„Vor euren Augen soll es leuchtend tagen!“ – „Lohengrin“ glänzt in Bayreuth 2025

Richard Wagner, Lohengrin  Bayreuther Festspiele 1. August 2025

Lohengrin, Elza van den Heever (Elsa von Brabant), Chor der Bayreuther Festspiele © Enrico Nawrath

Es funktioniert noch, das „blaue Wunder“ auf dem Grünen Hügel, auch wenn der Lohengrin in der Inszenierung von Yuval Sharon mit der Bühne und den Kostümen von Rosa Loy und Neo Rauch nun schon im achten Aufführungsjahr angekommen ist. Seien wir ehrlich – auf manche Regie-Einfälle blickt man immer noch mit Fragezeichen, aber nach wie vor erfreut das in zahlreichen Nuancen leuchtende magische Blau, das, wie die ganze Produktion, seit Jahren hinlänglich besprochen und assoziiert worden ist.

Lohengrin
Musik und Libretto von Richard Wagner

Christian Thielemann, Dirigent

Yuval Sharon, Inszenierung

Piotr Beczała, Tenor
Andreas Bauer Kanabas, Bass
Elza van den Heever, Sopran
Miina-Liisa Värelä, Sopran
Michael Kupfer-Radecky, Bariton
Ólafur Sigurdarson, Bariton

Festspielorchester Bayreuth

Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele 1. August 2025

von Dr. Andreas Ströbl

Nicht wundern – genießen!

Wer über das wunderbare Bühnenbild die wunderlichen inszenatorischen Einfälle, wie das nervige Herumschubsen der Blumenstreuerinnen und des Heerrufers, inszenatorische Längen im zweiten Aufzug durch zuwenig Bewegungsregie, den Feuertod des Königs und das Massensterben der ja hier als Insekten dargestellten Brabanter den Kopf schüttelt, der mag mit Wilhelm Busch nur ironisch ausrufen „Guckste wohl! Jetzt ist’s vorbei mit der Käferkrabbelei!“, und sich am besten vor allem der musikalischen Darbietung hingeben.

Aber bei aller möglichen und teils berechtigten Kritik – das aufs Neue ausbrechende dümmliche Kuh-Blöken eines Teils des Publikums beim Erscheinen von Neo Rauch und Rosa Loy zum Schlussapplaus war beschämend und peinlich, vor allem respektive der seit so vielen Jahren bekannten Produktion. Das übertraf noch die Idiotie der selbstgefälligen Hornochsen beim Buhen nach dem ebenfalls hinlänglich bekannten Schwarz-Ring. Christian Thielemann hatte den sensiblen Einfall, gleich nochmal mit auf die Bühne zu kommen und die beiden zu umarmen. Und den phantastischen Dirigenten des Abends wollte dann tatsächlich niemand mehr ausbuhen.

Um die negativen Aspekte des Abends damit gleich abzuarbeiten: Auch Ólafur Sigurdarson musste sich akustische Abwatschungen aus den teuren Reihen gefallen lassen, weil sein Friedrich von Telramund angeblich nicht so gut war wie sein Alberich. Ja, der Sänger ging diesmal nicht ganz so souverän mit der Sprache um, aber seine markante, ja ruppige Stimmführung passte ganz ausgezeichnet zu der Rolle als unsympathischer Möchtegern-Machtmensch. Umso mehr Bravo-Rufe gab es dann als umgekehrtes Echo aus den oberen Rängen.

Lohengrin, Ólafur Sigurdarson (Friedrich von Telramund), Miina-Liisa Värelä (Ortrud), Chor der Bayreuther Festspiele © Enrico Nawrath

Fast durchweg glanzvolle Leistungen

Im besten Sinne königlich gestaltete Andreas Bauer Kanabas Heinrich den Vogler, mit sattem, vollem Bass und einwandfreier Diktion; ganz zweifellos einer der Stars des Abends. Wenn es eine majestätische Vokalbildung geben sollte – Bauer Kanabas beherrschte sie brillant.

Elza van den Heever gab eine stimmlich hochaufragende Elsa, gesanglich und spielerisch souverän, wenngleich in den Höhen dynamisch füllig, aber in den tiefen Lagen fast verhalten.

Lohengrin, Elza van den Heever (Elsa von Brabant), Piotr Beczała (Lohengrin) © Enrico Nawrath

Oft kaum textverständlich war Miina-Liisa Värelä; ihre Ortrud fiel vor allem durch eine mitunter aggressive Gestaltung der Höhenlagen auf. Das passte zur Figur, aber hier wäre eine differenziertere Farbgebung durchaus wünschenswert gewesen.

Michael Kupfer-Radecky bildet den Heerrufer als Respektsperson. Sein Bariton blieb dabei aber warm und füllig, zudem verstand man jedes Wort.

Die vier Edlen waren Martin Koch, Gideon Poppe, Felix Pacher und Markus Suihkonen, edel und gediegen gestalten sie auch ihr Auftreten und den Gesang.

Lohengrin, Michael Kupfer-Radecky (Der Heerrufer des Königs), Chor der Bayreuther Festspiele © Enrico Nawrath

Das (der) Beste kommt zum Schluss

Wenn man als Musikjournalist voller Sympathie einen Zunftgenossen zitiert, dann geschieht das an dieser Stelle, weil der fabelhafte Alex Ross vom „New Yorker“ es nach einer Lohengrin-Aufführung in der „Metropolitan Opera“ unübertrefflich formulierte: „Die Gralserzählung strahlte, wie das Objekt, um das es geht. Lag es am Text, der Musik, dem Sänger? Ja.“ Gemeint war Piotr Beczała, und, um es in Umdeutung einer Textstelle Friedrichs von Telramund auszudrücken, „vor euren Augen soll es leuchtend tagen!“.

Lohengrin, Piotr Beczała (Lohengrin) © Enrico Nawrath

Beczałas Tenor leuchtete in der Tat von Beginn an; im ersten Aufzug schraubte er sich in manche Silben etwas hinein, aber er hatte ja noch etwas vor sich. Der dritte Aufzug lohnte den ganzen Besuch – ja, allein die Gralserzählung. Es dürfte niemanden geben, der dieses Herzstück der Oper feinsinniger gestaltet als dieser Sänger, im ganzen Aufbau mit seinen feinen Steigerungen, Absätzen und Zartheiten. Er nahm sich Zeit, setzte sensibel kleine Pausen, um dann eine Taube schweben zu lassen, die man nur als von flaumfedriger Sanftheit beschreiben kann.

Thielemann entschied sich dafür, die Stelle „Seht da den Herzog von Brabant! Zum Führer sei er euch ernannt!“ im Original singen zu lassen. Es gab ja reichlich Diskussionen um die Verwendung des Begriffs, der in vielen Inszenierungen durch „Schützer“ ersetzt wird, aber bei allem, was man Wagner mit Recht anlasten kann und muss – dieser Titel ist hier frei von brauner Soße.

Von seidenzart bis flott-dynamisch – ein phantastisches Dirigat!

Schon die ersten Klänge des Vorspiels waren von einer himmlisch-zarten Feinheit, die Violinen zauberten ein transluzides Geflecht aus feinsten Silberfäden, fast schon mit ein bisschen Zuckerguss. In der Zwischenmusik im zweiten Aufzug strahlte die Sonne durch das lichte Blau des Himmels; Thielemann wusste, die überirdische Schönheit der Lohengrin-Musik auch hier aufs Vollendetste strahlen zu lassen. Das Vorspiel zum dritten Aufzug gab das Festspielorchester Bayreuth wunderbar flott und frisch, vor allem fernab jeder tümelnden Schwere. So kann man das auch spielen – mit starkem Blech, das aber auf Pathos verzichtet.

Klar und von selten gehörter Finesse waren trotz des Bayreuther Mischklangs die Soloinstrumente und gerade die hohen Streichergruppen derart gut herauszuhören, dass auch Kenner der Partitur manch völlig Neues zu entdecken glaubten.

Und schließlich: Wann hat man bei solch einem kraftvollen, wuchtigen und exakt singenden Festpielchor soviel vom Libretto verstehen können? Das Zusammenspiel von Frauen- und Männerstimmen mit dem glänzenden Orchester war exzellent und von einer ins Herz dringenden Stärke. Offenbar funktioniert die Zusammenarbeit mit dem neuen Chorleiter Thomas Eitler de Lint großartig.

Wer das unverschämte Glück hatte, zu dieser seit Monaten heillos überbuchten Vorstellung noch eine Karte zu bekommen, durfte sich glücklich schätzen und hatte allen Grund, in den tosenden Beifall einzustimmen. Bravi tutti!

Dr. Andreas Ströbl, 3. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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