Vogt kam, sang und siegte!

Richard Wagner, Lohengrin,  Staatsoper Hamburg, 22. Dezember 2019

Foto: Intendant Georges Delnon, Klaus Florian Vogt
und Kultursenator Dr. Carsten Brosda © Behörde für Kultur und Medien
Richard Wagner, Lohengrin, Staatsoper Hamburg, 22. Dezember 2019

Ulrich Poser berichtet über den „Lohengrin“
aus der Hamburgischen  Staatsoper vom 22. Dezember 2019

Die Inszenierung des Lohengrin von Peter Konwitschny aus dem Jahre 1998 ist eine Zumutung. Sie verlegt die Handlung in ein Klassenzimmer aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert und steckt die Protagonisten mit Ausnahme vom Schwanenritter in lächerlich anmutende Kostüme. Die arme Elsa sah aus wie Mutter Beimer auf ihrer 60. Geburtstagsfeier. Konwitschnys Verballhornung der Materie, insbesondere aber die furchtbaren Kostüme und die abartigen Perücken von Helmut Brade und Inga von Bredow sind schlicht und ergreifend misslungener Blödsinn.

Schloss man jedoch die Augen, konnte man an diesem Abend einen der besten Lohengrins im Hause an der Dammtorstraße hören. Klaus Florian Vogt, dem nach der Vorstellung die Ernennungsurkunde zum Kammersänger der Freien und Hansestadt Hamburg überreicht wurde, ist stimmlich in der Form seines Lebens, d.h. auf dem Zenit seines künstlerischen Schaffens. Wie gewohnt begann er zuckersüß lyrisch, um sich dann mit dem notwendigen Metall mit Telramund, Ortrud und seiner geliebten Elsa auseinanderzusetzen. Wunderbar und einmalig seine Interpretation von „Das süße Lied verhallt; wir sind allein, zum ersten Mal allein, seit wir uns sahn“ in der Brautgemachszene im dritten Akt. Glücklich, wer an diesem Abend im restlos ausverkauften Haus dabei sein durfte. Vogts Gralserzählung ist in ihrer lyrischen Reinheit, Kraft und Diktion einmalig und versetze das Haus in einen kollektiven somnambul-narkotisierten Glückstaumel. Das war Weltklasse! Sogar die Huster, Zwischenlaberer und Handtaschenkramerinnen verstummten dank der Macht von Vogt und der Musik zeitweise völlig. Wunder geschehen immer wieder.

© Arno Declair

Simone Schneider gab eine stimmlich ganz hervorragende Elsa. Ihr angenehm runder Sopran und ihre außerordentliche Textverständlichkeit ließen das affige Kostüm, in das man die arme Sänerin gesteckt hatte, verblassen.

Auch der Rest der Sängerriege, Christof Fischesser als König Heinrich, Wolfgang Koch als Telramund und – vor allem – Andrzej Dobber als sehr stimmstarker Heerrufer, waren erstklassig.

Neben dem frisch gekrönten Kammersänger KFV erntete Tanja Ariane Baumgartner als Ortrud den meisten Applaus. Sie verkörperte die rachsüchtige Gattin Telramunds überzeugend mit der notwendigen Bösartigkeit, Hinterlist und unglaublichen stimmlichen Reserven. Ihre Spitzentöne lehrten nicht nur Elsa das Fürchten. Wagner at its best!

Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es Kent Nagano geschafft hat, das Philharmonische Staatsorchester Hamburg in die Riege der besten Orchester der Welt zurückzuholen. Dies haben er und seine Musiker auch an diesem Abend wieder bewiesen. Beseelter wagnerscher Orchesterklang, selbstverständlich ohne jeden Schnitzer. Nagano dirigierte an diesem Abend überdurchschnittlich verzückt, was sich in für ihn eher untypischen kräftigen Gesten ausdrückte. Man könnte auch sagen, er ist ziemlich ausgeflippt.

Ausgeflippt ist am Ende übrigens auch das Publikum. Solch lang anhaltende Begeisterungsstürme hat man im Hause schon lange nicht mehr gehört. Hamburg ist aufgetaut!

Die den Rezensenten auch an diesem Abend begleitende Wolfsfrau wagte nach der Vorstellung in ortrudscher Manier die Anmerkung, dass KFV für sie manchmal irgendwie nasaliert. Der Rezensent wollte das nicht hören.

Ulrich Poser, 23. Dezember 2019, für
klassik-begeistert.de

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