Foto: Andreas Schager, David Jerusalem (c)
Wiener Staatsoper, 23. Oktober 2018
Richard Wagner, Lohengrin
von Jürgen Pathy
Andreas Schager, 47, gilt zurzeit als die höchst gehandelte Aktie im Wagner-Fach: Egal ob als Rienzi, Tristan, Parsifal oder in seiner Paraderolle als kühner Siegfried – die Opernfans liegen dem sympathischen Österreicher zu Füßen und die einschlägigen Blätter rezensieren generell in den höchsten Tönen. Doch musste der Lohengrin als eine der letzten Bastionen unbedingt ins Repertoire?
Im Dezember 2017 debütierte Schager an der Wiener Staatsoper als alles überstrahlender Apollo in „Daphne” (Richard Strauss), gefolgt von der Zwischenfachpartie des Max in „Der Freischütz”(Carl Maria von Weber), und nun stand Schagers weltweites Rollendebüt als Lohengrin in der fragwürdig-banalen – ja bisweilen lächerlichen – Inszenierung des deutschen Regisseurs Andreas Homoki auf dem Spielplan.
Die sonst prall gefüllten Stehplätze im Parterre als auch in der Galerie boten viel Freiraum und frische Luft. Ob dieser Umstand nur den stürmischen Wetterprognosen geschuldet war oder der Skepsis der Wagnerianer, die bereits im Vorfeld um sich gegriffen hatte, ist im Grunde belanglos: Jeder Wagnerianer, der etwas auf sich hält, dürfte sich dieses viel gepriesene Rollendebüt nicht entgehen lassen. Punkt!
… auch wenn die Erwartungen sich leider erfüllt haben. Berauschend war dieser „Lohengrin”, die Oper aller Opern, an diesem Abend bei weitem nicht. Von den technischen Schwierigkeiten zu Beginn einmal abgesehen, wurde die lichte Gestalt des Schwanenritters zu brachial präsentiert. Keine Frage: die Forte-Ausbrüche eines Andreas Schager zeigen deutlich auf, welche Schwächen manch andere Sänger in puncto Volumen, Brutalität und Ausdruckskraft noch zu bewältigen haben – doch dort liegt das Problem: dieser Lohengrin war zu erdig, zu protzig angelegt.
Dennoch offenbarte Schager bei der Gralserzählung („In fernem Land”) seine lyrischen Fähigkeiten, seine zarte Seite und seine technischen Qualitäten als Sänger – diese filigrane Seite des edlen Schwanenritters hätte man auch am restlichen Abend gerne öfters vernommen.
Wenig Unterstützung bot auch das Staatsopernorchester unter der Leitung der Australierin Simone Young, 57. Trotz der überwiegend einwandfreien technischen Leistung des berühmten Orchesters – hervorgehoben seien die vier Herren an den Hörnern – mochte sich der besondere Zauber nicht entfachen. Diesen hochkarätigen Rohdiamanten im Orchestergraben der Wiener Staatsoper auf Hochglanz zu polieren, als farbenreichen Brillanten zu präsentieren, dessen war Simone Young an diesem Abend nicht imstande. Gänsehautmomente blieben die seltene Ausnahme. Die Magie des „Lohengrin”, dessen Spannungsfeld zwischen mitreißender Dramatik und schwelgerischer Sensibilität, blieb in den Tiefen der Partitur verborgen.
Mit Wehmut denke man an das dynamische, facettenreiche Dirigat Sebastian Weigles in der letzten Saison zurück, auf dessen sphärischer Klangwolke ein viel gescholtener Einspringer einen seiner seltenen Höhepunkte erleben durfte. Auf diese Unterstützung konnte Andreas Schager leider nicht zählen.
Der große, mystische Schwebezustand wollte sich an diesem Abend einfach nicht einstellen. Ein rein technisch sauberes Dirigat beschert noch lange kein großartiges Erlebnis. Bei großer Kunst sind andere, unerklärliche Phänomene am Werk, die rein analytisch nicht aufrollbar sind – sie sind einfach! Dienstagabend waren sie nicht. Bleiben noch drei weitere Versuche: der nächste am 28. Oktober 2018.
Jürgen Pathy, 24. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de