Foto: Thies Rätzke (c)
Elbphilharmonie Hamburg, Elbphilharmonie Sommer 2018, 18. August 2018
Der Rosenkavalier, Stummfilm nach der gleichnamigen Oper von Richard Strauss
Musik eingerichtet von Thomas Kemp
Mitglieder der Berliner Philharmoniker
Dirigent: Raphael Haeger,
Filmuraufführung: 1925
Regie: Robert Wiene
Ein Gastbeitrag von Teresa Grodzinska
Karg sieht der Große Saal der Elbphilharmonie an diesem Abend aus: um die Filmprojektion zu ermöglichen, wurde ein Teil der Publikumsreihen durch eine Leinwand verdeckt. Dahinter sitzt natürlich kein Mensch, rechts und links klaffen ein paar tote Stuhlreihen bis zur Decke. Na ja…
Das Amphiteater bewirkt, dass der Dirigent Raphael Haeger für die Hälfte des Publikums nicht mit Rücken zu genießen ist.
Das Orchester, besser gesagt das Ensemble, bestehend aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker, überraschend überschaubar: wo Strauss sich 100 Musiker wünschte, sitzen hier ganze 13. Hendrik Heilmann bedient sowohl Klavier wie Cembalo, Heike Gneiting Harmonium und Celesta. Harfe gibt es gar nicht, Strauss hat davon zwei eingeplant. Minimalismus? Neues Geschäftsmodell? Sparmaßnahmen?
Das Konzert ist ausverkauft. Der Saal zu Dreiviertel wegen der Leinwand gefüllt; die Zuschauer an den Rändern sehen zwar den Dirigenten en face, dafür die Handlung auf der Leinwand wohl im Profil. Gäbe es eine Pause – würde ich meine “Profil-Theorie” prüfen wollen. Die Pausen (eigentlich zwei) wurden gestrichen…
Der Dirigent verfolgt die Filmhandlung auf dem Laptop. Sein Dirigat richtet sich nach dem Schnittrhythmus des Films. Da ich die Originalfassung der Oper (Untertitel im Vorspann: „Komödie mit Musik”) nicht kenne, beurteile ich die Übertragung nicht. Ein Opernkenner vertraute mir im Nachhinein: „Ich habe nicht auf dieses Bettlaken da oben geguckt, sondern der Musik gelauscht.”
Mir ist dieses Kunststück keineswegs gelungen. Ich schaute auf die Leinwand, las Zwischentexte und vergaß dabei völlig die Musik. Natürlich nicht völlig. Die Musik von Richard Strauss ist so komplex und bunt, dass sie sich nicht vergessen lässt. Die Elbphilharmonie, bekannt für höchsten Musikgenuss, tat sich mit diesem Abend keinen Gefallen. Der Kleine Saal wäre vielleicht eine bessere Wahl gewesen…
Wirklich interessant wurde es erst am Ende des dritten (und letzten) Aktes. Dort riss nämlich die flüssige Bilderzählung. Die letzte Filmrolle, die erst 2006, 80 Jahre nach der Uraufführung der Oper gefunden wurde, ist zwar so gut wie möglich restauriert – das ZDF und Arte gaben sich Mühe – aber man merkt die Not der Cutter… Die letzten fünf Minuten müssen Standbilder herhalten. Es kam auch zu komischen Missverständnissen: auf der Leinwand wird gesungen und getrommelt – das Orchester spielt Wiener Walzer.
Alles in allem war dieser Abend eine „interessante Erfahrung”. Wie das Publikum die Premiere des Films 1925 aufnahm, können wir nur ahnen. „Als die Bilder laufen lernten”, war jedes Ereignis, bei dem man sich bewegende Menschen sah, ein epochales . Da “Der Rosenkavalier” sich ununterbrochen einer immensen Popularität im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus erfreute (es gab sogar eine Zigarettenmarke “Rosenkavalier”), sprangen Strauss und Wiene auf den Stummfilm-Zug.
Für Cineasten wie mich war es auch ein nostalgischer Abend. Eine Verbeugung vor den Anfängen der Filmkunst, die auf seinem Höhepunkt “Amadeus” von Milos Forman brachte. Wie es Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal (Libretto) gefallen hat, fand ich in keiner der Quellen, die mir zu Verfügung standen.
Strauss wollte eigentlich den Namen des Barons Ochs von Lerchenau, ein adliger Trottel, auf dem Plakat stehen haben. Seine Frau war dagegen; sie fand den Titel “Der Rosenkavalier” hübsch und unverfänglich. Was macht ein kluger Ehemann? Er gibt – Teufel noch mal! – nach.
Teresa Grodzinska, 21. August 2018, für
klassik-begeistert.de