„Das Rheingold“ an der Wiener Staatsoper: Da steht schon eine Brünnhilde in den Startlöchern

Richard Wagner, Das Rheingold  Wiener Staatsoper, 21. Juni 2023

Michael Laurenz (Loge) und Michael Nagy (Alberich) © Michael Pöhn

Auftauphase. Erst nach etwas Anlauf zündet bei Franz Welser-Möst der Wagner-Turbo. Da lässt er dann auch erahnen, warum man ihn in Zukunft vielleicht vermissen könnte. An der Wiener Staatsoper leitet er gerade seinen letzten „Ring“. Danach ist Schluss mit Richard Wagners „Opus magnum“. Weil der „Ring“ für jeden Dirigenten so etwas wie der „Mount Everest“ für Bergsteiger sei. Ein Gipfel, der lockt. Der aber auch mit unheimlichen Strapazen verbunden sei. Die Show stehlen ihm an diesem Abend aber sowieso andere.

Richard Wagner, Das Rheingold
Wiener Staatsoper, 21. Juni 2023

von Jürgen Pathy

Die Loge- & Alberich-Show

In Nibelheim, da spielt die Musik, könnte man den ganzen Abend durchaus auf den Punkt bringen. Da stehen einige finstere Typen im Mittelpunkt, die sich in einen richtigen Spielrausch versetzen. Bariton Michael Nagy und Tenor Michael Laurenz zum Beispiel. Letzterer als listiger Feuergott Loge, dessen einziges Ziel im Grunde nur auf eines sinnt: Rache zu nehmen an Wotan, der ihn einst unterdrückt hat. Laurenz liefert hier sicherlich eine Charakterstudie vom Allerfeinsten. Feuerrotes langes Haar, unwiderstehlicher Spielwitz und unglaublich deutliche Diktion.

Michael Nagy steht da um nicht viel hinten nach. Als Alberich liefert der einen ebenso fast schon tadellosen Seelen-Striptease. Nur stimmlich dauert es ein wenig, bis er sich mit dem wahren Kern des Charakters mitentwickelt. Alberich, der handelt ja nur aus einer narzisstischen Kränkung heraus so, wie er es eben tut. Der Liebe abschwören, der Macht wegen alles unterordnen. Fast schon zu schön, beinahe liedhaft, strömt es da überwiegend aus dem tiefen Register. Anfangs völlig nachvollziehbar, aber irgendwann dem Charakter nicht mehr entsprechend.

Gänsehaut pur dann aber beim Fluch. Den gibt er Wotan noch so richtig boshaft mit auf die Reise, nachdem der sich mit einer List den Ring – das Symbol für die Macht – ergaunert hat.

Walhalls Thron ist vakant

Der kann dann aber nicht ganz mithalten. Nachsicht solle man Eric Owens gewähren. Darum bietet Direktor Bogdan Roščić, der kurz vor Beginn der Vorstellung vor den Vorhang tritt. Der Afro-Amerikaner habe einen Kreislaufkollaps erlitten. Dennoch habe er sich bereit erklärt, den „Rheingold“-Wotan nicht zu schmeißen. Keine gute Entscheidung, könnte man attestieren. Darstellerisch herrscht da reine Flaute.

Mag Owens Stimme zwar edel und nobel klingen, Richard Wagners Anforderungen an das Musiktheater kann er da nicht erfüllen. Ein Greis, der sich an seinem Speer stützt. Könnte man durchaus so auslegen. Immerhin schwinden Wotans Kräfte, nachdem die Riesen Fasolt und Fafner ihm mit Freia den ewigen Jungbrunnen entreißen. Aber auch zuvor schon schlendert Owens nur spannungslos in der Gegend herum. Zu wenig, um an der Wiener Staatsoper als Göttervater Wotan zu reüssieren.

Kleine Partie, große Stimme

Ganz im Gegenteil zwei weitere Partien. Mime, der Zwerg, den sein Bruder Alberich mit der Peitsche unterwirft. Den keift Charaktertenor Matthäus Schmidlechner so richtig ekelhaft durch die dunklen Minen von Nibelheim. Regine Hangler lässt dann ebenso enorm aufhorchen. Klein ist zwar die Partie der Freia, die Stimme aber groß. Da bahnen sich größere Aufgaben an. Eine „Siegfried“-Brünnhilde sollte mit dieser hochdramatischen Ausdruckskraft eigentlich schon länger an der Tagesordnung stehen.

Am Ende anständiger Zuspruch. Intensiv für Franz Welser-Möst, der sich eigentlich nur ein Ziel noch setzen sollte. Gleich zu Beginn liefern, was er im Laufe des Abends bringt. Dann würde das Feuer nicht erst mit Fortdauer des Kunstwerks so richtig unter dem Sessel brodeln. Sondern, auch schon am Anfang der Naturgewalten, in die man schon durchaus intensiver hat eintauchen dürfen. Dass er das kann, hat er schon bewiesen.

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