Das Ariadne-Ensemble nach der Vorstellung, rechts neben Kent Nagano (musikalische Leitung) Jamez McCorkle (Bacchus) und Ella Taylor (Komponist), links neben ihm Nadezhda Pavlova (Zerbinetta) und Anja Kampe (Ariadne) (Foto: RW)
Anja Kampe sang die Ariadne mit großer, auch noch in der Mittellage voll und schön klingender, weit in den Raum tragender Stimme. Sie bewegte mit ihrem unmittelbar nachvollziehbaren Schicksal die Herzen der Zuschauer. Nadezhda Pavlova war als Zerbinetta das andere Pfund, mit dem diese Aufführung wuchern konnte.
Ariadne auf Naxos
Oper in einem Vorspiel und einem Aufzug
Text: Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: Kent Nagano
Inszenierung und Bühnenbild: Dmitri Tcherniakov
Kostüme: Elena Zaytseva
Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2025 PREMIERE
von Dr. Ralf Wegner
Neben den bereits von Tcherniakov inszenierten, echten Familiendramen Elektra und Salome beschließt er seine Strauss-Trilogie erneut mit einem Familienstück. Im Mittelpunkt stehen diesmal der Musiklehrer mit seiner Tochter Ariadne sowie seine Schwester Najade und deren Tochter Zerbinetta. Zerbinetta ist demzufolge eine Cousine Ariadnes. Theseus fungiert als sein Schwiegersohn, Bacchus als neuer Freund der Nichte Zerbinetta.
Weitere Figuren wie der Komponist sowie die Komödianten Harlekin, Scaramuccio, Truffaldin und Brighella sind oder waren Studenten des Musiklehrers. Dryade und Echo scheinen etwas entferntere Verwandte zu sein. So jedenfalls ist es dem Programmheft zu entnehmen.
Tcherniakovs Umdeutung der Handlung überzeugt
Das Bühnenbild ähnelt im Wesentlichen jener aus Elektra und Salome, es handelt sich offenbar um großbürgerliche Wohnräume in demselben Haus, diesmal in violett und golden gehalten. Die miteinander verwandten und bekannten Personen feiern dort die Silberhochzeit von Ariadne und ihrem Gatten Theseus. Letzterer wird von dem Schauspieler Wolfram Koch gemimt und gesprochen, ihm obliegt auch die Aufgabe, den sonst üblichen Haushofmeistertext vom Blatt abzulesen.
Ob es sich dabei um eine Persiflage handelt oder ob der reiche Gönner des Abends im selben Haus wohnt, mag jeder für sich entscheiden. Jedenfalls erliegt Theseus am Ende des Vorspiels einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt, und das gewünschte Mischstück aus Drama und Komödie kommt nicht mehr zur Aufführung.
Das macht Sinn, denn zweit Tage später sieht man Ariadne in ihrer eigenen Wohnung neben ihrem aufgebahrten Ehemann in Trauer versinken.
Monate später trauert Ariadne immer noch. Ihre Verwandtschaft, voran Cousine Zerbinetta, beschließt sie aufzuheitern, was zunächst misslingt. Schließlich bringt sie ihren ehemaligen Freund Bacchus ins Spiel, zunächst wie Theseus gekleidet.
Ariadne erblickt ihn als ihren Ehemann, durchschaut aber das Spiel und lässt sich vom improvisierenden Bacchus in ihrer Todessehnsucht bekräftigen. Aus Spiel wird bei Bacchus Leidenschaft. Theseus im Herzen gelingt Ariadne der Weg zurück in die diesseitige Welt.
Ariadnes nicht mehr ins Mythologische gehobener Schmerz ergreift
Tcherniakov bewegt mit seiner Interpretation, Ariadne als leidgeprüfte, trauernde Witwe darzustellen. In vorhergehenden Inszenierungen war die Trauer der von Theseus verlassenen Ariadne doch stark in das Mythologische verschoben und wirkte langweilig. Man wartete geradezu auf die große Arie der Ariadne Es gibt ein Reich und jene an die Großmächtige Prinzessin gerichtet von Zerbinetta.
Wenn schließlich Sängerinnen wie Margaret Price mit ihrer warmherzigen, weit in den Raum strahlenden und farbreichen Glanz verströmenden Stimme auftraten oder Edita Gruberova sich in Zerbinettas Koloraturen verewigte, war jede Ariadne-Aufführung dank der gesanglichen Leistungen gerettet.
Anja Kampe als Ariadne und Nadezhda Pavlova als Zerbinetta bürgen für das hohe Niveau der gesanglichen Leistungen
Anja Kampe sang die Ariadne in der jetzigen Tcherniakov-Aufführung mit großer, auch noch in der Mittellage voll und schön klingender, weit in den Raum tragender Stimme. Daneben gab sie der Trauer um ihren so plötzlich nach der Silberhochzeit verstorbenen Mann emotional auch stimmlich genügend Ausdruck. Sie bewegte mit ihrem unmittelbar nachvollziehbaren Schicksal die Herzen der Zuschauer.
Nadezhda Pavlova war als Zerbinetta das andere Pfund, mit dem diese Aufführung wuchern konnte. Mit lyrischem Schmelz und schönem Legato umwarb sie den Komponisten und beeindruckte in ihrer großen Arie mit klaren Koloraturen sowie großem Spieltalent das Publikum. Der Komponist wurde von der Sopranistin Ella Taylor gesungen. Aus der Ferne war ihr eher heller, manchmal herber Stimmklang nicht immer von jenem der ausgeglichener singenden Zerbinetta zu unterscheiden, der Stimme Taylors fehlte es für mein Empfinden an dunklerer Klangfarbe, über die auch als Komponist besetzte Mezzosopranistinnen verfügen.
Die Begleiterinnen Ariadnes sangen ausgezeichnet. Vor allem überzeugte Olivia Warburton mit ihrem klaren klangvollen Sopran als Najade, aber auch Aebh Kelly und Marie Maidowski füllten die Partien von Dryade und Echo voll aus.
Ein Wort zu den von Strauss vernachlässigten männlichen Sängern
Was soll man zu den männlichen Sängern sagen, sie sind bei Strauss häufig mehr oder weniger schmückendes Beiwerk. Und wer sich für die hoch gelegene Partie des Bacchus erwärmt, ist schon allein deswegen zu loben. Selbst Sänger wie René Kollo oder Peter Hofmann hinterließen als Bacchus nicht nur begeisterte Bewunderung. Johan Botha überzeugte allerdings hier 2013 mit dieser Partie und zuletzt Stephen Gould 2019 (mit Camilla Nylund als Ariadne).
Insoweit war der letztes Jahr in Washington als Florestan und in diesem Sommer in Santa Fe als Siegmund besetzte US-amerikanische Tenor Jamez McCorkle eine gute Wahl, Zunächst schien er stimmlich nicht ganz durchzudringen. Er musste seine Circe Rufe allerdings auch aus dem Hintergrund des Bühnenbildes singen. Später konnte er sich mit seiner bronzefarbenen Stimme und schönem Legato besser durchsetzen.
Die Orchesterleistung wurde vom Publikum unterschiedlich beurteilt
Kent Nagano erhielt für sein Dirigat nicht nur Zuspruch beim Publikum, ob zu Recht oder zu Unrecht, vermag ich aus der 23. Reihe heraus nicht genügend zu beurteilen, wir saßen unter dem Überhang des 1. Rangs, bis dorthin trugen zwar die Stimmen der Sängerinnen und Sänger, aber weniger der Orchesterklang.
Insgesamt war es eine inszenatorisch und gesanglich beeindruckende Aufführung an der Hamburgischen Staatsoper, der großer Publikumszuspruch zu wünschen ist.
Dr. Ralf Wegner, 27. Januar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Ariadne auf Naxos Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2025 PREMIERE
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