. Beide (Mehta damals) jung und gut aussehend, faszinierten sie das Publikum. Das bedeutete rasch viele Plattenverträge, man stellte sie vor die besten Orchester und schickte sie dann kreuz und quer durch die Welt.

Sie eigneten  sich in kürzester Zeit ein riesiges Repertoire an und  dirigierten oft mehr „a prima vista“ (also vom Blatt) und blieben zumeist an der Oberfläche. Wobei Mehta Mäkelä voraus hat, dass er auch Opern dirigiert – und das sehr gut sogar. Leider halt da auch oft musikalisch sehr an der Oberfläche. Musikalischer Tiefgang war so Mehtas Sache nicht.

Das muss man auch Klaus Mäkelä nachsagen. Sein offenbar gnadenloses Management hat ihm einen beinahe unmenschlichen Terminplan aufgehalst und lässt ihn pausenlos durch die Welt touren. Offenbar an Ermangelung von anderen Alternativen wurde er sogar zum Chefdirigenten des Chicago Symphony Orchestras ernannt, was derzeit wie ein Abstieg für das Orchester klingt. Nach Fritz Reiner, Sir Georg Solti und zuletzt Riccardo Muti – ob das wirklich die perfekte Wahl war?

Zurück zum Konzert. Hier konnte man den großartigen Geiger Pinchas Zukerman erleben, der mit bald 77 Jahren auch kein Jüngling mehr ist.

Pinchas Zukerman © Paul Labelle

Gemeinsam mit Zubin Mehta und den Wiener Philharmonikern konnte man hier eine Lehrstunde an Subtilität verfolgen. Großartig wie Mehta, die Philharmoniker und Zukerman die feinsten Nuancen auskosteten. Und immer wieder konnte man hier die feinsten Phrasierungen hören; vor allem im Adagio (übrigens mit einer Kadenz von Daniel Barenboim). Gut, dass man Pinchas Zukerman hören konnte und schade, dass er hier in Wien so selten auftritt.

Anton Bruckners finale Symphonie in d-moll wird von vielen als unvollendet bezeichnet, was genau so ein Unsinn ist, wie Schuberts h-moll Symphonie als „unvollendet“ zu bezeichnen. Bei beiden Symphonien sind die Finalsätze so endgültig, dass hier kein anderer Satz mehr passen würde.

Und genau diese „Endzeitstimmung“ hörte man im Wiener Konzerthaus. Bei Mehta und den Philharmonikern klang dieser Satz wie Bruckners „Schwanengesang“; er komponierte diese Symphonie offenbar angesichts seines nahen Todes. Mehta ließ die Philharmoniker einfach spielen und beschränkte sich auf eine minimale Zeichengebung. Offenbar ließ Bruckner in diesem Finalsatz sein ganzes musikalisches Leben Revue passieren; hier kommt der von ihm verehrte Richard Wagner mit dem Schwertmotiv zu Wort; hier zitiert er passagenweise auch seine Symphonien (deutlich hörbar die 8.). Mehta und die Philharmoniker ließen hier tatsächlich Bruckner, dem „Musikanten Gottes“ eine Grußbotschaft zukommen.

Hervorragend auch Satz 1 und 2; vor allem im Scherzo meißelten das Orchester und der Maestro die Triolen heraus. Schade, dass der Paukist hier viel zu rund spielte – gerade mit der Pauke hätte er das Bild vervollständigen können.

Alles in allem ein großartiger und unvergesslicher Abend. Um noch auf Mäkelä zurückzukommen. Er ist jetzt gerade 29 geworden – also sind 60 Jahre Unterschied zu Mehta.

Hoffentlich lässt uns der finnische Dirigent nicht auch so lange warten, um uns solche musikalischen Ereignisse zu schenken.

Herbert Hiess, 17. Jänner 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

English Chamber Orchestra / Pinchas Zukerman Elbphilharmonie, 5. April 2024

Lise Davidsen, Freddie De Tommaso, Gerald Finley, Zubin Mehta  Staatsoper Unter den Linden Berlin, 6. September 2024

Martha Argerich, Klavier, Wiener Philharmoniker, Dirigent Zubin Mehta Konzerthaus Wien, Großer Saal, 20. März 2024

Yefim Bronfman, Klavier, Zubin Mehta, Dirigent, Berliner Philharmoniker Philharmonie Berlin, 15. Juni 2023

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