Wie gut, dass dieser Tannhäuser nächstes Jahr wieder auf dem Spielplan steht!

Richard Wagner, Tannhäuser  Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 24. August 2022

Insgesamt lieferte der Gesamtapparat Chor und Orchester unter Axel Kober  eine mehr als solide Leistung. Die durch die Thielemann-Magie Verwöhnten unter den Zuschauern werden vielleicht bemeckern, dass der routinierte Opern-all-Rounder an der einen oder anderen Stelle zum Schleppen neigte. Trotzdem eine sehr hohe Messlatte für seine Nachfolgerin Nathalie Stutzmann – man sei auf die neueste Überraschungsbesetzung in Sachen Bayreuth-Dirigat 2023 gespannt.

Tannhäuser © Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele

Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 24. August 2022

Tannhäuser
Musik und Libretto von Richard Wagner

Die derzeitige Top-Form-Serie auf dem Grünen Hügel wird fortgesetzt, Lise Davidsen sollte man schleunigst zur Göttin Brünnhilde erheben, Gould ist wieder in alter Form. Einzige Enttäuschung: Die vierte Aufführung ist für dieses Jahr das letzte Mal. Zum Glück gibt es im Sommer 2023 eine Wiederaufnahme…

von Peter Walter

Diese Oper lebt davon, dass sie sich bis zum Ende steigert – nicht nur wegen der chromatisch aufsteigenden Progression der Tannhäuser-Lieder. Noch spannender ist es, wenn dieses Kunstwerk dreimal hintereinander immer besser wird, genau das ist passiert! Die Feinheiten, die beim letzten Mal noch nicht ganz perfekt saßen, waren jetzt wie glattgeschliffen. Der Venusberg wird zum Stimmen-Spektakel, Tannhäuser und Venus ringen um ihre Liebe, singen sich dabei gegenseitig nieder. Ekaterina Gubanova gelingt ein wahrer Kraftakt, Goulds Tannhäuser muss kämpfen, um diese Venus nicht auf ewig zu verlieren. 

Am Ende purzelt der Minnesänger-Clown aus dem Venus-Bus heraus, trifft prompt auf eine junge Frau, die dem Einlasspersonal verblüffend ähnlich sieht. „Frau Holda kam aus dem Berg hervor“, das ist genau das Intermezzo, das man inmitten der – auch für das Publikum – sehr fordernden Inszenierung braucht. Wie, wenn man zwischen einem kräftigen 7-Gänge-Menü ein kleines Häppchen Sorbet serviert bekommt. Als wäre diese Oper für diese Inszenierung geschaffen, nicht andersrum. Alexandra Steiners weiche Stimme verschmilzt auf der Zunge, das – wieder einmal herausragend gespielte – Englischhorn-Solo ist dazu die perfekte Begleitung.

Tannhäuser © Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele

Und Gould ist wieder in alter Form, konnte sich von seinem Tristan-Siegfried-Tannhäuser Overload bestens erholen. Das musste er auch, denn die härteste aller Prüfungen steht im zweiten Akt an: Lise Davidsen. Eine Sängerin, die scheinbar unermüdliche Kräfte besitzt, jede und jeden KonkurrentIn gnadenlos an die Wand fährt. Sie ist die allmächtige Elisabeth, eine Heldin, der sich alle zu Füßen werfen. Nur der Papst – oder wer auch immer ihn in Tobias Kratzers Welt symbolisieren soll – beharrt auf seine gottgegebene Autorität, daran geht schlussendlich alles zu Grunde. Es wird höchste Zeit, diese junge Ausnahme-Sopranistin selbst zur Göttin zu erheben – als Brünnhilde.

Lise Davidsen © Enrico Nawrath, Bayerische Festspiele

Das Angebot an Tannhäuser-Tenören ist im Moment nicht knapp, auch der Markt an Landgraf-Bässen bei weitem nicht leergefegt. Aber es gibt nur eine Lise Davidsen und auch nur einen Markus Eiche! Kein Sänger singt den Wolfram von Eschenbach im Moment klarer, deutlicher, schöner als der Schwarzwald-Bariton. Der einzige Eschenbach, der nicht auf Konfrontationskurs gegen den Heldentenor setzt, sondern – fast schon wie Vogt – einfach singt. Seine Melodie ist eine einzige zweieinviertelstündig gezogene Linie, eben genau der „ewige Monolog“, auf den Wagner später all sein kompositorisches Kapital setzte.

Markus Eiche, Bildquelle: Fumiaki Fujimoto, BR-klassik

Beherrscht wird die Ritter-Gesellschaft vom Landgraf Hermann, dem Onkel Elisabeths. Der langjährige Wotan-Bariton und mittlerweile Bass Albert Dohmen drehte für die vierte Vorstellung noch einmal richtig auf, spielte einen mächtig donnernden, herrschenden Fürsten. Kräftig gefeiert wurde er auch von einem – mittlerweile wieder gewohnt – stimmstarken Chor, passend dazu die zahlreichen Trompeten-Fanfaren.

Insgesamt lieferte der Gesamtapparat Chor und Orchester unter Axel Kober  eine mehr als solide Leistung. Die durch die Thielemann-Magie Verwöhnten unter den Zuschauern werden vielleicht bemeckern, dass der routinierte Opern-all-Rounder an der einen oder anderen Stelle zum Schleppen neigte. Trotzdem eine sehr hohe Messlatte für seine Nachfolgerin Nathalie Stutzmann – man sei auf die neueste Überraschungsbesetzung in Sachen Bayreuth-Dirigat 2023 gespannt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Besetzung für die Wiederaufnahme nächstes Jahr unverändert bleibt, bitte mindestens Lise Davidsen und Markus Eiche! Dann müssen sich alle anderen Tannhäuser wieder an Bayreuth messen, nicht umgekehrt.

Peter Walter, 27. August 2022 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner, Tannhäuser Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 21. August 2022

Richard Wagner, Tannhäuser Bayreuther Festspiele, 18. August 2022

Richard Wagner, Tannhäuser, Hamburgische Staatsoper, 1. Mai 2022, Premiere B

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert