Andreas Schager versetzt das Wiener Publikum in Begeisterungsstürme

Richard Strauss, Daphne,  Wiener Staatsoper

Foto © Michael Pöhn
Richard Strauss, Daphne
Wiener Staatsoper, 4. Dezember 2017
Andreas Schager Apollo
Regine Hangler Daphne
Dan Paul Dumitrescu Peneios
Janina Baechle Gaea
Benjamin Bruns Leukippos
Simone Young Dirigentin
Nicolas Joel Regie
Pet Halmen Ausstattung
Renato Zanella Choreografie

von Jürgen Pathy

Wieder einmal hat die Wiener Staatsoper für ausverkaufte Ränge trotz eines nicht so einfach verdaulichen Werks gesorgt, das nicht unbedingt zu den Gassenfegern zählt. Seit Beginn der Ära des Elsässers Dominique Meyer im Jahre 2010 erfreut sich das Haus stetig wachsender Besucherzahlen. Der Hauptgrund für den Besucherstrom am Montagabend war ein Sänger, der seit geraumer Zeit in aller Munde ist: der österreichische Heldentenor Andreas Schager.

Die ästhetische und stimmige Inszenierung von Richard Strauss‘ Oper „Daphne“ stammt aus dem Jahr 2004 von Nicola Joel und dem ehemaligen Ponelle-Mitarbeiter Pet Halmen. Die beiden haben das griechisch-mythische Ambiente dieses Werks in die neoklassizistische Münchner Villa des Malerfürsten Franz von Stuck verschoben – in die bayerische Heimat des Komponisten, der am 11. Juni 1864 in Garmisch-Partenkirchen geboren wurde.

Im Zentrum der Bühne liegt Daphne, auf einer klassisch-schlichten Jugendstil-Bank frönt sie ihren Tagträumen. Stillschweigend sitzt eine männliche Gestalt am Bühnenrand, beobachtet die Szenerie, wandert gelegentlich beschaulich herum und verschwindet nach einer Weile aus dem Blickfeld. Der Anblick erinnert ein wenig an eine Freud’ sche Psychotherapie. Des Rätsels Lösung um die Identität des mysteriösen Fremden wird erst später geklärt werden.

In der Titelrolle überzeugt das Ensemblemitglied Regine Hangler mit einem glanzvoll strahlenden Auftritt. Die oberösterreichische Sopranistin brillierte in dieser Rolle schon in Berlin unter Marek Janowski und in New York unter Franz Welser-Möst. Betörend schön singt sie – soweit die Rolle es hergibt – die jungfräuliche Daphne, die das Liebeswerben des göttlichen Apollos zurückweist und letztendlich in einen Lorbeerbaum verwandelt wird. Vor allem im letzten Drittel beschenkt Richard Strauss das Publikum mit ihrem bezaubernd romantischen Gesang.

Mit dem Apollo schrieb der deutsche Komponist eine beinahe unüberwindbare Tenor-Rolle! Bereits bei der Wiederaufnahme des Werks an der Wiener Staatsoper im Dezember 2011 (Dirigent: Semyon Bychkov) rezensierte die Kritik voller Ehrfurcht: „Apollo ist an der Grenze des Unsingbaren. Erst mit Johan Botha, fand sich eine Heldenstimme, die imstande ist, die endlosen Phrasen mit ihren schier unzähligen hohen Bs und Hs nicht nur achtbar zu bewältigen, sondern geradezu belkantesk zu gestalten.“

Der legendäre südafrikanische Tenor Johan Botha verstarb am 8. September 2016 an einem Krebsleiden und beinahe auch die Hoffnung auf einen ebenbürtigen Apollo-Tenor mit ihm, aber mit dem in Wien lebenden Andreas Schager strahlt nun ein würdiger Nachfolger von der Bühne des Hauses am Ring! Die französische Heroldsformel „Le roi est mort, vive le roi“ (Der König ist tot, lang lebe der König) kann passender kaum sein.

Der gebürtige Niederösterreicher ist die Idealbesetzung für diese Heldenrolle par excellence. Es ist keine lyrische Partie, keine, die gespickt ist von harmonischen Arien, die das Publikum dahinschmelzen lassen. Viel mehr lässt diese Partie den Zuschauer vor Ehrfurcht erstarren, vor der gewaltigen Leistung des Andreas Schager, der die unzähligen Hürden dieser unmenschlichen Rolle scheinbar locker bewältigt und den teilweise brachial erklingenden Orchestergraben mit seiner Stimme mühelos durchbricht. Bleibt nur zu hoffen, dass Schagers goldene Kehle bei diesen unfassbaren Torturen keinen Schaden nimmt. Seit er 2014 in Berlin als Siegfried in Richard Wagners „Götterdämmerung“ unter Daniel Barenboim brillierte, ist er als Wagner-, Strauss- und Fidelio-Tenor nicht mehr von den großen Bühnen wegzudenken. Lang lebe König Andreas! Er war es übrigens, der zu Beginn stumm auf der Bühne umherschlich.

Am Pult steht die australische Dirigentin Simone Young. Der Kapellmeisterin bei der Arbeit zuzusehen, ist ein wahrer Augenschmaus: exakt gibt sie den Sängern die Einsätze und ihre fließend rhythmischen Handbewegungen sind ein Traum für jeden Ästheten. Hier hat die 56-Jährige im Juni 2010 das Abschiedskonzert für den scheidenden Direktor des Hauses Ioan Holender dirigiert –im Staraufgebot an jenem Abend auch ein Johan Botha.

Einziger Kritikpunkt: Zu Beginn übertönt das Weltklasse-Ensemble der Wiener Philharmoniker den aus Bukarest stammenden Dan Paul Dumitrescu einige Male – es liegt jedoch nicht nur am Orchester: der 51-Jährige kann in der Bass-Rolle des Peneios einfach nicht mithalten. Viel besser gefällt an diesem Abend die Mezzosopranistin Janina Baechle in der Rolle der Gaea.

Das Ensemblemitglied Benjamin Bruhns gibt einen guten aber keinen glänzenden Leukippos, der um die Gunst der Daphne kämpft und von seinem Widersacher Apollo getötet wird. Als Don Ottavio in Wolfgang Amadeus Mozarts „Don Giovanni“ hat der Tenor in dieser Saison schon überzeugender gesungen.

Mit der betörend schönen Schlussarie „Ich komme; ich komme, grüne Brüder…“ wird die Titelheldin Daphne von einem golden glänzenden Baumstumpf umhüllt und verschwindet letztendlich zur Gänze unter der Baumkrone, die von oben herabschwebt. Noch während der Vorhang fällt und der letzte Ton zart entschwindet, füllt sich der Saal mit tosendem Applaus. Gefolgt von lautstarkem Jubelgeschrei und unzähligen Bravi für Andreas Schager und Regine Hangler.

Kleine Randnotiz: Am Dach des maestro suggeritore, dem Souffleur, hielt eine Plüschkatze die ganzen 105 Minuten lang liegend Wache. Erst nachdem der Vorhang fällt, muss sie ihren Platz räumen.

Am Ende bleibt die Trauer, dass es schon wieder vorbei ist! Hat doch der Zauber gerade erst begonnen in dieser bukolischen Tragödie aus dem Jahre 1937, einer Zusammenarbeit Richard Strauss’ mit dem österreichischen Schriftsteller Joseph Gregor – nach dem Tod des Librettisten Hugo von Hofmannsthal und der Emigration von Stefan Zweig aus Nazi-Deutschland war es die zweite von drei wenig harmonischen Kooperationen.

Für alle, die den „besten Heldentenor“ (Ioan Holender) an der Wiener Staatsoper erleben möchten, bieten sich folgende Termine an: am 7. Dezember 2017 in „Daphne“; ab 11. Juni 2018, im „Freischütz“ von Carl Maria von Weber.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 5. Dezember 2017, für
klassik-begeistert.at

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert