Siegfried in Bayreuth: Klaus Florian Vogt singt in absoluter Bestform

Richard Wagner, Siegfried, Klaus Florian Vogt  Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2025

Klaus Florian Vogt als Siegfried © Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Am Ende der Aufführung gibt es kein Halten mehr für das Publikum.
Es entlädt sich mit lauten Bravorufen, Getrampel und lang anhaltendem Applaus für die Mitwirkenden.

Richard Wagner
Der Ring des Nibelungen
Zweiter Tag, Siegfried

Musikalische Leitung: Simone Young

Siegfried: Klaus Florian Vogt
Mime: Ya-Chung Huang
Der Wanderer: Tomasz Konieczny
Alberich: Ólafur Sigurdarson
Fafner: Tobias Kehrer
Erda: Anna Kissjudit
Brünnhilde: Catherine Foster
Waldvogel: Victoria Randem
Der junge Hagen: Branko Buchberger
Grane: Igor Schwab

Orchester der Bayreuther Festspiele

Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2025

von Iris Röckrath

Samt und Seide rascheln wieder auf dem Grünen Hügel. Mein erster Blick fällt auf das freundlichste Parkplatzpersonal, das man sich denken kann. Ich benötigte Hilfe mit meinem etwas sperrigen Wagen und bekam von allen Seiten sofort Hilfe. Danke dafür.

Mein zweiter Blick fällt in die Festspielzeitung, die überall ausliegt. Auf der Titelseite prangt unter der Titelzeile „Die Meistersinger von Nürnberg“ ein großes Foto mit Politikprominenz und Ehefrauen. Daneben Sektwerbung.

Ich schlage die erste Seite auf. Richard Wagner macht ganzseitig spaghetti(fr)essend Werbung für das Restaurant wahnfood mit dem Zitat: man muss sich dem Leben auch einmal hingeben ohne nach dem Warum zu fragen. Muss man? Ansonsten weitere Promi-Fotos, und dazwischen finde ich nach genauerem Hinsehen glücklicherweise auch Informatives die Aufführungen betreffend.

Die Fanfaren rufen zum Vorstellungsbeginn. Immer wieder ein Highlight für die Menschen aus Nah und Fern, die nach Bayreuth gepilgert sind.

Ich sitze in der 26. Reihe Mitte und habe einen Menschen mit ausufernder Lockenpracht vor mir, was mir den Blick auf die Bühne leider zum grössten Teil unmöglich macht. Ich beschliesse mit Bedauern, mich auf die musikalische Seite auszurichten, über die Inszenierung ist ja auch schon hinreichend berichtet worden.

Zurecht heißt die heutige Aufführung Siegfried. Es ist erstaunlich, was für ein charismatisches, kräftiges kluges Kind, dazu noch versehen mit einer sensationellen Stimme, das Mime in seiner bescheidenen Behausung grossgezogen hat. Wie  Klaus Florian Vogt stimmlich und auch körperlich mit diese Rolle identifiziert ist, ist wirklich auf allerhöchstem Niveau. Diesen Siegfried macht ihm keiner nach! Seine Stimme klingt kräftig über weiteste Strecken, wo früher mal ein leicht gequetschtes „i“ war, dunkelt er mehr ab. Bis zur letzten Note hat man nie Angst, er könnte irgendeinen Ton versemmeln. Man hat den Eindruck, Klaus Florian Vogt befindet sich im Moment in absoluter Bestform.

Über weitere Strecken der Aufführung habe ich mir Übertitel gewünscht, damit auch jeder im Publikum dem Inhalt besser folgen kann. Der arme Mime war auf meinem Platz nur wenig zu verstehen, was natürlich in dieser besonderen Charakterpartie mehr als schade ist. Dass er am Ende des ersten Aktes auch noch gefoltert wurde von seinem undankbaren Ziehsohn, hat er aber nicht verdient.

Nach dem zweiten Akt gehen meine Publikumspunkte eindeutig an den großartigen Fafner Tobias Kehrer. Ich liebe charakterlich wiedererkennbare Stimmen über alles. Er bringt das grosse Spektrum an Rauhheit, schwarzer röhrender Tiefe und mächtigen fliessenden Bögen mit. Wiedererkennungswert 1 Plus.

Das Waldvögelein wurde von Victoria Randem hinreißend gezwitschert, allerdings hätte ich wohl auch einen Schluck vom Drachenblut nehmen sollen, um ihre wichtige! Botschaft verstehen zu können.

Die Partie des Wanderer wurde, wie in den vergangenen Jahren, vom Publikumsliebling Tomasz Konieczny gesungen. Der Weltenlenker, der im Siegfried merkt, dass ihm langsam die Fäden aus der Hand genommen werden, hier eher zum Beobachter wird, ist für mich in dieser Inszenierung nicht schlüssig. Sein cooles Auftreten im weissen Gigolo-Anzug wirkt auf mich befremdlich. Wo ist die innere Zerrissenheit, vielleicht auch Traurigkeit des Wanderers? Ich habe sie nicht sehen und auch nicht hören können. Stimmlich ist der Bassbariton Tomasz Konieczny allerbestens voluminös mit leichtem Metall in der Stimme aufgestellt. Er singt ohne Mühe die riesige herausfordernde Partie. Einfühlsam gelingt die wunderbare Passage zu Beginn des dritten Aufzuges mit der Urmutter Erda. Diese Erda, Anna Kissjudit, raubt einem schier den Atem. Wann hat es zuletzt eine Sängerin in dieser Partie gegeben, die so intensiv abgedunkelt, textverständlich singt und den Raum mit ihren stimmlichen wunderbaren Bögen füllt? Ein Hochgenuss zum Dahinschmelzen.

Und nun geht es zum Walkürenfelsen, auf dem ja die Brünnhilde auf ihre Erweckung wartet. Die Magie zu Siegfrieds Sätzen „brennender Zauber zückt mir ins Herz feurige Angst fasst meine Augen, mir schwankt und schwindet der Sinn“ mag sich bei mir nicht einstellen. Catherine Foster schien mir an diesem Abend stimmlich leicht angeschlagen zu sein. Sie klang für mich angestrengt und stemmte sich am Ende mit aller vorhandenen Technik stimmlich in die Höhe, dabei stört mich auch das starke Tremolo in der Stimme. Das Ende des Siegfried ist zum Ende so unglaublich schwelgerisch komponiert, leider konnte ich mich dadurch nicht völlig hingeben in die Musik. Allerdings nervt mich auch die Personenführung, die einbalsamierte Mumie, dieses ständige Herumgelaufe lenken unglaublich von der Musik ab.

Am Ende der Aufführung gibt es kein Halten mehr für das Publikum. es entlädt sich mit lauten Bravorufen, Getrampel und lang anhaltendem Applaus für die Mitwirkenden

2 Gedanken zu „Richard Wagner, Siegfried, Klaus Florian Vogt
Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2025“

    1. Lieber Herr Braun,
      Sie haben Ihre Frage bei einer Wagner-Rezension eingestellt, aber ich denke, die Antwort befindet sich im bunten Reich der Operette.
      Es gab im Jahre 1914 ein Werk von Carl Michael Ziehrer mit dem Titel „Das dumme Herz“. Dieses ist im österreichischen Operettenlexikon (operetten-lexikon.info) zwar unter dem Komponisten Ziehrer gelistet, aber nicht detailliert beschrieben. In dieser Operette gibt es ein Lied namens „Das Herz ist nur ein Uhrwerk“ und beginnt mit den Worten „Es war ein Meister Florian, fünfhundert Jahr sind’s her…“.
      Wenn Sie bei YouTube das Stichwort „Das Herz ist nur ein Uhrwerk“ eingeben, werden Ihnen Aufnahmen mit Gottlob Frick und diesem gewünschten Text angeboten.

      Viele Grüße aus Berlin-Köpenick von Ralf Krüger

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert