Salome in Berlin: Diese Inszenierung trifft nicht den Kern der Oper

Richard Strauss, Salome,  Deutsche Oper Berlin

Foto: Lieberenz (c)
Deutsche Oper Berlin
, 3. Februar 2018
Richard Strauss, Salome
Evan Rogister, Dirigent
Claus Guth, Inszenierung
Muriel Gerstner, Bühne/Kostüme
Eva-Maria Abelein, Spielleitung
Catherine Naglestad, Salome
Samuel Youn, Jochanaan
Burkhard Ulrich, Herodes
Gabriele Schnaut, Herodias

von Yehya Alazem

Wie weit darf man eigentlich gehen? Und wie viel dürfen sich Opernhäuser erlauben? Wann werden Regisseure aufhören, nur das auf die Bühne zu bringen, was in ihrem Kopf ist – ohne die kleinste Rücksicht auf die Oper selbst?

Die Inszenierung der „Salome“ von Claus Guth an der Deutschen Oper Berlin widerspricht fast allem, was Richard Strauss als Komponist und Librettist dieses Werkes geschrieben hat. Das ist dem Text und der Musik gegenüber vollständig respektlos.

Die Inszenierung möchte den sexuellen Missbrauch von Kindern fokussieren; dass heißt aber nicht, dass man das Libretto und die Partitur ganz vernachlässigen kann. Was auf der Bühne geschieht, hat mit dem Text und der Musik nichts zu tun.

Der vulgäre, verrückte Wille der Salome, den Mund des Jochanaan zu küssen, wird ganz vernachlässigt. Hier geht es nur um die Beziehung zwischen Salome und Herodes, der sie seit ihrer Kindheit sexuell missbraucht hat. Jochanaan ist nichts anderes als eine starke stimmliche Figur, die Salome gegen den Stiefvater nutzt. Im Tanz der sieben Schleier verrät Salome, was ihr durch die Jahre passiert ist, und in ihrer berühmten Schlussszene spricht sie zum ersten Mal darüber. Am Ende der Oper gibt Herodes sein Vergehen zu, und das Licht wird ausgemacht. Das ganze Stück spielt in einem Herrenbekleidungsgeschäft.

Das Orchester der Deutschen Oper unter dem Dirigenten Evan Rogister bringt ein detailreiches, wohlfließendes Spiel hervor, das aber allzu symphonisch klingt. Das Orchester ist die ganze Oper hindurch zu laut, und das Zusammenspiel zwischen Sängern und Orchester lässt auch viel zu wünschen übrig, was das Tempo betrifft. Das ist kein einfacher Abend für die Sänger.

Als Herodias überzeugt die 66 Jahre alte Mezzosopranistin Gabriele Schnaut mit ihrer dunklen dramatischen Mezzostimme und ihrer  Darstellung der rücksichtslosen Mutter von Salome. Als ihr Ehemann spielt Burkhard Ulrich einen manipulativen Herodes. Sein Tenor ist hell und charaktervoll, ihm fehlt aber die Höhe, in der er allzu angestrengt und atemlos klingt.

Samuel Youn hat in dieser Inszenierung beschränkte darstellerische Möglichkeiten, da Jochanaan nur eine Nebenrolle ist; er macht seine Sache trotzdem gut. Er hat eine schöne Stimme, die aber zu wenig Volumen hat, was mit dem lauten Orchester Schwierigkeiten bereitet.

Catherine Naglestad, die auch bei der Premiere dieser Inszenierung 2016 gesungen hat, besitzt eine geeignete Stimme für die Titelpartie Salome. Sie überzeugt im tiefen Register mit ihrem stabilen, dunklen Klang und hat auch eine helle, strahlende Höhe. Ihre Stimme ist facettenreich und solide, aber es mangelt ihr ein wenig an Flexibilität; manchmal klingt sie eckig. Im Ganzen überzeugt Nagelstad als Salome, sowohl gesanglich als auch darstellerisch.

Wenngleich das gesellschaftliche Problem, das Herr Guth mit seiner Interpretation dieser Oper hervorheben will, ein Thema ist, das man mehr diskutieren sollte, trifft diese Inszenierung nicht den richtigen Kern der Oper.

Yehya Alazem, 4. Februar 2018, für
klassik-begeistert.de

Ein Gedanke zu „Richard Strauss, Salome,
Deutsche Oper Berlin“

  1. Diese dämliche Inszenierung traf nur meinen Wutnerv, falls es den gibt. Neben dem „Rigoletto“ von Guiseppe Verdi die dämlichste Inszenierung, die die Deutsche Oper Berlin zu bieten hat. Einmal kurz nach der Premiere gesehen, dann nie wieder. Grässlich.
    Uwe Mohrmann

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