Dieser „Tannhäuser“ ist überaus sinnlich, aber scheinbar ohne Sinn

Richard Wagner (1813 – 1883), Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg  Münchner Opernfestspiele, Nationaltheater, 25. Juli 2024

Bayerische Staatsoper – Nationaltheater © Wilfried Hösl

Die sieben Jahre alte Inszenierung, aber revidierte Fassung des „Tannhäusers“ von Romeo Castellucci steht drei Mal bei den Münchner Opernfestspielen im Juli 2024 auf dem Programm. Die Regie überzeugt nicht so sehr, musikalisch ist die Aufführung dafür extrem stark, vor allem Dank des Sängers der Titelpartie, Klaus Florian Vogt.

 Richard Wagner (1813 – 1883)
„Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Libretto vom Komponisten
Uraufführung 1845 in Dresden

Münchner Opernfestspiele, Nationaltheater, 25. Juli 2024

von Dr. Bianca M. Gerlich       

Romeo Castellucci zeigt einen eher zeitlosen „Tannhäuser“, in dem Raum und Zeit irgendwie aufgelöst erscheinen. Bewusst weist er darauf hin, indem er am Ende den Text an die Wand projizieren lässt, dass erst eine Sekunde, dann eine Minute, eine Stunde, ein Tag usw. bis hin zu Abermilliarden Jahre vergehen. Parallel dazu sehen wir die Körper der Sänger – und nicht etwa der Personen des Stücks – verfallen, von der Leiche zur Mumie zu Knochen zu Staub.

Etwas makaber, wenn die Sockel, auf der diese Leichen gelegen haben, umgedreht werden und man die Namen „Klaus“ und „Elisabeth“ liest. Gemeint sind also nicht Heinrich Tannhäuser und Elisabeth von Thüringen, sondern Klaus Florian Vogt und Elisabeth Teige.

Zu sehen sind teilweise wunderschöne „Bilder“, Momentaufnahmen, die sich aber dehnen und an Fernöstliches erinnern, sanft in rosa und Tüll getaucht, gern auch blutrot und weiß, alles möglichst fleischig und blutig vom Empfinden. Einige Einfälle ergeben Sinn, z.B. tragen die Pilger einen überdimensionalen goldenen Klumpen, das ist ihre Last, von der sich mittels Pilgerfahrt nach Rom befreien müssen. Wenn sie im dritten Aufzug aus Rom „entsündigt“ zurückkehren, dann ist ihre Last auf einen kleinen goldenen Teil geschrumpft. Eine gute Idee sind auch die Pfeile, die entweder als Waffe oder als Amor-Pfeile angesehen werden können und die ganze Aufführung über präsent sind.

Tannhäuser 2024 © Wilfried Hoesl

Chapeau ans Ballett-Ensemble für die Leistung als treffsichere Amazonen!

Einiges bleibt aber rätselhaft. Warum muss das Ballett-Ensemble, das im ersten Aufzug wunderbar in die Szene passt, im zweiten Akt durch das Bild turnen? Warum tragen die Chor-Männer auch diese weißen Hochzeitskleider oder Nonnenkostüme oder was immer das soll? Viele schöne und phantastische Bilder ergeben eben noch keinen Sinn.

Vermutlich war das auch nicht Castelluccis Anliegen, der ja selbst sagt, dass sich der dritte Aufzug „im Kreise drehen muss“, „ohne eine wirkliche Handlung“ und „alles offen“ bleibt. Immerhin finden die beiden Liebenden sich im Tod als Asche zusammen.

Leider fand kaum Personenregie statt. Die Sänger und Sängerinnen wirkten oft sich selbst überlassen. Sie standen dann eben an der Rampe und sangen statisch ins Publikum. Da hätte mehr stattfinden können.

Tannhäuser – Bayerische Staatsoper © Wilfried Hösl

Als diese Inszenierung am 21. Mai 2017 erstmals gezeigt wurde, gab Klaus Florian Vogt sein Rollendebüt als Tannhäuser. Er ist als einziger der damaligen Besetzung auch in diesem Jahr dabei. Wie souverän er diese Rolle meistert! Da erklingt im dritten Aufzug ohne einen Anflug von Müdigkeit sein „Filet-Stück“ des Abends, nämlich die Rom-Erzählung, die er so einzigartig, stimmlich wie schauspielerisch, gestaltet, dass man für den Leichen-Austausch im Hintergrund kaum Augen hat.

Am nächsten Tag wird er die Rolle in Bayreuth singen, bevor dann die letzte Aufführung in München am übernächsten Tag angesetzt ist. Vogt wird das Dank seiner Technik und Begeisterung für Wagner-Gesang schaffen.

Tannhäuser München 2024, Schlussapplaus Foto Privat

Ebenfalls zweimal (München und Bayreuth) singt Elisabeth Teige ihre Namensvetterin, deren Stimme sich sehr warm und wohltönend an diesem Abend verströmt. Ain Anger als Landgraf klingt ziemlich sonor, fast ein wenig gelangweilt (liegt aber vielleicht an der sehr statischen Inszenierung). Andrè Schuen singt einen sehr frischen und jugendlich erscheinenden Wolfram, die anderen Sänger und Sängerinnen meistern ebenfalls gut ihre Rollen. Sebastian Weigle hält alle Musiker gut zusammen, ein paar Patzer stören nicht weiter. Da die Sänger überwiegend an der Rampe singen, muss Weigle auch nicht bei den Einsätzen nachhelfen.

Musikalisch war diese Aufführung ein Hochgenuss!

Dr. Bianca M. Gerlich, 27. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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