Archivaufnahme: Camilla Nylund (Feldmarschallin Fürstin Werdenberg) © Ruth Walz
Satte Farben zeichnen das Schlafgemach einer reifen Dame und ihres jungen Freundes. Ich betrete eine Welt, die mich schon wegen ihrer geselligen Unterhaltung und ihrer Garderobe einlädt, ein wenig zu verweilen. Und ich ahne, dass in den Salons und Boudoirs hier mehr los sein wird, als ich mir zu Beginn dieser viereinhalb Stunden vorstellen kann.
Der Rosenkavalier
Komödie für Musik in drei Aufzügen
Musik von Richard Strauss und Text von Hugo von Hofmannsthal
Premiere am 09. Februar 2020 an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin
Wiederaufnahme am 19. Januar 2025
Staatskapelle Berlin,
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: André Heller
Staatsoper Unter den Linden, 19. Januar 2025
von Ralf Krüger
Warum trägt in Wien die Gemahlin eines Feldmarschalls, der sich nicht im Krieg, sondern auf der Jagd befindet, den Titel Feldmarschallin? Es ist eines dieser Besonderheiten, die wir Berliner nie verstehen werden. Genauso wie das rätselhafte Verhalten der Kellner in Wiener Kaffeehäusern. Wie macht man’s richtig als Gast? Aber ansonsten lieben die Berliner die Wiener und ihre Geschichten.
Bei der Wiederaufnahme des Rosenkavaliers an der Staatsoper sah man keinen freien Platz in Parkett, Rängen und Erfrischungsräumen. Und jubeln kann es, das Berliner Opernpublikum! Wie eine Riesen-Welle trug es ihre Dankbarkeit von der letzten Reihe bis auf die Bühne empor. Sittsam saß es in ihren Sesseln, klatschte, was die Oberarme hergaben, niemand rannte raus, niemand störte den Jubel, alle feierten das Ensemble, die Chöre, die Solisten. Und Diana Damrau.
„Operette. Wien, Berlin, Paris“ heißt die CD, die sie 2023 herausbrachte und mit der ich sie kennenlernte. Die Art ihres Vortrags gefiel mir und ihr Können, das scheinbar so Leichte spritzig und charmant herüberzubringen, begeisterte mich total. Im Neujahrskonzert der Staatsoper mit Christian Thielemann sah ich sie unlängst mit Brille am Notenständer singen. So menschlich, dachte ich, oder ein Tribut ans Alter? Das ist auch hier ihr großes Thema:
Bis zum 1. Februar 2025 gibt sie an der Staatsoper die Grande Dame im Rosenkavalier, die Fürstin Werdenberg. Ihr militärischer Titel steht auf den Besetzungslisten, aber sie braucht ihn nicht. Denn ihr Schicksal ist es, durch eigene Opferbereitschaft zur Stifterin einer neuen Liebe zu werden, einer ohne Unterschiede in Alter und Stand. Und so erleben wir sie in diesen intimen Momenten eben nicht als Fürstin, nicht als Marschallin, nur als Frau. Im 1. Aufzug mit stimmlicher Größe, im 3. Aufzug mit schauspielerischer Brillanz. Es heißt doch, die Zeit macht vor keinem von uns Halt. Diana Damrau hat uns dies bittersüß in Erinnerung gerufen.
Mit den Worten „Mir ist die Ehre widerfahren, dass ich der hoch- und wohlgeborenen Jungfer Braut…“, beginnt der Hochzeitsbote die feierliche Übergabe der silbernen Rose im Namen eines anderen an dessen Auserwählte. Diese Szene ist an der Staatsoper herrlich eingerichtet worden. So viele Darsteller sind in der nach hinten vergrößerten Bühnenkulisse, einem opulenten Gemälde gleich, Zeugen einer Liebesanbahnung, die später zu viel Tumult und Action führen wird, aber doch die Weichen stellt… Und obwohl das Geschehen schon so wunderschön anzusehen ist, setzt der Komponist dem Ganzen noch die Krone auf.
Es müssen Sphärenklänge sein, war mein erster Gedanke. Sphärenklänge, die der Duden als „fast überirdisch schön empfundene Klänge“ definiert. Klänge, an einer Perlenkette aufgereiht und nach und nach abgespielt. Es würde passen! Aber real werden es Glöckchen sein, die von der Staatskapelle musikalisch verzaubert werden. Vielleicht für die Magie des Augenblicks gedacht, oder doch schon als Hochzeitsglocken? Emily D’Angelo als Octavian und Regula Mühlemann als Sophie weben mit der Staatskapelle einen Klangteppich, der nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen ist.
Ein Österreicher, ein Wiener hat uns Berlinern diesen Rosenkavalier geschenkt. 2020, im Jahr seiner Premiere, konnte André Heller scheinbar noch aus dem vollen schöpfen. Jetzt 2025, nach den Sparplänen des Berliner Senats im Bereich Kultur, ist eine Produktion dieser Größenordnung undenkbar. Genießen wir also dieses Beispiel von gelungenem Musiktheater und empfehlen es gerne weiter.
Ralf Krüger, 20. Januar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Der Rosenkavalier Wiener Staatsoper, 30. März 2024
Richard Strauss, Der Rosenkavalier Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 19. Dezember 2023