Bayreuths Siegfried singt sicher weiter…

Richard Wagner, Der Ring des Nibelungen, 2. Tag: Siegfried  Bayreuther Festspiele, 23. August 2024
III. Aufzug: Klaus Florian Vogt (Siegfried), Kinderstatisterie der Bayreuther Festspiele © Enrico Nawrath
…nämlich in der umstrittenen Bayreuther Ring-Inszenierung von Valentin Schwarz. Offenkundig bekommt sie inzwischen ausreichend Zuspruch, so dass sie auch im kommenden Jahr auf dem Spielplan stehen wird. Das ist nicht zuletzt der musikalischen Darbietung zu verdanken.
Richard Wagner
Der Ring des Nibelungen, 2. Tag: Siegfried
Regie: Valentin Schwarz
Bühnenbild: Andrea Cozzi
Dirigentin: Simone Young

Festspielorchester Bayreuth


Bayreuther Festspiele, 
23. August 2024
von Dr. Peter Hampe

Warum war und ist diese Ring-Interpretation so umstritten? Nur nebenbei zur Erinnerung: auch die meisten früheren Inszenierungen stießen in aller Regel zuerst auf Ablehnung. Selbst der Jahrhundert-Ring von Patrice Chéreau schockierte zunächst, löste geradezu einen handfesten Skandal (im wörtlichsten Sinne) aus und galt später als Sternstunde moderner Wagner-Interpretation.

Ob allerdings die Schwarz-Deutung einen derartigen Rang erreichen wird, muss man doch sehr bezweifeln. Zuviel ist da unausgegoren und unstimmig.

Den Grundansatz von Schwarz kann man durchaus nachvollziehen. Er sieht den „Ring“ als irdische Familiensaga, ohne Götter, Riesen und Nibelungenzwerge.

Wotan wird Mensch und Kindsvater usw. Entsprechend raubt Alberich im „Rheingold“ nicht Gold, sondern ein Kind. Der Ring als Kind – diese Idee wird aber im „Siegfried“ nicht erkennbar. Weder hütet der greise Fafner ein Kind, noch erscheint es nach Fafners Tod. Siegfried spielt demgegenüber plötzlich mit einer goldenen Kette (mit Anhänger), die sich später im 3. Akt Siegfried und Brünnhilde gegenseitig zuwerfen.

Apropos Brünnhilde: Sie schläft offensichtlich im Stehen und trägt statt eines Helmes einen Kopfverband, den Siegfried dann lösen darf – eine Szene ohne Anmut, natürlich nicht auf einem Walkürenfelsen, dafür in einem ideenlosen Bühnenbild. Wotan trägt konsequent auch keinen Speer, während Siegfried im 1. Akt das Schwert Notung in einer dünnen Version schmieden darf, das aber später zur Pistole mutiert!? Soviel zur Inszenierung.
Das Bühnenbild des ersten Aktes ist originell: Mimes Hütte ist zu Siegfrieds Geburtstag in Walt -Disney-Manier bunt ausstaffiert, einschließlich Puppentheater! Der 2. Akt findet nicht im Wald, sondern in einem geräumigen Zimmer mit Krankenbett (für Fafner!), Getränkebar und Couchgarnitur statt: nicht sehr beeindruckend. Und im 3. Akt ist die Bühne schlicht langweilig und nichtssagend gestaltet – von dem Brünnhilde schützenden Feuer keine Spur.

Musikalisch bot die Aufführung hohes Niveau. Wesentlichen Anteil hat dabei die großartige Akustik des Festspielhauses. Sie garantiert einen wunderbar homogenen Orchesterklang, insbesondere der Streicher. Die Sänger werden selbst an Fortepassagen nicht zugedeckt.Das ist allerdings auch das Verdienst von Simone Young, die stellenweise fast kammermusikalisch spielen lässt ohne auf kraftvolle Steigerungen zu verzichten. Im Vergleich zu Thielemann bleibt sie da aber eher zurückhaltend. Dass im Orchester hervorragende Instrumentalisten spielen, ist für Bayreuth selbstverständlich. Nur der erste Fagotteinsatz zu Beginn der Oper kam etwas zittrig.

Sängerisch galt natürlich Florian Vogts Siegfried besondere Aufmerksamkeit. Rein äußerlich ist er eine Idealbesetzung: Blond und von kräftiger Statur. So stellt man sich den Helden Siegfried vor. Auch stimmlich ist er inzwischen zum Heldentenor gereift, hat das früher Knabenhafte abgelegt. Trotzdem hatte er nicht seinen besten Tag, kein Wunder, musste oder durfte er doch tags zuvor den Tannhäuser singen. Die Stimme klang etwas angestrengt, zwar durchaus kraftvoll, aber die schlanke Tongebung und damit ihr charismatisches Timbre fehlten weithin. Die Schlussszene mit Brünnhilde gelang allerdings vorzüglich. Da mobilisierte er letzte Kraftreserven.
Kritisch leider selbst bei ihm die Wortverständlichkeit. Darin stand er aber nicht allein. Auch Mime und der Wanderer sangen kaum verständlich, selbst für jemanden, der den Text relativ gut kennt. Ihn zu verstehen ist aber gerade bei Wagners Ring essentiell, zumal in Bayreuth (noch?) keine Übertitel projiziert werden. Sollte man – dereinst – mitlesen können, würde allerdings die Diskrepanz zwischen Text und Bühnengeschehen noch stärker ins Auge fallen.

Auch die übrigen Hauptpartien waren hervorragend besetzt. Das gilt vor allem für die Brünnhilde von Catherine Foster. Die Stimme ist über alle Register ausgeglichen, verströmt Wärme, aber auch enorme Kraft.Tomasz Konieczny verfügt über eine tolle Wotan-Stimme, bleibt aber leider wie so häufig unverständlich, obwohl er gut Deutsch spricht. Alberich, Fafner und Erda singen ebenfalls wunderbar und sogar zumeist textverständlich. Das ist also selbst bei Wagners Ring möglich! Der Mime von Ya-Chung bestach durch seine wuselige Spielfreude und seine eher krächzende, fast fistelnde Stimme, die er aber rollengemäß einsetzt. Wenn er nur besser zu verstehen wäre!

Insgesamt also eine Bayreuth-würdige Vorstellung, die vom Publikum am Ende mit großem Beifall (ohne Trampeln) gedankt wurde.Ein Bravo vor allem dem Orchester und seiner Dirigentin.

Dr. Peter Hampe, 27. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Siegfried: Klaus Florian Vogt
Mime: Ya-Chung Huang
Der Wanderer: Tomasz Konieczny
Alberich: Ólafur Sigurdarson
Fafner: Tobias Kehrer
Erda: Okka von der Damerau
Brünnhilde: Catherine Foster
Waldvogel: Alexandra Steiner

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