Simone Schneider gelang es großartig, sich in die Rolle der Elsa einzufühlen, dramatisch beherrschte sie bei jedem Auftritt die Szene. Es gelang ihr trotz allem weiblichen Bemühens aber nicht, aus ihrem Lohengrin (Eric Cutler) mehr als eine Bahnhofsvorsteherpose herauszulocken, selbst nicht in der Hochzeitsnacht-Szene.
Wilhelm Schwinghammer (König Heinrich), Simone Schneider (Elsa), Eric Cutler (Lohengrin), Okka von der Damerau (Ortrud), John Lundgren (Friedrich von Telramund), Kent Nagano (musikalische Leitung), Foto: RW
Hamburgische Staatsoper, 16. Januar 2022
Richard Wagner, Lohengrin (konzertante Aufführung)
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano Dirigent
von Dr. Ralf Wegner
Wohl Corona-bedingt wurde auf das Bühnenbild verzichtet und eine konzertante, man kann auch sagen halbszenische Vorstellung geboten. Der Chor saß in Schwarz gekleidet im Hintergrund, im Vordergrund agierten die Sänger mehr oder weniger szenisch, die Herren im Frack und die Damen in Blau (Elsa) und in Rot (Ortrud). Simone Schneider sang eine herausragende, den Abend dominierende Elsa. Typisch ist der leicht nasale Klang ihrer Stimme, die in allen Lagen aber ausdrucksstark und mit dem nötigen Schalldruck eingesetzt wird. In der Höhe blüht Schneiders Sopran glanzvoll auf, nie zeigt sich eine Schärfe oder ein störendes Vibrato. Anfangs nahm ich bei Okka von der Damerau (Ortrud) noch ein etwas überzogenes Vibrato war, das hatte die Sängerin aber schnell im Griff und überzeugte das Publikum mit ihrem gewaltigen Stimmvolumen und ihrer stimmlichen Interpretationskunst, vor allem bei ihrem unter die Haut gehenden Schlussplädoyer „Erfahrt, wie sich die Götter rächen, von deren Huld ihr euch gewandt“.
Auch Simone Schneider gelang es großartig, sich in die Rolle der Elsa einzufühlen, dramatisch beherrschte sie bei jedem Auftritt die Szene. Es gelang ihr trotz allem weiblichen Bemühens aber nicht, aus ihrem Lohengrin (Eric Cutler) mehr als eine Bahnhofsvorsteherpose herauszulocken, selbst nicht in der Hochzeitsnacht-Szene. Immer wieder griff er sich ins Gesicht oder steckte beide Hände in die Hosentaschen, so als ob ihm die Zeit bis zu Elsas Frage „Den Namen sag mir an! Woher die Fahrt? Wie deine Art?“ zu lang wurde. Man hätte ihm die Hosentaschen zunähen sollen. Obgleich mit einer ansprechenden Mittellage gesegnet, gelang es Cutler nicht, Lohengrins Drama zumindest stimmlich genügend zum Ausdruck zu bringen. Er sang, als ob er nicht wüsste, was er sang. Recht stimmstark ist Cutlers Heldentenor nicht, er hatte aber auch unter dem strahlenden Gesang seiner Elsa zu leiden. Die Gralserzählung, bei der er sich nicht gegen ein laut aufspielendes Orchester durchsetzen muss, gelang Cutler durchaus passabel. Sein hohes Register klang mir allerdings zu süßlich, vor allem beim Erstauftritt im ersten Aufzug: „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“. Einzelne Intonationsunreinheiten, vor allem im zweiten Aufzug, waren wohl seiner offensichtlichen Nervosität geschuldet.
Wilhelm Schwinghammer war als König Heinrich fabelhaft, sowohl vom Auftreten her als auch mit seinen stimmlichen Fähigkeiten. Sein Bass scheint mir kräftiger geworden zu sein, auch fiel er mit vollendetem Legato positiv auf. Darüber verfügten John Lundgren (Telramund) und Andrzej Dobber (Heerrufer) nicht in diesem Maße. Beide hatten kräftige Stimmen, die nicht in den Orchesterwogen untergingen. So war Lundgren stimmlich dem Schalldruck seiner Partnerin durchaus gewachsen.
Das Philharmonische Staatsorchester habe ich unter der Leitung von Kent Nagano lange nicht mehr so gut gehört. Besonders die Piani bis zu den Pianissmi gelangen beeindruckend. Manches habe ich in Wagners Komposition so auch noch gar nicht wahrgenommen. Das mag aber an dem fehlenden Bühnenbild gelegen haben. Im Lohengrin gibt es ja manche Handlung, die nicht mit Gesang unterlegt ist. Deshalb trat die Orchesterleistung heute häufiger als sonst in den Vordergrund der Aufmerksamkeit.
Am Ende gab es großen Jubel für Simone Schneider, Okka von der Damerau und für Kent Nagano.
von Dr. Ralf Wegner, 17. Januar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Tristan und Isolde Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, 8. Juli 2021
Richard Wagner, Der fliegende Holländer Bayreuther Festspiele, 25. Juli 2021
Sehr geehrter Herr Schmidt, sehr geehrte Damen und Herren von Klassik begeistert!
Bei allem Verständnis für Meinungs- bzw. Pressefreiheit möchte ich diesem Verriss doch ein paar ergänzende Zeilen hinzufügen. Es ist sicher nicht das Anliegen und auch nicht die Schuld der Damen und Herren des Opernchores der Hamb. Staatsoper, wenn hier ein dermaßen grausiges künstlerisches Versagen zu erleben war. Vielmehr wäre zu fragen gewesen, WARUM das Ergebnis so zu Stande kam. In der Kritik liest sich das so, als ob es nur ein Versagen des anscheinend unfähigen Chores gegeben habe…Wenn eine Kritik im Stile des investigativen Journalisten geschrieben wird, dann muss sich der Journalist auch gefallen lassen, dass man darauf hinweist, dass hier sowohl sprachlich wie inhaltlich deutliche Abstriche am Kritikstil zu machen sind. Und die Frage sei erlaubt: WARUM ? Bzw. wem soll diese Kritik nutzen?
Mit freundlichen Grüßen,
Oliver Zwarg
Lieber Herr Zwarg,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Bitte lesen Sie meine Antwort auf Kim. Vielleicht nützt dieser Beitrag der Staatsoper Hamburg, nicht mehr mit einem so dermaßen unterprobten Chor auf die Bühne zu gehen, auch wenn wir mit Corona leben. Die Zuschauer zahlen bis zu 120 Euro für diesen Abend… und bekommen nicht einmal den Hochzeitsmarsch richtig dargeboten. Das tut weh.
Warum kam dieses Ergebnis zustande: Es wurde zu wenig mit den Choristen tutti geprobt. Diese Formation hätte in einer szenischen Aufführung 0,0 Chancen gehabt – so sehr klaubten die Sänger an ihren Noten.
Summa summarum: Dies war alles andere als ein satter, voller Wagner-Sound à la Bayreuth, wo der Chorleiter ja auch wirkt.
Herzlich aus Hamburg
Andreas Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt!
Na, da haben Sie doch in Ihrer Antwort schon teilweise ein „Warum“ beantwortet. Warum klingt ein Chor, der nicht nur vom gleichen Chorleiter wie der Bayreuther Festspielchor einstudiert wird, sondern sich teilweise auch aus den gleichen Sängern zusammensetzt; warum klingt ein Chor so gänzlich anders? Nur dass wir uns richtig verstehen: ich kann den Ärger über 120 € bei gleichzeitiger ärgerlicher künstlerischer Leistung durchaus nachvollziehen. Nur muss man doch in diesen Zeiten besonders sensibel nach Ursachen fragen. Die Stadt verlangt in ihren Vorgaben nach einem speziellen Quantum an Repertoiredichte und Vielzahl an Vorstellungen, was bei gleichzeitiger Vorgabe von täglich wechselnden Corona Bestimmungen faktisch nicht aufrechtzuerhalten ist. Da muss es nur einen Vorfall von Covid in einer Stimmgruppe gegeben haben und es wird tags drauf eine ganze Probe abgesagt bzw. MUSS abgesagt werden. Das können Sie als Mitsänger in einem halbprofessionellen Laienchor doch nachvollziehen! Die Alternative wäre entweder die Vorstellung abzusagen (was Gott sei Dank nicht mehr gar so leichtfertig passiert wie noch vor zwei Jahren) oder einen ausgedünnten Spielplan a la Frankreich oder Italien mit 5 bis 7 Premieren pro Spielzeit und das war´s!
Mich hat an Ihrer Kritik ganz vehement gestört, dass man als Kritisierter (der ich nicht bin) das Gefühl bekommen konnte, man sei selber verantwortlich zu machen für diese desaströse Leistung. Und das ist schlicht nicht fair! Und das sollte eine Kritik doch immer sein: Fair!
Oliver Zwarg