"Die Walküre": Lise Davidsen und Klaus Florian Vogt sind das Dream-Team auf dem Grünen Hügel

Richard Wagner, Die Walküre  Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2021

Auch Wotan Tomasz Konieczny singt bärenstark und bekommt mit Vogt (Siegmund) den zweitgrößten Applaus nach Davidsen (Sieglinde) – dem shooting star der Bayreuther Festspiele 2021.

Pietari Inkinen soll den RING 2022 dirigieren – möge er sich davor an einen der finnischen Seen zurückziehen und Wagner gründlichst inhalieren. 

Es bleiben vier sehr berührende Premieren-Abende im Festspielhaus. Mögen die Verantwortlichen mit Hirn, Herz, Hörvermögen und Humor in den kommenden Jahren die Bayreuther Festspiele in ihrer Exzellenzspur halten und für kommende Generationen wappnen.

Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Richard Wagner, Die Walküre
Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2021

von Andreas Schmidt

Die Bayreuther Festspiele haben mit ihrer vierten Opern-Produktion bewiesen, dass Wagner dort am besten erklingt, wo das Jahrtausend-Genie es wollte: auf dem Grünen Hügel in Bayreuth, Oberfranken, Bayern. Die szenische Darbietung der Walküre erklang auf sehr hohem künstlerischen Niveau, drei Sänger bewiesen Weltklasse-Niveau: Die Norwegerin Lise Davidsen (Sieglinde), Klaus Florian Vogt (Siegmund) und der Pole Tomasz Konieczny (Wotan).

Auch die Farbdarbietung des Aktionskünstlers Hermann Nitsch vermochte klassik-begeistert.de vollends zu überzeugen. Mein lieber Herr Gesangsverein fließt da viel Farbe die Wände herunter, schütten und malen die „Malerassistenten“ auf dem Boden. Es ist ein durch und durch durchkomponiertes Farbenspektakel – die 10 Aktionskünstler werden durch   Mikrofone im Ohr exakt gesteuert, und so passen sich die Farben kongenial der Musik an.

Vollkommen unverständlich, dass ein knappes Drittel des Saales dem gebrechlichen Aktionskünstler Hermann Nitsch tosende Buh-Rufe zukommen ließ – überwiegend waren es männliche „Wagnerianer“ in traditioneller schwarz-weiß-steifer Wagner-Kluft mit schwarzer Fliege.

Werter Hermann Nitsch, Sie sind so weise und so klug, dass Sie sich durch Ewiggestrige nicht aus dem Konzept bringen lassen. Ihre Darbietung war hochwertig und sehr ästhetisch. Es war eine wunderschöne Geste von Tomasz Konieczny, der Sie ehrenvoll auf die Bühne geleitete: Bravi!

Lise Davidsen und Klaus Florian Vogt sind das Dream-Team auf dem Grünen Hügel

Der Shooting-Star der letzten Jahre, Lise Davidsen, wurde als Sieglinde erneut allen höchsten Erwartungen mehr als gerecht. Ihr runder, dunkel timbrierter Sopran strahlt in allen Lagen souverän und verfügt im Timbre über eine Fülle individueller Farben. Da glüht etwas in dieser Stimme, das an ihre Landsfrau Kirsten Flagstad erinnert, und mit Spannung erwartet man die weitere Entwicklung dieser Ausnahmekünstlerin. Brava!!!

Was Lise Davidsens Stimme so besonders macht, ist die Leuchtkraft ihrer Höhe bei gleichzeitiger Wärme und Fülle der tieferen Register. Auch die Piani offenbaren unendlich schöne Klangfarben. Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass Davidsen ein ähnliches Repertoire – und die gleiche Plattenfirma – gewählt hat, wie eben ihre legendäre Landfrau Kirsten Flagstad.

Lise Davisen (c)

Herausragend auch der Tenor Klaus Florian Vogt als Siegmund. Vogt sang makellos. Rein. Frisch. Herausragend. Weltklasse! Klar, fein, in den Höhen sauber und sehr kraftvoll – atemberaubend bei den Wälse-Rufen. Bis zum Ende überzeugte der 51-Jährige mit bombastischer Kondition, mit Klangschönheit und –fülle. Berührend und erhaben seine Interpretation dieser unglaublich schönen Passage:

Winterstürme wichen dem Wonnemond, in mildem Lichte leuchtet der Lenz; auf linden Lüften leicht und lieblich, Wunder webend er sich wiegt; durch Wald und Auen weht sein Atem, weit geöffnet lacht sein Aug’: -. aus sel’ger Vöglein Sange süß er tönt, holde Düfte haucht er aus; seinem warmen Blut entblühen wonnige Blumen…

Nur etwas weniger Applaus als Frau Davidsen erntete der in Ratingen, NRW, lebende Pole Tomasz Konieczny, Österreichischer Kammersänger. Der Bass/Bassbariton wurde am 10. Januar 1972 in Łódź (Lodsch) geboren. Er gab einen großen bewegenden Abend. Konieczny war schon, wie jetzt herauskam (KURIER, Wien), vor zwei Wochen darüber informiert worden, dass Günther Groissböck während der Proben auf dem Hügel als Wotan schwächelte. Vergangenen Samstag verkündete Katharina Wagner dann einen Tag nach der Generalprobe Groissböcks Demission als Wotan und präsentierte den Polen als neuen Festspiel-Wotan. Konieczny, gerade vom Segelurlaub in Griechenland zurückgekehrt, reiste einen Tag später mit dem Auto von Wien nach Bayreuth und stellte sich den Proben.

Der Bassbariton sang mit einer Power, einer Hingabe, die kaum zu überbieten sind. Seine virile Stimme offenbart schier unendliche Kraftreserven. Der Publikumsliebling an der Wiener Staatsoper konnte in allen Lagen vollends überzeugen, auch in leiseren, zarteren Passagen. Nicht nur Konieczny, sondern das ganze Publikum leidet mit dem alle Höhen und Tiefen durchlebenden Walkürenvater mit – eine schier unmenschliche Gesangpartie.

Farbspektakel des Hermann Nitsch. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele

Der Ritt der Walküren begeistert nicht nur eingefleischte Wagnerianer im Bayreuther Festspielhaus, sondern, seit Hollywood die fanfarenartige Musik im Vietnam-Drama „Apocalypse Now“ monumental in Szene gesetzt hat, auch viele Menschen, die noch nie ein Opernhaus von innen erblickt haben.

Mit dem mittellosen, rastlos durch den Wald irrenden Flüchtling Siegmund hat Richard Wagner eine Figur in die Welt gesetzt, mit der sich der zu dieser Zeit im Schweizer Exil lebende Komponist selbst identifiziert haben dürfte.

Auch Wotans unglückliches Weib Fricka findet an diesem Abend in der bayerische Mezzosopranistin Christa Mayer (geboren „um 1972“ in Sulzbach-Rosenberg / Oberpfalz) eine große tragende Stimme. Sehr viel Applaus für Christa Mayer, die an diesem Abend auch die Schwertleite gibt.

Der Hunding des Russen Dmitry Stanislavovich Belosselskiy (geboren 1975 in der Ukraine) ist erfüllt von einem mächtigen, sonoren Bass, dem es nur ein wenig an der deutlichen Aussprache mangelt. Er ist ein würdiger Interpret für diese Rolle an diesem Abend.

Die Vater-Tochter Beziehung zwischen Wotan und dessen Lieblingstochter Brünnhilde nimmt mit der tragischen Abschiedsszene Leb’ wohl, du kühnes, herrliches Kind! ihren Lauf. Rührend dargeboten sowohl von Konieczny als auch von der tapferen, dem Göttervater widerspenstigen Walküre Iréne Theorin, die in weiten Passagen zu überzeugen weiß.

Die schwedische Diva (Lena Iréne Sofia Theorin, * 18. Juni 1963 in Södra Hestra, Gemeinde Gislaved), die ihre Ausbildung in der Meisterklasse der großen Wagner-Interpretin Birgit Nilsson genoss, schmeichelt in den tieferen Lagen – vor allem bei den Pianissimi. Im hohen Register singt die Sopranistin sehr kraftvoll und klar, bisweilen mit etwas zu viel Vibrato. Das Publikum zollt ihr dankbaren Beifall, allerdings ohne Bravi.

Der Dirigent Pietari Inkinen (* 29. April 1980 in Kouvola, Finnland) ist ein hervorragender Geiger, er spielt eine Violine von Carlo Bergonzi aus dem Jahre 1732. Laut operabase.com hat er „Die Walküre“ erst in Melbourne und Palermo gegeben – die letzte Aufführung ist fast fünf Jahre her. An diesem Abend war sein Dirigat ordentlich, fast gut, aber es fehlte an vielen Stellen die Dignität, die Exzellenz, womöglich auch die sehr, sehr gründliche Kenntnis der Partitur. Es gab kaum Höhepunkte, das Werk wurde artig durchdirigiert. Das reicht nicht für Bayreuth. So gab es auch neben höflichem Beifall sehr viele Buhs für den Finnen.

Inkinen soll den RING 2022 dirigieren – möge er sich davor an einen der finnischen Seen zurückziehen und Wagner gründlichst inhalieren.

Es bleiben vier sehr berührende Premieren-Abende im Festspielhaus. Mögen die Verantwortlichen mit Hirn, Herz, Hörvermögen und Humor in den kommenden Jahren die Bayreuther Festspiele in ihrer Exzellenzspur halten und für kommende Generationen wappnen.

Andreas Schmidt, 30. Juli 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner, Tannhäuser Bayreuther Festspiele, 27. Juli 2021

Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg Bayreuther Festspiele, 26. Juli 2021

Richard Wagner, Der fliegende Holländer Bayreuther Festspiele, 25. Juli 2021

DVD-Rezension: Richard Wagner, „Die Walküre“, Sofia Opera and Ballet

Die Walküre (1. Aufzug) von Richard Wagner Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 13. Mai 2021

Richard Wagner, Die Walküre Konzertanter 1. Aufzug mit Jonas Kaufmann, Lise Davidsen und Georg Zeppenfeld in der Bayerischen Staatsoper, München Livestream aus dem Nationaltheater, 13. Mai 2021

Sophies Welt 5: Die Walküre

BESETZUNG 2021

Musikalische Leitung Pietari Inkinen
Aktionskünstler Hermann Nitsch
Licht Peter Younes
Siegmund Klaus Florian Vogt
Hunding Dmitry Belosselskiy
Wotan Tomasz Konieczny
Sieglinde Lise Davidsen
Brünnhilde Iréne Theorin
Fricka Christa Mayer
Gerhilde Kelly God
Ortlinde Brit-Tone Müllertz
Waltraute Stephanie Houtzeel
Schwertleite Christa Mayer
Helmwige Daniela Köhler
Siegrune Nana Dzidziguri
Grimgerde Marie Henriette Reinhold
Rossweisse Simone Schröder

 

 

 

 

 

 

 

 

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