2024 Dido&Aeneas © Adrienne Meister
{Henry Purcell, Gabriele Fischetti, Eva Kuhn} »Dido++ & Aeneas++«
Komposition der K.I.-generierten Musik: Gabriele Fischetti, Eva Kuhn
KI x Musik: Ali Nikrang (Seine Programmierung heißt Ricercar und wird vom Ars Electronica Futurelab und der Hochschule für Musik und Theater München weiterentwickelt)
Musikalische Leitung: Kristin von der Goltz
Inszenierung: Waltraud Lehner, Paulina Platzer
Bühne: Stefan Wintersberger
Ausstattung Bühne: Jan Faller
Kostüme: Claudia Karpfinger, Katharina Schmidt
Licht: Pit Schultheiss
Reaktorhalle, München, 20. Oktober 2024
von Frank Heublein
An diesem Abend wird in der Reaktorhalle, einer Aufführungsstätte der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) {Henry Purcell, Gabriele Fischetti, Eva Kuhn} »Dido++ & Aeneas++« aufgeführt. Gabriele Fischetti und Eva Kuhn erweitern die Komposition Henry Purcells mittels KI induzierter Komposition. Die KI schlägt entsprechend durch die Eingaben der beiden – ihrem Prompting – Optionen für den jeweiligen nächsten musikalischen Abschnitt vor. Diese werden als Klavierauszug ausgegeben. Mitunter in mehrfachen Iterationen. Gabriele Fischetti und Eva Kuhn wählen also Optionen des Fortgangs und orchestrieren den ausgegebenen Klavierauszug.
Was für ein musikalischer und inszenatorisch dichter Abend! Mezzo Laura Hemingway ist eine ehemalige Studentin der HMTM, die Dido stimmlich wie schauspielerisch beindruckend wunderbar präsent und äußerst lebendig auf die Bühne bringt. Anna Krikheli als Belinda hat einen strahlenden Sopran. Tenor Moritz Külbs als Aeneas singt präzise und klar. Bariton Tatsuki Sakamoto übernimmt die Rolle der Zauberin. Er hat ein fulminantes Volumen.
Der Chor meist weit oben auf dem Bühnenboden positioniert. Doch auch von dort ist der Gesang gerade auch in den leisen Stellen exzellent, warm und eindringlich. Und in einer Szene plötzlich von rundherum der Zuschauertribüne. Nah. Die Stimmen dringen in mich ein. Effektvoll! Funktioniert in mir!
Ein Genuss ist das Dirigat Kristin von der Goltz’. Manchmal kann ich den Blick nicht auf die Bühne wenden, so fasziniert bin ich, wie sie das Orchester, Chor, manche Einheiten über die vor ihr platzierte Kamera, wie das gesangliche Ensemble leitet. Das Orchester ist klein doch sehr passend für den nicht sehr großen Raum der Reaktorhalle – es passen etwa 150 Zuschauer hier hinein. Hochkonzentriert geht das Orchester zu Werke und erzeugt überragende musikalische Dichte. Die kleine Reaktorhalle erzeugt eine Nähe und gerade dadurch intensives Erleben.
Manchmal erkenne ich „das ist jetzt nicht von Purcell“. Manchmal denke ich, dass die KI induzierte Komposition bestätigt, wie nah Purcells Barockmusik an zeitgenössischen Klängen ist. Insgesamt erreichen Gabriele Fischetti und Eva Kuhn eine großartige musikalische Homogenität: es passt ineinander. Das Verweben ist den beiden KomponistInnen zusammen mit der KI Unterstützung absolut gelungen. Denn eins ums andere Mal überrascht mich der Klang eines Abschnitts. Hält mich in Spannung und Aufmerksamkeit.
Die Bühne ist klug – und nachhaltig, wie das Programmheft verrät. Vier Guckkästen mit Zugängen hinten, außen und der Mitte. Und gut gefaltete Umzugskisten. Wenig aber alles, was gebraucht wird, um die Stimmen zum Leuchten zu bringen und die Handlung in das ebenfalls gut gesetzte Licht zu setzen.
Was für ein großartiger Abend. Stimmig. Musikalisch auf sehr hohem Niveau. Ein großer Genuss. Ich freue mich, diese Musiker und Musikerinnen auf dieser wie auf größeren Bühnen wiederzusehen und zu hören.
Frank Heublein, 21. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Weitere Aufführungen
Dienstag, 22. Oktober ’24 19:00 Uhr
Donnerstag, 24. Oktober ’24 19:00 Uhr
Samstag, 26. Oktober ’24 19:00 Uhr
Sonntag, 27. Oktober ’24 19:00 Uhr
Besetzung
Dido: Laura Hemingway
Belinda: Anna Krikheli
Second Woman: Antonia Modes
Aeneas: Moritz Külbs
A Sorceress: Tatsuki Sakamoto
First Witch: Olga Surikova
Second Witch: Madeleine Maier
First Sailor: Noam Sabag Lahat
A Spirit: Florian Eschelmüller
Chor:
Sopran: Annika Leberle, Sarah Oei, Theresa Sauro, Milena Schex, Clara Suckart, Anna Wlasiuk
Alt: Jessica Burckhardt, Anna Helfer, Regina Lederer, Miriam Ruhstorfer, Lilith Schart, Laura Schlappa, Theresa Ulbricht
Tenor: Simon Bauer, 5ören Decker, Peter Dirscherl, Jonas Dorn, Rodolfo Focarelli, Luca Lepore, Maximilian Stoll, Bälint Szabö-Veress
Bass: Bastian Bachleitner, Moritz Bergmann, Simon Brüninghaus, Felix Jall, Elias Kolz, Yannick
Lunkenheimer, Lukas Mayr, Lukas Petraska, Matthias Widmann
Orchester:
Violine 1 KM: Aida Perez Luquerna, Galatea Flassig, Charlotte Kohl
Violine 2 Manuel Almeida Castro, Valentina Toni, Judith Weidendorfer
Viola Celine Eberhardt, Ophelia Flassig
Violoncello Julian Weiß
Viola da Gamba Benedikt Wagner
Violone Vanessa Lorenz
Fagott Saki Sugawara
Oboe Markus Bartholome, Corinna Jöbstl
Blockflöte Nataliia Pavliv
Laute/Theorbe/Gitarre Sophie Esterbauer, Maryna Kitashkina
Cembalo Marie Dumas, Veronika Sazonova
Soundpainting – ensemble oktopus Reaktorhalle, München, 12. Januar 2024
„Verbindung“ – Konzert anläßlich 20 Jahre ensemble oktopus Reaktorhalle, München, 08. Februar 2023
Ich konnte damit nichts anfangen. Welche Musik ist von der KI? Die dissonanten Klänge zwischen den Barocknummern? Es gab keine Erklärungen. Nichts. Solisten und Orchester waren super, aber was das mit KI sollte – ein Rätsel.
Klaus
Lieber Klaus,
die Erschafferinnen nennen die hinzukomponierte Musik Inseln. Es gab vier solcher Inseln. Die Oper ist nur in unvollständiger Form überliefert. Insofern – so verstehe ich das – wurden die „Lücken“ geschlossen und diese hier sogenannten Inseln hinzukomponiert unter Einsatz von KI. Ein für mich inhaltlich nachvollziehbarer Impuls. Für mich gehört es zum Wesen der Kunst, etwas Neues auszuprobieren zu wollen. Hier: was die KI zu einer Komposition beitragen kann.
Viele Grüße
Frank Heublein