Parsifal, Oper Leipzig, (c) Tom Schulze
Oper Leipzig am 15. April 2022 (27. Vorstellung)
Richard Wagner „Parsifal“
Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen
Gewandhausorchester
Ulf Schirmer Dirigent
Chor der Oper Leipzig
Kinderchor der Oper Leipzig
Damen des Jugendchores
von Dr. Guido Müller
Die Oper „Parsifal“ ist nicht nur durch den „Karfreitagszauber“ im dritten Aufzug sondern auch durch die Handlung rund um den Gral, das Leiden und die Erlösung traditionell an den Karfreitag gebunden und wird daher wie hier an der Oper Leipzig auch an Karfreitag gespielt. Corona-bedingt musste der Wagner-Freund aber zwei Jahre darauf verzichten.
Die Inszenierung und Bühne Roland Aeschlimanns von 2006 mit den Kostümen von Susanne Raschig, der Bewegungsregie von Lucinda Childs und dem Licht von Lukas Kaltenbäck bebildert das „Passions- und Leidenschaftsspiel“ zurückhaltend. Dies dreht sich um den reinen Toren Parsifal, der durch Mitleid wissend werden soll, seinen Begleiter aus der Gralsritterschaft Gurnemanz, der ihn im ersten Aufzug findet, die erotisch attraktive und zugleich der heidnischen Welt des Zauberers Klingsors wie der christlichen der Gralsritter dienende Kundry und den Gralskönig Amfortas und seinem Vater Titurel.
So steht in Leipzig ganz die musikalische Interpretation im Vordergrund. Ulf Schirmer kostet schon im Vorspiel mit dem Gewandhausorchester die musikalischen Feinheiten und Generalpausen fast bis zum Zersprengen aus. Und lässt den Sängern die Freiräume ihre Partien quasi auszubuchstabieren. Im zweiten Aufzug schafft Schirmer aber auch eine zum Zerreißen angespannte und erotisch extrem aufgelade Stimmung für die Verführungsversuche erst der Blumenmädchen und dann einer alle ihre enormen stimmlichen und im eng anliegenden roten Kleid körperlichen Reize einsetzenden Kundry.Hinreißend mit starker gesanglicher und darstellerischer Präsenz wird die Kundry von der russischen Mezzosopranistin Marina Prudenskaya geboten.
Die sechs Blumenmädchen verkörpern Olga Jelínková, Magdalena Hinterdobler, Sandra Maxheimer, Julia Sophie Wagner, Christiane Döcker und Sandra Janke mit schöner gesanglicher Abstimmung.
Ihren Meister im verzauberten Gartenreich der sinnlichen Lüste stellt überzeugend mit enormer Ausstrahlung in Stimme und Darstellung der Klingsor des Kay Stiefermann dar. Er wirkt so verführerisch, dass man ihm die böse Seite kaum abnehmen möchte und bedauert, dass er mit dem Sieg des Parsifal zum Ende des zweiten Aufzugs schon wieder verschwindet.
Den vorzüglichen Chor und Zusatzchor hat Thomas Eitler-de Lint einstudiert, den Kinderchor und die Damen des Jugendchores Sophie Bauer.
Die vier Knappen singen und spielen vorzüglich Julia Sophie Wagner, Sandra Maxheimer, Patrick Vogel und Dan Karlström.
Den leidenden sündigen Gralskönig Amfortas kann man sich kaum besser gesungen und verkörpert vorstellen als durch Mathias Hausmann. Seinen Vater Titurel (wie einen Gralsritter) singt in dieser nur kurzen Partie gut Randall Jakobsh.
Mit dem Gurnemanz des ukrainischen Bassisten Taras Shtonda von der Nationaloper Kiew als Gast im Hausdebüt an der Oper Leipzig kommen wir nun zu einem Sänger der ganz besonderen Klasse. Intelligent und stimmlich herausragend, in jeder Nuance stimmig, mit einer enormen Breite an Stimmfarben und höchster Wortverständlichkeit bannt Shtonda den Hörer und Zuschauer im Sessel. Ihn möchte man gerne auch mal in einem Liederabend hören – so vorzüglich wie bei ihm sicher auch Schubert, Tschaikowsky oder Mahler klingen mögen. Er hat eine gewisse baritonale Färbung in der Stimme, die das oft Monochrome vieler nur dunkler Bassstimmen oft aufhellt.
Zu dieser Sonderklasse der Sänger zählt auch der Parsifal des Thomas Mohr. Immer wieder überzeugt dieser Tenor nicht nur mit seinem Gesang, sondern gerade auch restlos mit seinem Spiel.
So macht Thomas Mohr deutlich, warum das Bühnenweihfestspiel Parsifal heißt.
Zur nächsten und letzten Vorstellung dieses „Parsifal“ am 14. Juli 2022 im Rahmen des Leipziger Wagner-Zyklus der Aufführung seiner sämtlichen Bühnenwerke gibt es noch Karten.
Dr. Guido Müller, 16. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
„Parsifal“, Aufführung in konzertanter Form, Bayreuther Festspiele, 10. August 2021
Schweitzers Klassikwelt 34: Kirill Serebrennikovs „Parsifal“ theologisch betrachtet
Vielleicht sollte man Thomas Mohr auch in Wien, Berlin usw. mal an den Parsifal lassen. Sein Rheingold-Loge vor 7 Wochen war durchaus Bayreuth-würdig. Und die Sänger, die ich in letzter Zeit als Parsifal gesehen habe (Robert Dean Smith, Stephen Gould und Jonas Kaufmann), waren ‒ zu mindestens in dieser Rolle ‒ allesamt nicht sehr überzeugend.
Taras Shtonda hat übrigens schon Anfang März in Leipzig (Rheingold/Fafner) gesungen.
Johannes Fischer
Danke für die Festspieltage.
Parsifal… ist das schönste, beste, klügste Teil der deutschen Kultur.
Motivierend, dass aus einem naiven Menschen ein guter Herrscher wird.
Sanja Stjepanovic