Die Liebe der Danae 2025 © M. Ritterhaus
Vor der Pause im ersten und zweiten Akt unterhält mich die im Untertitel der Oper versprochene „heitere Mythologie“ gut. Der dritte Akt zieht sich in die Länge, wirkt aufgepropft. Ob es die Regie will oder nicht, mit dem Hintergrundvideo eines alten Richard Strauss und Jupiters Liedtext „Herrlich aufruft / Zu ewiger Zeugung! / Aber in weiter Ferne zieht / Der große Ruhelose / In den Abschied des Abends,“ erscheint mir dieser dritte Akt als Gleichsetzung der singenden Figur Jupiters mit dem Komponisten. Eine Huldigung Strauss’ eigener Person und Zeugungskraft. Damit fange ich nichts an. Die Strauss’sche Musik verliert für mich so ihre Wirkung.
Die Liebe der Danae (1952)
Komponist Richard Strauss
Libretto von Joseph Gregor unter Benutzung eines Entwurfs von Hugo von Hofmannsthal
Inszenierung Claus Guth
Musikalische Leitung Sebastian Weigle
Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor
Nationaltheater, München, 7. Februar 2025 PREMIERE
von Frank Heublein
An diesem Abend wird mit der Premiere von Die Liebe der Danae von Richard Strauss in München ein Spätwerk des Komponisten aufgeführt.
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Der erste Akt ist ein Chorgewitter. Geradezu rauschhaft tobt der Chor dominierend durch den ersten Akt. Stimmlich liefert der Chor der Bayerischen Staatsoper eine beeindruckende Leistung. Zugleich verschwimmt mir die Handlung vor den rasenden Tönen, die rund um Geld, Gold, Wechsel und Schulden wogen.
Der zweiten Akt ist für mich der stärkste dieses Abends. Differenziert voller schillernder Klangfarbe ist die Musik. Das Duett zwischen Midas und Jupiter ist brillant. Nuanciert trotz äußerst anspruchsvollen Tonlagen.
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Bariton Christopher Maltman als Jupiter und Tenor Andreas Schager als Midas sind die Stimmen, die mir an diesem Abend am besten gefallen und imponieren. Gerade (nicht nur) in diesem Duett zeigen sie beide ihre Klasse. Souverän voller Kraftreserven meistern sie die Extreme wie die herausfordernde Länge. Maltman spielt und singt Jupiters Larmoyanz des „hilflosen armen Mächtigen“ wunderbar. Midas den liebenden achtsamen gewappneten und zugleich zu allem Entschlossenen. Es geht darum, wie Jupiter Danae für sich gewinnen kann in der menschlichen Form des Midas.
Das Ende des zweiten Aktes ist eine „Gott-Dämmerung“. Die wuchtigen Anklänge an Wagner sind stark. Hier meine ich den spannenden Hall eines handlungstechnisch interessanten dritten Aktes zu hören. Es kommt anders.
Einspringerin Manuela Uhl hat in der letzten Aufführungsserie der Oper in Berlin in 2016 die Danae ebenfalls unter dem Dirigenten Weigle gesungen. Eine sängerisch sehr gute Leistung liefert die Sopranistin ab. Vollkommen unabhängig vom Einspringen. Sich zuzutrauen, von 18 Uhr am Vortag der Premiere diese sängerisch anspruchsvolle Partie am Folgeabend nicht nur zu singen, sondern auch zu spielen, Chapeau! das ist außergewöhnlich mutig wie gekonnt. Ihre warme Stimme durchwandert die anspruchsvollen melodischen Linien konzentriert und zugleich locker spielerisch. Die stimmlichen hohen Extreme singt sie als gebundenen Teil dieser Linien, was mir gut gefällt.
Für den humoristischen Teil ist ein stimmlich wie spielerisch großartiges Quartett zuständig. Die ehemaligen Geliebten Jupiters. Semele singt im strahlenden Sopran Sarah Dufresne. Europa gibt Sopranistin Evgeniya Sotnikova entschlossen direkt. Alkmene wird kräftig energetisch durch Mezzo Emily Sierra interpretiert. Alt Avery Amereau gibt der Leda warm schmeichelnden Charme. Sie umgarnen Jupiter gleich zweimal, einmal im zweiten und einmal im dritten Akt. Versuchen ihn zurückzugewinnen, abzuwerben von Danae. Doch der Gott hat abgeschlossen mit Ihnen. Musikalisch klug, gewunden, verspielt, keck. Maltman als Jupiter singt den schmalen Grat der jovialen Ablehnung pointiert.
Dirigent Sebastian Weigle zieht das Orchester in einen entschlossenen eher schnell fließenden Fluss. Die ein oder andere verlangsame Windung. Doch dann geht es weiter. Das Bayerische Staatsorchester macht Tempo im ersten Akt mit durchdringender Wucht. Im zweiten dann lässt der Graben das differenzierte Leuchten des Strauss’schen Klangs in meinen Ohren leuchten. Die einzelnen Teile des dritten Aktes sind interessant und zuweilen schön wie faszinierende Puzzleteile, die doch alle aus unterschiedlichen Boxen entnommen und vermischt worden sind. Kein musikalisch emotionaler Fluss und dadurch verfestigender Eindruck will in mir entstehen. Ich vermisse dieses Umfangen meiner Selbst, das Strauss in mir im zweiten Akt gerade noch erzeugen konnte. Stattdessen fühle ich mich gelangweilt.
Claus Guths Inszenierung, die Bühne Michael Levines und Ursula Kudrnas Kostüme passen im ersten und zweiten Akt wunderbar. Das Versetzen in die jetzige Zeit funktioniert. Gelungene Räume für die handelnden Sängerinnen und Sängern. Das wird anders im dritten Akt. Die verirrte orientierungslose Handlung des Librettos überträgt sich auf den Raum. In meiner Wahrnehmung ein Nebeneinander, dass den Raum zwar füllt, aber ohne auf den Punkt für mich zu weisen, auf den Handlung und Inszenierung hinauswollen.
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Das Ende stößt mich ab. Für Selbstbeweihräucherung habe ich nichts übrig. Eine Generalprobe erlebte der Komponist 1944 und kommentierte diese nicht öffentliche Aufführung mit „der letzte, unvergessliche, schönste Abschluss meines künstlerischen Lebens“. Damit wird dieser Abend für mich zu einem sehr widersprüchlichen. Die größte Kritik verorte ich im Stück selbst, dem Libretto. Es verliert gänzlich den Zusammenhang und die Fortführung der Handlung im dritten Akt aus den Augen. In Anbetracht des überlieferten oben dargestellten Zitats und der Inszenierung interpretiere ich: das Ende gerät zur Selbst-Huldigung Strauss’ in der Gleichsetzung mit dem zeugungskräftigen Gott Jupiter. Puh!
Der dritte Akt und dieser Schluss der Oper trübt in mir die große Leistung der drei Hauptpartien Danae-Uhl, Midas-Schager und Jupiter-Maltman. Sie werden am Ende zu Recht vom Publikum gefeiert.
Frank Heublein, 8. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Gaetano Donizetti, La fille du régiment Nationaltheater, München, 22. Dezember 2024
Ensemble Phoenix Munich Bayerisches Nationalmuseum, München, 17. November 2024