Archivfoto: Nadine Sierra (Sophie), Michèle Losier (Octavian) und Ensemble
© Ruth Walz
Gespielt und gesungen wird bis in kleinere Rollen hinein trefflich, der Berliner Rosenkavalier bleibt wiedererkennbar, verschont vor frei erfundenen Nebenepisoden und jedwedem Regiemurks.
Richard Strauss/Hugo von Hofmannsthal
Der Rosenkavalier
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: André Heller
Bühnenbild: Xenia Hausner
Kostüme: Artur Arbesser
Staatsoper Unter den Linden, 1. Februar 2025
von Kirsten Liese
Renée Fleming und Sophie Koch, einst ein Traumpaar als Marschallin und Octavian, sind schon Geschichte. Dabei mag es einem vorkommen, als liege ihr letzter gemeinsamer Auftritt gar nicht lange zurück. Die Zeit, die ist eben „ein sonderbar’ Ding“, wie es im Libretto heißt. Aber jede Zeit hat auch ihre Stars. Nunmehr heißen sie Diana Damrau, Emily D’Angelo und Regula Mühlemann.
Es ist 16 Jahre her, dass ich Diana Damrau in einem Rosenkavalier erlebt habe. Damals sang sie die Sophie in Baden-Baden unter Christian Thielemann. Und wiewohl sie weiland die Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“ schon hinter sich gelassen hatte, gelangen ihr zur Rosenüberreichung Töne von überirdischer Schönheit in schwindelerregend hohen Registern.
Wahrscheinlich könnte sie diese Rolle heute noch meistern, aber ihr Wechsel zur Marschallin erscheint doch wesentlich reizvoller, so wie sich Damrau in ihrem eigenen Leben analog zur Sophie von einer jungen zu einer reiferen Frau entwickelt hat. Wie sagte doch Anneliese Rothenberger, ihrer Zeit eine Parade-Sophie, einmal: Wenn man die 50 überschritten hat, passt diese junge Mädchenrolle einfach nicht mehr. Aber nicht aus jeder superben Sophie wird eine ebenso überzeugende Marschallin.
Damrau, D’Angelo und Mühlemann: Die neue Garde
Damrau schon. Mit lyrischem Feinsinn, großer Natürlichkeit, Noblesse und bester Textverständlichkeit philosophiert sie über das Wesen der Zeit, das Alter und Vergänglichkeit.
Der Part der jungen Sophie hat dafür nun in Regula Mühlemann die ideale Interpretin gefunden, eine ebensolch bezaubernde silbrige Glitzerstimme, von der sich gut denken lässt, dass sie auch einmal zur Marschallin vorrücken wird. Ich habe schon lange darauf gehofft und gewartet, die Schweizerin, die mir erstmals 2010 als treffliches Ännchen in Jens Neuberts „Freischütz“-Opernfilm unterkam, einmal an einer Berliner Bühne zu erleben. Endlich ist sie an der Staatsoper angekommen – oder hatte ich sie zuvor hier nur verpasst? – noch dazu in einer prächtigen zartrosa Robe wie eine Prinzessin aus dem Bilderbuch.
Mit der Kanadierin Emily D’Angelo, die vor allem mit zahlreichen Hosenrollen in Barockopern viel Beachtung fand und seitens ihrer schlanken Erscheinung und dem warmen, dunklen Timbre ihres fülligen Mezzos ein wenig an Brigitte Fassbaender erinnert, war auch die Titelrolle bestmöglich besetzt.
Ansprechende Bühne
Die vorerst letzte Vorstellung der wiederaufgenommenen Produktion aus dem Jahr 2020 zeigte bei alledem noch etwas anderes: Wie beglückend Oper sein kann, wenn vom perfekten Ensemble bis zu einer ansprechenden Inszenierung so ziemlich alles stimmt. Auch wenn Xenia Hausners Bühne in André Hellers Inszenierung nicht ganz so prächtig anmutet wie die in der unverwüstlichen legendären Wiener Produktion des unlängst verstorbenen Otto Schenk: Für Grandezza ist schon allein seitens der Kostüme gesorgt.
Und auch der im Stück verankerte Humor blieb nicht aus, gab David Steffens seinen Baron Ochs doch als den liebenswerten Trampel, der Strauss und Hofmannsthal vorschwebte. Plump, aber nicht ordinär macht er dem als angebliches Kammerzofl Mariandl verkleideten Titelhelden Avancen. Und trumpft im Walzer mit einer in jüngerer Zeit selten gehörten, imposanten Tiefe auf, die es ihm ermöglicht, den letzten tiefen Ton scherzhaft noch länger zu halten, als es in den Noten steht.
Einzig das orientalisch anmutende Zelt im letzten Aufzug erklärt sich mir wie zur Premiere vor fünf Jahren nach wie vor nicht, denn eigentlich spielt die „wienerische Maskerad“, eingefädelt von Octavian, um Ochs als Halodri zu entlarven, in einem Beisl. Ein Mehrwert dieser etwas ungewöhnlichen Szene erschließt sich mir nicht.
Aber sei’s drum. Gespielt und gesungen wird bis in kleinere Rollen hinein einfach hinreißend, der Rosenkavalier ist wiedererkennbar, bleibt verschont vor frei erfundenen Nebenepisoden und jedwedem Regiemurks. Die Berliner Staatskapelle musiziert farbenreich und dynamisch nuanciert unter Axel Kober, macht mithin seinem Ruf als exzellentes Strauss-Orchester alle Ehre.
Das Publikum weiß das zu schätzen, feiert alle Mitwirkenden, allen voran das grandiose Damentrio, mit großer Euphorie. Da sieht man, was möglich ist, wenn Oper gut gemacht ist. Das Publikum strömt herbei, geht euphorisch mit und findet gar kein Ende in seinem Jubel. Und kehrt heim in großer Dankbarkeit.
Kirsten Liese, 4. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Der Rosenkavalier Staatsoper Unter den Linden, 19. Januar 2025
Richard Strauss, Elektra (1909) Staatsoper Unter den Linden, 29. Januar 2025