Camilla Nylunds Kaiserin siegt auch bei den olympischen Opernfestspielen in San Francisco

Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten  San Francisco Opera, 4. Juni 2023

Foto: Camilla Nylund © Michael Pöhn

Das waren einmal die olympischen Opernfestspiele in San Francisco! Drei Brünnhildes, ein Stolzing, ein Sachs, mit so einer Besetzung kann auch die Frau ohne Schatten triumphieren. Und eine Sängerin bekam am Ende sogar eine Medaille – wortwörtlich.  To my fellow Californians: It’s time to go to the opera!

San Francisco Opera, 4. Juni 2023

Die Frau ohne Schatten
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal

von Johannes Karl Fischer

Über drei Stunden lang sah es ganz nach einem spannenden Fünfkampf in der allerersten Richard Strauss-Liga aus. Doch dann greift die Kaiserin Camilla Nylund zu ihrer schärfsten Wunderwaffe: Ihre endlos fesselnden Triumphzug-Monologe. Eine Stimme, eine Bühne, ein Orchester: Mehr braucht sie nicht, um sich mit ihrer allumschlingender, doch sanfter Leuchtkraftstimme zur omnipotenten Siegerin des Abends zu krönen.

Wie eine warme kalifornische Sonne die Golden Gate Bridge im sommerlichen Schein rot erleuchten lässt, so strahlt Camilla Nylunds Stimme hell und warm auch dieses prächtige Opernhaus voll. Sie steht auf der Bühne, ob allein im Spotlight, ganz links in der Ecke, egal, sie singt einen Ton und das Haus gehört ihr allein. Endlich kann sich auch San Francisco von ihrem strahlenden Sopran die Ohren verzaubern lassen!

Linda Watsons Amme hatte zu Beginn die Latte haushoch angelegt, mindestens so hoch wie die Transamerika-Pyramide. Mit bissigem Sopran peitschte sie ihre Konkurrenz auf der Bühne zurecht, stellte sich als böse Dämonin der unschuldigen Kaiserin gegenüber. Von Anfang bis Ende lag das Publikum fest auch in ihrem im Griff.

 Vor dieser Amme schien sich Nina Stemmes Färberin regelrecht zu fürchten… und vor der donnernden Strippenzieherin regelrecht zu zittern. Doch tapfer kämpfte auch ihre mächtig metallische Stimme gegen die Macht des Schicksals – Entschuldigung, die Macht des Fluchs. Unter diesen drei Sängerinnen bahnte sich ein Olympiafinale der Opernwelt an, der Titel des besten Strauss-Gesangs gab’s zu gewinnen. Wohl die härteste Disziplin der Opernwelt…

Da konnte auch David Butt Phillip mächtig mitmischen. Herrschen tut dieser Kaiser nicht viel, eher jagen. Aber auch ein Jäger braucht seine Kräfte, die schallten aus allen Höhen seiner Stimme. Völlig makellos gelangen ihm seine heldenhaften Monologe, eine absolut treffsichere Besetzung für diese Rolle!

Johan Reuter bot einen sauberen, glasklar verständlichen Barak-Bariton. Ja, da hätte vielleicht ein bisschen mehr Power, ein bisschen mehr Biss drin sein können. Aber das ist bitte Meckern auf allerhöchstem Niveau. Wenn dieser Färber sein Handwerk nur annährend so gut kennt wie Reuter sein Stimmwerk, dürften ihm bald die feinsten aller Teppichweber die Bude einrennen.

Zum  ersten Mal seit vielen, vielen Jahren war wirklich jede einzelne, noch so hammerschwere Spitzenrolle auch an diesem Haus feinstens besetzt. Bravo, bravo, this is what Richard Strauss needs: An absoloutely no-compromise line-up of wonderful singing! Ebenso glänzten die vielen kleineren Rollen, dass sie sich keinesfalls den namenhafteren ergeben mussten. Ein äußerst stimmstarker Stefan Egerstrom (Geisterbote) donnerte den Fluch ins Haus, wie ein um sich prophezeiender Jochanaan. Auch Baraks drei Brüder (Philip Skinner, Wayne Tigges und Zhengyi Bai) ließen nichts an Stimmkraft liegen, der Färber war stimmlich in bester Gesellschaft.

Und wie zu jeder Richard-Strauss-Oper gehört auch zur Frau ohne Schatten ein richtig gutes, aufbrausendes Orchester. Unter der Leitung ihres ehemaligen Chefdirigenten Donald Runnicles – mittlerweile GMD an der Deutschen Oper in Berlin – schwebte das hauseigenen Opernorchester mit einem äußerst differenzierten Klang in absoluter Höchstform aus dem Graben. Flimmerte der erste Akt noch genauso fein die die auf der Bühne sich abspielende Märchenwelt, so ging im zweiten mit packendem Blech und sausenden Streichern dann richtig los. Diese Strauss-Akkorde bringen selbst das Publikum mächtig ins Schwitzen!

Einzig Roy Rallos etwas einfallslose Regie konnte mit der durchwegs exzellenten musikalischen Darbietung nicht wirklich mithalten.  Die farbenfrohe Barakwelt hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit der halbkonzertanten Walküre in Bayreuth von vor zwei Jahren – wie viele der hiesigen Besucher die wohl gesehen haben dürften? Damals wurde mit viel Farbe auf weiße Leinwände geschmissen, hier hat Barak seine Mauern halt schon bemalt. Am Ende kommt aber auch der Kaiserpalast leider kaum über bunte Bühnenbilder heraus, die Inszenierung raubt dem Werk ein gutes Stück seiner Handlung.

 

This absolutely marvelous opera house certainly deserves some more lively – or shall we say more provocative – productions. The most exciting part of a good opening opera night at the opera is always the rousing battle of jeers and bravos for the production team, something that I’ve missed during my many years at the San Francisco Opera.

Summa Summarum: Eine gute Inszenierung sollte in der frenetischen Raserei der Premieren-Publikumsreaktionen versinken. Buh- wie Bravorufe sind dabei gleich zu bewerten. Bei diesem Regieapplaus blieb es leider recht ruhig.

Foto: Nina Stemme © Neda Navaee

Doch umso begeisterter zeigte sich das Publikum über die musikalische Seite  des Abends. Ganz in bester amerikanischer Manier ruft schon der fallende Vorhang ballernde Begeisterung hervor, künstlerisch völliger verdient. Für Nina Stemme gab es noch einen ganz besonderen Grund zu Feiern: Nach der Vorstellung überreichte ihr Operndirektor Matthew Shilvock die San Francisco Opera Medal für ihre herausragenden Leistungen an diesem wunderbaren Haus. Der Preis kam geschmückt mit einer mehr als würdigen Ehrenvorstellung!

Johannes Karl Fischer, 4. Juni 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Strauss Die Frau ohne Schatten Konzertante Aufführung, Philharmonie Berlin, 14. April 2023 

Richard Strauss (1864-1949) – Die Frau ohne Schatten Baden-Baden, Festspielhaus, 9. April 2023

NÜRNBERG: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – NI am 23. Oktober 2022 6. Dezember 2022

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