Große Bilder und große Stimmen – verdiente Standing Ovations für eine Vorstellung, die sich von Akt zu Akt steigert

Richard Wagner, Tannhäuser,  Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, München, 9. Mai 2019

Foto © Wilfried Hösl
Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, München, 9. Mai 2019
Richard Wagner, Tannhäuser
Romantische Oper in drei Aufzügen
Libretto vom Komponisten
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

von Barbara Hauter

Die Münchner präsentieren einen gewaltigen Tannhäuser mit glanzvollen, manchmal rätselhaften Bildern. Die Inszenierung von Romeo Castelucci ist umstritten. Atemberaubend schön und psychologisierend sind seine Szenerien, die Seelenlandschaften gleich kommen. Aber sie lassen den Sängern wenig Raum für Interaktion und für zarte Zwischentöne: Castelucci denkt in Konzepten. Leibhaftige Menschen kommen bei ihm nicht auf die Bühne. Tannhäuser, der zerrissen zwischen sinnlicher Lust und hehrer Liebe schwankt, der immer das will, was er gerade nicht bekommen kann und nie wirklich mit dem eins ist, was gerade ist, wird gespiegelt in einer Inszenierung, die vor allem die Extreme zeigt.

Im ersten Akt will Tannhäuser nur weg – leicht verständlich, denn die Venus ist keine statuenhaft-schöne sondern eine archaische Liebesgöttin. Castelucci inszeniert sie als ein einziger durchaus ekeliger Fleischberg und man fragt sich, was Tannhäuser überhaupt dort so lange gehalten hat. Elena Pankratova, selbst zum Stillstehen verdonnert in dem Fleischmassen-Kostüm, singt die Venus allerdings so leidenschaftlich, dass man es doch versteht. Sie lockt, sie fleht, sie zürnt, sie tobt, sie ergibt sich wütend seiner Entscheidung – all das hört man in dem brandenden Sopran der Russin.

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Startenor Klaus Florian Vogt als Tannhäuser strahlt. Er überstrahlt mit seiner reinen, mühelos erscheinenden Stimme fast alle anderen Sänger. Mit seinem sehr hellen Timbre ist er mehr jugendlicher Lohengrin als zerrissener, zweifelnder Tannhäuser. Zumindest im ersten Akt, doch er entwickelt sich, wird düsterer und aufgewühlter – bis hin zu seiner Erzählung der Rom-Pilgerschaft im dritten Akt, dem absoluten Höhepunkt des Abends.

Doch zunächst zum zweiten Akt: Von der sinnlichen Venus geht es zu marienhaften Elisabeth, der Heiligen. Die Räume der Elisabeth –  an diesem Abend von Emma Bell statt von der erkrankten Lise Davidsen gesungen – sind rein, weiß, leer. Zarte, schwebende, sich immer bewegende Vorhänge trennen Tannhäuser und seine Angebetete. Keine Interaktion ist möglich zwischen ihnen. Im Kontrast zu der Zartheit des Bühnenbildes steht Emma Bells Stimme. Sie entspricht dem Ideal des vollen, dunklen Wagner-Soprans und Bells singt eine starke, frauliche Elisabeth.

Sie ist der Preis bei dem Wettstreit der Sänger, ausgelobt von ihrem Onkel Landgraf Hermann. Der Landgraf wird von dem dänische Bass Stephen Milling sehr väterlich und warmherzig interpretiert. Die Sänger Wolfram von Eschenbach (Ludovic Tézier), Walther von der Vogelweide (Dean Power), Biterolf (Peter Lobert), Heinrich der Schreiber (Ulrich Reß) und  Reinmar von Zweter (Lukasz Konieczny) setzen sich wunderbar voneinander ab. Vor allem der kraftvolle Bariton von Ludovic Tézier ist ein herrlicher Kontrapunkt zum trompetenhaften Tenor seines Freundes Tannhäuser. Die Bewerber besingen das Wesen der Liebe – und Tannhäuser kann kaum an sich halten, als er von den Mitstreitern nur Geschwurbel über hohe Liebesideale zu hören bekommt. Er kennt schließlich die wahre, die körperliche Liebe. Es bricht aus ihm heraus. Er offenbart seine Erfahrungen im Venushügel. Und muss zur Strafe und Läuterung auf Rom-Pilgerschaft gehen. Die leichten Vorhänge verwandeln sich in schwere dunkel Balken, die sich bedrohlich herabsenken. Die Last der Schuld scheint alle auf der Bühne zu erdrücken.

© Wilfried Hösl

Im dritten Akt kehren die Rom-Pilger zurück, doch zunächst ohne Tannhäuser. Er kommt später und allein, ihm wurde nicht vergeben. Tannhäuser berichtet enttäuscht und verzweifelt und Vogts Interpretation dieser Romreise-Erzählung ist zum Niederknien. Sein Tannhäuser bekommt Tiefe, Reife und sprengt fast den Rahmen der schönen, aber die Sänger auch einschränkenden Castelucci Inszenierung. Auch die Dirigentin Simone Young gelangt hier zu ihrem Höhepunkt, sie war im ersten Akt etwas undifferenziert gestartet.

Das Schlussbild ist schließlich für die Ewigkeit, die der Regisseur quasi an die Wand schreiben lässt. Elisabeth stirbt für Tannhäuser den erlösenden Opfertod und rettet sein Seelenheil. Die Zeit vergeht, Schriftzeichen verkünden Sekunden, Jahre, Jahrmillionen, die verstreichen. Die Körper vergehen und werden nach und nach zu Asche, die sich vermengt. Der Mensch, die Liebe, das Leid, sind vergänglich – wie auch ein noch so gelungener Opernabend letztlich in der Ewigkeit verhallt.

Barbara Hauter, 11. Mai 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeister.at

Hermann, Landgraf von Thüringen: Stephen Milling
Tannhäuser: Klaus Florian Vogt
Wolfram von Eschenbach: Ludovic Tézier
Walther von der Vogelweide: Dean Power

Biterolf: Peter Lobert
Heinrich der Schreiber: Ulrich Reß
Reinmar von Zweter Lukasz Konieczny
Elisabeth, Nichte des Landgrafen: Emma Bell
Venus: Elena Pankratova
Ein junger Hirt: Anna El-Khashem
Vier Edelknaben: Solisten des Tölzer Knabenchors
Bayerisches Staatsorchester
Chor der Bayerischen Staatsoper
Statisterie und Kinderstatisterie der Bayerischen Staatsoper
Opernballett der Bayerischen Staatsoper
Musikalische Leitung: Simone Young
Inszenierung, Bühne, Kostüme, Licht: Romeo Castelucci
Choreographie: Cindy Van Acker
Regiemitarbeit: Silvia Costa
Dramaturgie: Piersandra Di Matteo, Malte Krasting
Videodesign und Lichtassistenz: Marco Giusti
Chor: Sören Eckhoff
Abendspielleitung: Martha Münder

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