Elektra © Enrico Nawrath
Richard Strauss
Elektra
Elektra Barbara Krieger
Klytemnästra Grainne Gillis
Chrysothemis Yvonne Elisabeth Frey
Orest Frederik Baldus
Aegisth Sotiris Charalampous
Regie/Bühnenbild Dr. Alexander Busche
Kostüme Hannes Ruhland
Dirigent György Mészáros
Brandenburger Theater, 24. Mai 2024 Premiere
von Peter Sommeregger
Mut gehört dazu an einem Haus von der Größe und dem Etat des Theaters Brandenburg eine Produktion von Richard Strauss’ Elektra zu wagen. Aber, wie schon Hugo von Hofmannsthal an anderer Stelle sagt: „Die Welt ist nicht fürchterlich dem Mutigen“.
Der Intendant Dr. Alexander Busche hat neben dem Risiko auch noch die Regie und den Entwurf des Bühnenbildes übernommen. Er weiß um die begrenzten Ressourcen des Hauses, macht dabei aus der Not eine Tugend.
Der Graben des Hauses ist selbst für die reduzierte Orchesterbesetzung zu klein, also wird er abgedeckt zur Spielfläche. Das kommt dem Konzept entgegen, diese griechische Tragödie auch tatsächlich als solche zu inszenieren. Man ist glücklich, das Werk endlich einmal ohne bizarre Verfremdungen zu erleben, die Musik und der geniale Text Hofmannsthals sprechen ohnehin für sich.
Transparente Wände durch farbige Klebebänder strukturiert, reichen vollkommen aus, einen stilisierten Palast von Mykene zu imaginieren. Die Kostüme von Hannes Ruhland orientieren sich an historischen griechischen Vorbildern, schaffen starke farbliche Kontraste, die zur Charakterisierung der Figuren beitragen.
Das aus Platzgründen in den Bühnenhintergrund verbannte Orchester, unter György Mészáros eine sichere Bank, ist nur etwas gedämpft hörbar, was den Sängern ihre immens schwierigen Aufgaben erleichtert.
Beeindruckend ist das hohe Niveau wirklich aller gesanglichen Leistungen an diesem Abend, an dem ausschließlich Rollendebüts stattfanden. Schon das Ensemble der Mägde zu Beginn fiel verheißungsvoll aus, bis in die kleinsten Partien war es gut besetzt.
Elektras milderer Schwester Chrysothemis gab Yvonne Elisabeth Frey mit kräftiger, metallischer Höhe ein markantes Profil, die getriebene, ihrem Tod entgegen taumelnde Mutter Klytämnestra fand in Grainne Gillis ebenfalls eine überzeugende Interpretin mit orgelnder Tiefe. Frederik Baldus verlieh dem Orest warme, sonore Töne. Im stilisierten griechischen Kostüm des Aegisth steckte auch tatsächlich ein Grieche drin: Sotiris Charalampous bringt für die kurze, aber schwierige Rolle edles tenorales Material mit, und lässt auch auf zukünftige Leistungen hoffen.
Die zentrale Figur Elektra findet in Barbara Krieger eine Interpretin, die über ein erstaunliches Spektrum an Stimmfarben verfügt. Es gelingt ihr, neben der dramatischen Wucht und Unerbittlichkeit der Atridentochter auch die leiseren, zarteren Momente der Rolle auszuspielen. Dabei mag die Postierung des Orchesters durchaus geholfen haben.
Anrührend der Moment, als Elektra dem wiedergefundenen Bruder in den Schoß sinkt, und zum einzigen Mal Schwäche zeigt. Diese Elektra implodiert förmlich, verbrennt von innen, ihr finaler Tanz mit dem Königsmantel des Vaters wird zur Ekstase und kann nur tödlich enden, wie eine leere Hülse stürzt sie zu Boden.
In diesem Moment schießen aus der Urne Agamemnons Flammen, die den Palast von Mykene in Brand setzen. Ein starkes Bild ist ans Ende einer Aufführung gesetzt, die sich auf durchgehend hohem Niveau bewegt. Eine Besonderheit waren die sämtlich aufgemachten Striche in der Partitur, da waren kaum je gehörte Passagen zu erleben, so vollständig hat man Elektra noch nie auf der Bühne erlebt.
Jubelnder, verdienter Beifall für alle an der Produktion Beteiligten.
Peter Sommeregger, 25. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at