Fotos: T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf
Mit der Wiederaufnahme des „Holländers“ steht die erste Wagner-Zusammenarbeit zwischen Andreas Homoki und Gianandrea Noseda nach 12 Jahren noch einmal auf dem Programm am Opernhaus Zürich. Vaters Materialismus versus Tochters Mission – es gibt keine Gewinner in diesem „Holländer“.
Richard Wagner (1813 – 1883)
„Der fliegende Holländer“
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln.
Libretto vom Komponisten
Uraufführung 1843 am Königlichen Hoftheater Dresden
Opernhaus Zürich, 30. November 2024
von Dr. Bianca Gerlich
Am 9. Dezember 2012 wurde diese Inszenierung das erste Mal gezeigt. Es war dies die erste Wagner-Zusammenarbeit zwischen dem jetzigen Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda und dem damals neuen Intendanten Andreas Homoki. Beide haben dem Publikum zwischen 2022 – 2024 einen fantastischen „Ring“ beschert; Noseda wurde für sein Ring-Dirigat als „Bester Dirigent des Jahres 2023“ von Oper!Award ausgezeichnet. Nun, im letzten Jahr von Homokis Zeit als Intendant in Zürich gibt es noch einmal den „Holländer“ – zusammen mit Noseda. Zurück zum Anfang also!
Von der Sängerriege 2012 geblieben sind Liliana Nikiteanu als Mary und Marco Jentzsch als Erik, der eine wirkliche Luxus-Besetzung in dieser Rolle ist. Hat er inzwischen auch andere Wagner-Hauptrollen, ja sogar den Tristan und den Tannhäuser schon gesungen.
Sein Erik ist so eindringlich und hervorragend gesungen, dass man ihn beinahe als Hauptrolle wahrnimmt. Da kann an diesem Abend nur Camilla Nylund mithalten, die eine wunderbar jugendfrische Senta gibt, ihre Ballade ist ein Genuss, sie klingt nie schrill, vor allem dringen auch die leisen Töne superb durch den Klangkörper. Immerhin ist der „Holländer“ Wagners lautestes Werk.
Auch der Holländer, Tomasz Konieczy, meistert souverän seine Rolle, muss sich aber den Abend oft in gebeugter Haltung mit einem Fellmantel über die Bühne schleppen, was dem dämonischen Charakter des Holländers ein wenig abträglich ist. Vermutlich der Regie geschuldet. Omer Kobiljak als Steuermann, Dimitri Ivashchenko als Daland und Liliana Nikiteanu lieferten auch eine gelungene Vorstellung ab, aber der Unterschied zu den drei davor genannten war schon zu hören.
Überragend war an diesem Abend der Chor. Was für einen Klangteppich zauberten uns die Sänger und Sängerinnen! Die leisen Stellen waren wunderschön samtig und homogen gelungen, das Lied der Spinnerinnen verspielt, der Geisterchor meisterhaft! Das Orchester hätte dagegen noch mehr differenzieren können, gerade die Ouvertüre war nicht aufregend genug, da tobte kein Sturm.
Die Bühne bestand hauptsächlich aus einem Raum mit drehbarem Kubus in der Mitte, dem Handelskontor des Reeders Daland. Alle laufen beschäftigt hin und her, um für Dalands Seehandel-Firma zu arbeiten. Schiff und Meer gibt es nur auf Bildern, gern passend zur Musik animiert. Die Chordamen-Sekretärinnen sitzen an Schreibmaschinen.
Manchmal verschieben sich die Seitenwände ein wenig. Dalands gewinnorientierter Welt mit ihren geregelten Abläufen möchte Senta entfliehen, daher willigt sie schnell ein, als der Holländer um ihre Hand anhält. Sie liebt ihn nicht, sondern sie hat eine Mission, nämlich den Holländer zu erlösen. Weil sie ihrem Anspruch nicht gerecht werden kann und der Realität entfliehen möchte, erschießt sie sich am Ende mit Eriks Gewehr. Dazu passt natürlich gut der abrupte Schluss Wagners Urfassung, die hier in Zürich gespielt wird.
Manchmal gönnt uns Homoki ein wenig Spuk. Am eindringlichsten ist die Stelle, als der zuvor brave afrikanische Diener, gerade noch von den emsigen Arbeitern erbarmungslos gehänselt, zum wilden Schamanen mutiert und sie in Angst und Schrecken versetzt. Parallel dazu brennt die große Landkarte, die mittig hängend die afrikanischen Kolonien zeigt.
Geht das Kolonialreich unter? Wehren sich die unterdrückten Völker? Oder schlägt die Kolonialpolitik zurück?
Das ist schon ein guter Einfall, da der Holländer selbst ja aus der Zeit der großen Entdecker stammt, denen dann die Missionare und Spekulanten folgten. Homokis Ansatz macht Sinn, dennoch war es ein wenig monoton, immer den in etwa gleichen und eher dunklen Bühnenraum zu sehen. Ein wenig mehr Farbe oder Abwechselung hätte da sicher gut getan.
Insgesamt eine solide und interessante Erstarbeit zwischen Homoki/Noseda, die noch zweimal, am 6. und 10.12.2024, in Zürich zu erleben ist.
Wie es sich für die Urfassung gehört, ohne Pause. Dafür kann man vorher oder nachher den stimmungsvollen Weihnachtsmarkt auf dem Sechseläutenplatz vor dem Opernhaus besuchen.
Dr. Bianca M. Gerlich, 4. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at