Foto: © Monika Rittershaus
Hamburgische Staatsoper
25. September 2019
Richard Strauss, Ariadne auf Naxos
von Ulrich Poser
Dieser Abend war rundherum ein Hochgenuss!
Schon mit den ersten Orchestertönen dieser Oper in einem Aufzug ließ Kent Nagano absolute Präzision, höchste Dynamik und jede Menge des notwendigen Wiener Streicherklangs aus dem Orchester in das gut besetzte Haus an der Dammtorstraße verströmen. Dank des sehr gut disponierten (kleinen) Orchesters wurde so orchestrale Magie geschaffen.
Die irre Handlung ist bekannt: Der reichste Wiener Neureiche verlangt in letzter Sekunde, dass zwei für sein Fest bestellte Aufführungen, ein Trauerstück und eine Komödie, aus Zeitgründen gleichzeitig aufgeführt werden.
Da für diese Produktion Bühnenkarten angeboten wurden (nach der Pause dürfen 20 Besucher als Statisten auf der Bühne in einem Theater sitzen), konnte sich der Rezensent persönlich von der besonderen Klasse von Herrn Nagano überzeugen. Dieser Maestro fuchtelt nicht wie viele andere seiner Kollegen wie besessen sinnlos herum; auf das überdrehte Ego-Windrad wartet man bei ihm vergebens. An seinem Dirigat kann man erkennen, dass er nicht selbstdarstellerisch agiert, sondern allein, um Orchester und Sänger zu führen und Kunst zu schaffen. Und diese schafft er! Jeder Sängereinsatz wird von ihm mit Hundertstel-Sekunden-Präzision und Blickkontakt deutlich erkennbar vorgegeben; die Sänger werden ihn gerade bei dieser mörderisch schweren Partitur der Ariadne alleine dafür lieben.
Maßgeblichen Anteil des an diesem Abend geschaffenen Gesamtkunstwerks hatte der populäre Konzertmeister Konradin Seitzer. Dieser Weltklasse-Violinist (vor Kurzem wurde er als Solist des mendelssohnschen Violinkonzertes in der Elbphilharmonie stürmisch gefeiert) verzauberte mit den von Richard Strauss komponierten artifiziellen Wiener-Kaffeehaus-Einlagen das gesamte Haus auf höchstem Niveau. Möge er noch lange Konzertmeister bleiben und nicht flügge werden.
Die Sängerbesetzung war rundherum erstklassig. Anaik Morel sang den in Zerbinetta verliebten Komponisten glasklar und souverän mit wunderschönem Sopran. Der Musiklehrer von Martin Gantner überzeugte mit einem starken Bariton, hoher Textverständlichkeit und professionellem Schauspiel.
Die Partie der Zerbinetta dürfte eine der schwersten des Genres überhaupt sein. Die aus Russland stammende Sofia Fomina bewältigte diese Herausforderung überwiegend mit Bravour und lieferte teils Spitzentöne jenseits des Vorstellbaren. Die zwei kleinen Ausrutscher erinnerten daran, dass es sich bei Frau Fomina um einen Menschen aus Fleisch und Blut handelt. Am Ende großer verdienter Jubel für sie.
Bejubelt wurden auch Stephen Gould und die finnische Primadonna Camilla Nylund. Letztere zurecht: Sie gab eine mondäne, stimmstarke und rundherum (stimmlich und schauspielerisch) überzeugende Ariadne. Insbesondere in den leiseren Passagen machten ihre in den Saal gehauchten Piani klar, dass hier eine Sängerin der ersten Riege gastiert. Zu einer solchen Dynamik ist nur eine echte Primadonna fähig.
Der Bayreuther Dauertristan und Neutannhäuser Stephen Gould bot von Anfang an einen stimmstarken Bacchus. Allerdings musste er hie und da ein wenig mogeln. Vor allem bei den ganz hohen Tönen. Vielleicht sollte er seiner Stimme zwischendurch ein wenig Erholung gönnen…
Alles in allem ein Abend der Superlative. Der Rezensent geht am nächsten Sonntag noch einmal in die gleiche Aufführung!
Ulrich Poser, 26. September 2019, für
klassik-begeistert.de