Staatsoper Hamburg, 7. Januar 2018
Richard Wagner, Die Walküre
Robert Dean Smith Siegmund
Jennifer Holloway Sieglinde
Liang Li Hunding
Lise Lindstrom Brünnhilde
Matthias Goerne Wotan
Mihoko Fujimura Fricka
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano Dirigent
von Leon Battran
Hinten ist die Ente fett. Im letzten Aufzug von Wagners „Walküre“ an der Staatsoper Hamburg haben die Sänger noch einmal alles gegeben und durch die Bank überzeugt. Auch die Aufzüge eins und zwei boten große Momente – allerdings hier und da mit Abstrichen, angefangen bei der Inszenierung von Claus Guth.
Diese wirkte doch oftmals unverständlich und unentschlossen. Premiere war bereits am 19. Oktober 2008. Ein ernüchterndes Bild bietet sich dem Zuschauer, als der Vorhang das erste Bild aus Claus Guths Walküre-Inszenierung preisgibt. Da steht ein Tisch mit zwei Stühlen, etwas abseits eine Küchenzeile. „Des seimigen Metes süßen Trank mögst du mir nicht verschmähn“, säuselt Sieglinde zu Siegmund und der kriegt ein Flaschenbier mit Plopp-Verschluss in die Hand.
Purer Minimalismus. Wagners Weltenmythos inszeniert als biederes Kammerspiel. Kann das gutgehen?
In diesem Fall nicht so besonders, greifen doch die Bühnenelemente nicht richtig ineinander. Die Liebesszene, in der sich die Geschwister erkennen, wird plakativ überinszeniert. Wenn das Liebespaar in orangenem Scheinwerferlicht badet, während Papierschmetterlinge von oben herabrieseln, wirft das auf die Operntetralogie einen Schatten der Ironie, und die erscheint hier völlig fehl am Platz. Als Zuschauer kommt man sich ein bisschen verschaukelt vor. Manch einer schmunzelt.
Zudem offenbart das Scheinwerferlicht, dass der Fußboden nicht gereinigt war. Man sieht dunkle Fußabdrücke auf dem beleuchteten Fußboden und später auch auf dessen Rückseite.
„Dass die Esche eine Küchenwand war, das haben wir noch nicht erlebt, und dass Siegmund das Schwert mit einer Hand herausgezogen hat, haben wir auch noch nicht erlebt“, äußert sich eine Dame, als es in die Pause geht.
Nichts zu mäkeln gibt es an der hervorragenden schauspielerischen Umsetzung. Die Sänger standen mit ganzem Herzen auf der Bühne und auch die gesanglichen Leistungen waren an diesem Abend weiten Teils gut bis sehr gut.
Robert Dean Smiths Siegmund fällt ein wenig zurück. Der Tenor musste stellenweise pressen, um nicht im Orchesterklang zu verschwinden. Hervortun konnte er sich mit einem lyrisch-sonnigen Kolorit und einer angenehm klaren Aussprache. Sehr schön und fesselnd gelang ihm die Passage, in der Siegmund erzählt, warum er sich Wehwalt nennt.
Als Sieglinde glänzte Jennifer Holloway. Früher sang die Amerikanerin Mezzo. Jetzt hat sie den Schritt ins Sopranfach vollzogen. Nach einem etwas schwächeren zweiten Aufzug zeigte sich Holloway im dritten Aufzug auf Spitzenniveau und verblüffte mit einer der besten Leistungen des Abends. Volle Punktzahl!
Toll besetzt auch Liang Li als Hunding. Der chinesische Bass sang eine makellose Partie und verkörperte den Hunding als zerknirschten, gefährlichen Unhold. Mit einer einnehmenden Bühnenpräsenz und einer durchdringenden Bassstimme trieb er die szenische Spannung auf den Siedepunkt und verlieh dem ersten Akt die richtige Würze.
Eine gute Leistung lieferte die Mezzosopranistin Mihoko Fujimura. Für ihre Darbietung der Fricka erhielt die gebürtige Japanerin großen Applaus. Fujimura vermochte besonders in der mittleren Lage zu betören. Die Höhen waren zwar kraftvoll, aber etwas hart, die Aussprache leider nicht sehr deutlich. Wer das Libretto nicht auswendig kennt, dem waren die Übertitel hier eine große Hilfe.
Höhepunkt dieser Walküre war in jeder Hinsicht der dritte Aufzug: Ein Rudel wilder Walküren tobt in der Trostlosigkeit eines sanierungsbedürftigen Hauses. Auch die merkwürdige Ausstattung des Bühnenraums scheint jetzt mit Wagners Komposition in einer sonderbaren Symbiose zu fruchten. In erster Linie ist es aber wiederum die gesangliche Darbietung, die begeistert.
Matthias Goerne wurde jüngst mit dem ECHO Klassik als Sänger des Jahres ausgezeichnet. Vor allem im Bereich des Kunstliedes hat der Bariton sich unter anderem mit Interpretationen von Schubert und Mahler einen Namen gemacht. Sein Markenzeichen sind die Behutsamkeit und das Zartgefühl, wenn er die Töne formt.
So mag der 50-Jährige womöglich nicht direkt wie der typische Wotan daherkommen. Er ist gar nicht so weit von den Schubertschen Typen entfernt. Goerne schlug sich jedenfalls wacker, interpretierte die Figur mit all ihren Facetten: mächtig und zornig, nahbar und sensibel, und erwies sich als würdiger Wotan, der in dieser Rolle zuhause ist.
Lise Lindstrom verkörperte eine sehr facettenreiche Walküre Brünnhilde. Auch die US-Amerikanerin mit skandinavischen Vorfahren hatte exzellente Momente. Nicht jeden Auftritt sang die Sopranistin auf den Punkt. In den weihevollen Ton, den Wagners Musik bisweilen anschlägt, fand Lindstrom nicht ganz hinein. Als sportliche wie mitfühlende Walküre, die sich schließlich in ihr Schicksal ergibt, ist sie jedoch perfekt. Die Schlussszene mit Wotan gelingt hervorragend: intensiv und wahrhaftig.
Das Philharmonische Staatsorchester hat man schon deutlich besser und konzentrierter erlebt. Im Zusammenspiel gibt es einige Schwächen, verschleppte Einsätze, zahlreiche Fehler bei den Blechbläsern, leider missglückt auch der Ausklang des Schlussakkords.
Kent Nagano dirigierte in einem sehr gemächlichen Tempo und sorgte für einen Orchesterklang, der in seiner Umsetzung lobenswert zu spüren war. Nagano knackte die Marke von vier Stunden reiner Spielzeit. Das ist noch länger als Hans Knappertsbusch 1951 bei den Bayreuther Festspielen. Gleichwohl war diese Walküre letztendlich ungemein kurzweilig.
Weitere Vorstellungen am 14. Januar und am 20. Januar 2018.